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GEFAHR/013: Brandsatz Fukushima - vom eingesperrten Sonnenlicht ... (SB)


Verhältnisse im zerstörten Akw Fukushima Daiichi sind nicht unter Kontrolle

Katastrophenbewältigung erzeugt immer neue Katastrophen

Grafische Darstellung der Strahlenausbreitung von Fukushima im gesamten Pazifischen Ozean, hinterlegt mit dem Symbol für Radioaktivität und der Überschrift: 'Noch 10 Jahre?' - Grafik: © 2013 by Schattenblick

Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2013 by Schattenblick

Mit einer seeseitig errichteten Stahlspundwand wollte die Betreibergesellschaft Tepco die permanente radioaktive Kontamination des Pazifischen Ozeans durch das zerstörte Atomkraftwerk Fukushima Daiichi begrenzen. Der Schuß ging nicht einfach nur nach hinten los, man hat sich damit selbst in den Fuß geschossen. Noch vor der Kaimauer des Hafenbeckens errichtet, sollte die knapp 800 Meter lange, 30 Meter tief in den Boden gerammte Stahlwand verhindern, daß täglich rund 400 Tonnen (t) Grundwasser, die in die sprichwörtlich fundamental zerstörten vier der sechs Reaktorgebäude eindringen und dort mit hochradioaktiven Partikeln angereichert werden, ungehindert unterirdisch ins Meer strömen.

Über Brunnen, die landseitig vor der Stahlwand angelegt wurden, sollte das aufgestaute, verstrahlte Grundwasser abgepumpt werden, so daß es dekontaminiert und anschließend ins Meer entlassen werden konnte. Wie berichtet, hat sich das Wasser als zu salzhaltig für die Dekontaminationsanlage erwiesen. Zudem war die Menge an Grundwasser größer und stärker strahlend als angenommen - ein Hinweis darauf, daß auch die Zahlenangabe 400 t pro Tag untertrieben sein könnte. [1]

Aufgrund der Zunahme an radioaktiv verstrahltem Grundwasser müssen nun weitere Tanks gebaut werden, berichtete Naohiro Masuda, der von Tepco für die Dekontamination des Akw Fukushima Daiichi eingesetzte Direktor, im vergangenen Monat auf einer Pressekonferenz. [2]

Tepco hat nicht die Erlaubnis, verstrahltes Wasser ins Meer zu leiten. Deshalb sah sich das Unternehmen genötigt, nun einen eigenen kleinen Kreislauf aufzubauen: Es pumpt das abgefangene Grundwasser zurück in die havarierten Meiler! Da dieses Wasser, das die Meiler quasi schon einmal durchströmt hat, aber inzwischen besonders salzhaltig ist, fördert es die Korrosion der Stahleinrichtungen in der Anlage. Daraus ergeben sich weitere, sicherheitsrelevante Probleme. So könnten deswegen Rohrverbindungen rascher korrodieren, bersten und Radioaktivität freigeben.

Als die Feuerwehr nach Beginn der Fukushima-Katastrophe am 11. März 2011 begann, als letzten Notbehelf Meerwasser in die havarierten Reaktoren zu pumpen, damit sich dort keine Explosion des Nuklearmaterials ereignet, warnten Experten vor den Folgen, die sich insbesondere aus der wachsenden Salzverkrustung der meerwassergekühlten Brennstäbe ergeben. Ausgerechnet durch die Kühlung würde also die Kühlung geschwächt.

Fast fünf Jahre nach Beginn der Fukushima-Katastrophe sind die Kraftwerksblöcke 1 bis 3 alles andere als unter Kontrolle. Sie müssen noch immer gekühlt werden. Tag für Tag werden die drei Meiler mit rund 325 t Wasser geflutet, das aber nicht aus dem Meer, sondern aus dem oberhalb der Meiler abgepumpten Grundwasser entnommen wird. Außerdem wird das Kühlwasser, das durch eine Dekontaminationsanlage gelaufen ist und mit Ausnahme des Tritiums weitgehend von Radionukliden gereinigt sein soll, erneut zur Kühlung verwendet.

In Anbetracht der langen Fristen von vielen Jahrzehnten, die für die Sicherung und den Rückbau des zerstörten Akw Fukushima Daiichi geplant sind, ist die zusätzliche Korrosionsgefahr nicht zu unterschätzen. Tepco hat sogar eigens das Beckenwasser in den Blöcken 2, 3 und 4 mit mobilen Anlagen entsalzt, um die Korrosionsgefahr zu verringern. Jetzt wird erneut Meerwasser in die Gebäude gepumpt. Da auf dem Akw-Gelände bereits Entsalzungsanlagen permanent im Einsatz sind, ist damit zu rechnen, daß Tepco es zu keinem Dauerzustand werden läßt, Grundwasser vor der Stahlspundwand abzupumpen und in die Reaktorgebäude zu leiten.

Dennoch zeigt ein solches Einzelbeispiel aus der mutmaßlichen Bewältigung der Dauerkrise, daß ein (vielleicht gar nicht so kleiner) Teil der von dem Unternehmen verbreiteten Fortschritts- und Erfolgsmeldungen darin besteht, technisches wie menschliches Versagen, Konzeptlosigkeit ebenso wie konzeptionelle Fehleinschätzungen mit einem immer größeren Aufwand korrigieren zu müssen.

Der Versuch, das nukleare Feuer zu bändigen, erinnert frappant an den sagenhaften Versuch, das Sonnenlicht einsperren zu wollen ... es ist zweifellos schon besorgniserregend genug, sich vorzustellen, was Tepco erklärtermaßen noch nicht unter Kontrolle gebracht hat. Aber noch viel mehr Anlaß zur Besorgnis bietet das, was das Unternehmen meint, unter Kontrolle gebracht zu haben ...


Fußnoten:

[1] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/brenn/ubge0012.html

[2] http://mainichi.jp/english/articles/20151231/p2a/00m/0na/022000c

4. Januar 2016


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