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GEFAHR/033: Brandsatz Fukushima - Strahlung hält und setzt sich durch ... (SB)




Grafische Darstellung der Strahlenausbreitung von Fukushima im gesamten Pazifischen Ozean, hinterlegt mit dem Symbol für Radioaktivität und der Überschrift: 'Noch 10 Jahre?' - Grafik: © 2015 by Schattenblick

Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2015 by Schattenblick

Einst wurde sie geradezu als Wundermaschine gepriesen, die Dekontaminationsanlage ALPS (Advanced Liquid Processing System) auf dem Gelände des am 11. März 2011 durch ein Erdbeben und einen Tsunami zerstörten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi. Die aufwendige Filteranlage sollte aus dem radioaktiv verseuchten Kühlwasser, von dem große Mengen produziert werden, da drei Meiler mit Kernschmelzen laufend gekühlt werden müssen, nahezu sämtliche Radionuklide - mit der einzigen Ausnahme Tritium - herauslösen.

Darauf stützen die japanische Regierung und die Akw-Betreibergesellschaft TEPCO ihre Behauptung, ein Ablassen der in Hunderten Tanks gelagerten, dekontaminierten Flüssigkeit im Pazifischen Ozean sei gefahrlos möglich. Das Tritium würde sich mit der kräftigen Kuroshio-Strömung, die an der Ostküste Japans entlangläuft, rasch verteilen und sei damit als harmlos anzusehen. Im übrigen käme Tritium auch natürlicherseits im Meerwasser vor. Die Sorge der örtlichen Fischer vor einer weiteren radioaktiven Kontamination ihrer Fanggebiete und einer Rufschädigung sei unnötig.

Doch am Sonntag berichtete Kyodo News [1] unter Berufung auf Angaben TEPCOs, daß im Fiskaljahr 2017 in dem mutmaßlich dekontaminierten Kühlwasser noch immer ein Wert von bis zu 62,6 Becquerel/Liter (Bq/l) Jod-129 nachgewiesen worden war. Damit wird der Grenzwert von neun Becquerel/Liter Jod-129 um das Fünf- bis Sechsfache überschritten. Weitere radioaktive Elemente blieben zwar unterhalb der Grenzwerte, hätten aber ebenfalls nicht in diesen Mengen in dem Wasser vorkommen dürfen. So wurde Ruthenium-106 mit einer Radioaktivität von 92,5 Bq/l (der Grenzwert liegt bei 100 Bq/l) gemessen und Technetium-99 mit 59 Bq/l (Grenzwert: 1000 Bq/l).

Würde TEPCO verantwortungsbewußt handeln, müßte es eigentlich alles daransetzen, um herauszufinden, ob die Tanks weitere radioaktive Elemente enthalten, in welchen Mengen sie vorkommen und ob das sämtliche 680 Tanks betrifft, die sich bis August dieses Jahres angesammelt haben und die zusammen 920.000 Tonnen tritiumhaltiges, dekontaminiertes Wasser enthalten. Hat ALPS von Anfang an versagt oder ist die Unzulänglichkeit des Systems erst später aufgetreten?

Laut Kyodo News hat der Akw-Betreiber nicht in jedem der Tanks die Konzentration an radioaktiven Substanzen geprüft. Da stellt sich die Frage, warum ein Unternehmen wie TEPCO nicht in der Lage sein sollte, herauszufinden, was die von ihm aufgestellten Tanks überhaupt enthalten. Muß man nicht annehmen, daß das Unternehmen versäumt hat, die Funktionstüchtigkeit der gesamten Dekontaminationsanlage laufend zu überprüfen? Ist es nicht sogar eine Art von Täuschung der Öffentlichkeit, wenn behauptet wird, ALPS könnte alle Radionuklide mit Ausnahme von Tritium aus dem radioaktiven Kühlwasser herausfiltern?

Kyodo News erinnert daran, daß der Leiter der japanischen Atomaufsichtsbehörde, Toyoshi Fuketa, das Verklappen des dekontaminierten Wassers im Pazifischen Ozean als "einzige" Option bezeichnet hat.

Diese Sichtweise dürfte sich nicht mehr aufrechterhalten lassen. Offensichtlich weiß niemand so genau, welche radioaktiven Elemente in welcher Größenordnung ALPS passiert haben, ohne von den entsprechenden Filtersystemen abgefangen zu werden. Ein Ablassen der Tanks mit den Strahlenpartikeln in den Pazifik wäre inakzeptabel.

Jod-129 hat eine Halbwertszeit von 15,7 Millionen Jahren, Ruthenium-106 von 373,59 Tagen und Technetium-99 von 211.000 Jahren. Die atomkritische Website fukuleaks.org errechnet aus den obigen Angaben eine Gesamtradioaktivität von 196.604.000.000 Becquerel und erklärt dazu, daß die Werte sowohl nach oben als auch nach unten gehen könnten. [2]

Das wäre keine Kleinigkeit, würde die Rechnung durch Messungen bestätigt! In den zurückliegenden sieben Jahren hat der Akw-Betreiber TEPCO seine Beschwichtigungspolitik beharrlich beibehalten. In der Regel wurde er dabei von der japanischen Regierung unterstützt, die ein Interesse daran an, Normalität einkehren zu lassen, genauer gesagt, den Eindruck von Normalität zu erwecken. Es geht bei der seit Jahren anhaltenden radioaktiven Verseuchung des Pazifischen Ozeans sicherlich auch um die wirtschaftliche Existenz der japanischen Fischer, aber längst nicht allein darum. Kaum thematisiert wird in den Medien bisher die Dauerkontamination eines internationalen Gewässers.


Fußnoten:

[1] https://www.japantimes.co.jp/news/2018/08/19/national/alps-system-fukushima-no-1-plant-failing-remove-tritium-toxic-cooling-water/

[2] http://www.fukuleaks.org/web/?p=16791

21. August 2018


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