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KOHLEALARM/209: Klimakampf und Kohlefront - in's Bild gerufen ... (Heinrich-Böll-Stiftung)


Pressemitteilung Heinrich-Böll-Stiftung und BUND/Friends of the Earth International
Mittwoch, 18.11.2015

Internationaler Kohle-Atlas 2015 in Brüssel vorgestellt

Daten und Fakten zu den ökologischen und sozialen Folgen der globalen Kohlewirtschaft


Brüssel, Belgien, 18. November 2015 - Die Heinrich-Böll-Stiftung und BUND/Friends of the Earth International haben heute in Brüssel die internationale Fassung ihres Kohleatlas 2015 in englischer Sprache veröffentlicht. Der internationale Coal Atlas bietet die aktuellsten Zahlen und Grafiken über die Kohle und ihre ökologischen und sozialen Folgen: In über 60 detaillierten Infografiken illustriert der Coal Atlas die Auswirkungen der Kohleindustrie auf Natur, Gesundheit, Arbeit, Menschenrechte und Politik.

Darüber hinaus wirft er ein Licht auf die Hauptprofiteure der Kohleproduktion und aktuelle Entwicklungen der Branche in China, Indien, den USA, Russland und Deutschland. Der Atlas ist als Print- und Digitalfassung kostenlos erhältlich unter:
www.boell.de/coalatlas

Kohle trägt mehr als jede andere Energiequelle zur Klimakrise bei: Alleine 2014 beliefen sich die CO2-Emissionen aus Kohle auf 14,2 Gigatonnen - das sind 44% aller CO2-Emissionen des Energiesektors und rund ein Viertel aller Treibhausgasemissionen. Der Abbau und die Verfeuerung von Kohle verursachen zudem irreversible Umwelt- und Gesundheitsschäden. Alleine in der EU belaufen sich die durch Kohle verursachten Gesundheitskosten auf 43 Milliarden Euro. Weitere Folgen der globalen Kohleindustrie sind Zwangsumsiedlungen und repressive Einsätze gegen die von Kohleprojekten betroffene Bevölkerung.

"Der Coal Atlas 2015 beweist: 'Saubere' Kohle gibt es nicht", so Jagoda Munic, Vorsitzende von Friends of the Earth International. "Europa ist immer noch einer der größten Kohleverbraucher weltweit. Selbst im Jahr 2015 leidet Europa immer noch unter großflächig zerstörten Landschaften als Folge des Kohle-Tagebaus, wie zum Beispiel in Deutschland, oder unter Luftverschmutzung in stark kohleabhängigen Ländern wie Polen. Der anhaltende Widerstand gegen einen Kohleausstieg in Europa zeigt, wie sehr sich die Europäische Union immer noch im Griff der mächtigen Kohle-Lobby befindet. Dagegen macht der Coal Atlas deutlich, dass Europa den Umstieg aus seinem undemokratischen, unverantwortlichen und ungerechten Energiesystem hin zu einem demokratischen, klimasicheren und fairen schaffen muss."

Barbara Unmüßig und Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, fordern von der EU klare Entscheidungen: "Europa hat eine historische und aktuelle Klimaschuld und damit eine besondere Verantwortung, die Energiewende zu schaffen. Deutschland und andere Länder zeigen, dass der rasante Ausbau der Erneuerbaren nicht nur mit hochindustrialisierten Volkswirtschaften perfekt kompatibel ist, sondern zugleich als kräftiger Innovationstreiber und Jobmotor wirkt. Deshalb muss die EU ihre politischen Instrumente für die Gestaltung und Beschleunigung der Energiewende hin zu einer emissionsfreien Energiewirtschaft deutlich verbessern - eine zentrale Strategie ist hierbei eine Ausgestaltung der Energie-Union mit deutlich ambitionierteren Zielen, inklusive angemessener Preise für CO2-Emissionen." Das bedeute auch, Subventionen umgehend abzubauen: Einzelne EU-Mitgliedsstaaten wie auch die EU selbst bremsen Kohle-Vorhaben bisher nicht, sondern subventionieren das Geschäft mit der Kohle sogar mit rund 10 Milliarden Euro im Jahr.

"Es ist eine unausweichliche Entscheidung: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen die Unterstützung von Kohle mit Steuergeldern unverzüglich beenden", so Unmüßig und Fücks."Und zwar nicht nur in Deutschland, wo Bergbau-Unternehmen seit 1970 umgerechnet 327 Milliarden Euro an Subventionen kassiert haben. Auch weltweit subventioniert die EU die Investitionen ihrer Kohle-Industrie ohne Rücksicht auf die zahlreichen Umwelt- und sozialen Konflikte. Klar ist: Die EU muss ein eindeutiges Signal für ihren Kohleausstieg setzen, wenn sie die Wende zu einer emissionsfreien Welt anführen und in den Verhandlungen über ein potentielles Klimaabkommen auf der COP21 in Paris ihr Gewicht in die Waagschale werfen will."

Lucy Cadena, Koordinatorin für Klimagerechtigkeit und Energie bei Friends of the Earth International, unterstreicht: "Europa hat seinen Wohlstand in über 150 Jahren auf dem Verbrennen von Kohle aufgebaut - das sind die Emissionen, die den Temperaturanstieg von 1 Grad Celsius verursacht haben, den wir im Jahr 2015 erleben. Die EU sieht sich für die COP21 in Paris als führende Klimaschützerin, doch die Fakten geben keinen Anlass für diesen Optimisms: Europa fördert und verbrennt weiterhin Kohle, und das mitten in Europa. Weltweit finanzieren europäische Nationen mit Steuergeldern schmutzige, menschenrechtsverletzende Kohlevorhaben, während Emissionen in Länder des Globalen Südens wie China exportiert werden, die als verlängerte Werkbank Europas Konsumgüter produziert. Diese 'versteckten Emissionen' summieren sich zu einem gigantischen Fußabdruck, der von den Positionen der EU nicht ausreichend berücksichtigt wird. Der Coal Atlas wirft ein Licht auf dieses riesige Defizit an fehlenden Ambitionen und auf die Notwendigkeit, einen radikalen Wechsel weg von der Kohle zu vollziehen."

Der Coal Atlas zeigt auch, dass andere globale Player die Möglichkeiten alternativer Energiequellen intensiver auszuloten beginnen: Im Jahr 2014 ist Chinas Kohleverbrauch zum ersten Mal seit 30 Jahren gesunken, während die Regierung einen umfassenden Ausbau Erneuerbarer Energien fördert. In den Vereinigten Staaten gehen Kohle-Unternehmen in Konkurs, da der Markt auf Erneuerbare und andere Energieträger setzt. Dagegen sichern Russland und Indien ihr Wirtschaftswachstum weiterhin mit Kohle: Diese Rechnung geht auch dort allerdings nur durch Subventionen auf -ohne Steuergelder würde der Strom aus Kohle das Doppelte kosten.

Der Coal Atlas ist als Print- und Digitalfassung kostenlos erhältlich unter:
www.boell.de/coalatlas

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. November 2015
Heinrich-Böll-Stiftung
Michael Alvarez, Pressesprecher
Telefon: +49-(0)30-285 34-202
E-Mail: alvarez@boell.de
Internet: www.boell.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2015

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