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ATOM/314: Krebshäufung beim Atomkraftwerk Brokdorf (Strahlentelex)


Strahlentelex mit Elektrosmog Report, Nr. 602-603/26. Jahrgang, 2. Februar 2012

Krebs um Atomkraftwerke

Krebshäufung beim Atomkraftwerk Brokdorf



Unter den rund 1.500 Einwohnern der schleswig-holsteinischen Gemeinde Wewelsfleth beim Atomkraftwerk Brokdorf herrscht zunehmende Unruhe. Seit 1998 das schleswig-holsteinische Krebsregister eingerichtet wurde, sind bis zum Jahr 2008 in der Bevölkerung von Wewelsfleth 142 Krebserkrankungen neu diagnostiziert worden. Aufgrund des Landesdurchschnitts wären nur 96 Neuerkrankungen zu erwarten und eine Anzahl von 77 bis 115 wäre als statistisch unauffällig zu betrachten gewesen. Die 142 Krebserkrankungen aber bedeuten eine statistisch signifikante Erhöhung um fast 49 Prozent. Das hatte das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein im Juli 2011 dem Bürgermeister und dem Amtsvorsteher der Gemeinde mitgeteilt. Statistisch signifikant erhöht sei speziell die Zahl der registrierten Erkrankungsfälle für Harnblasen-, Prostata-, Darm- und Lungenkrebs sowie für den schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom). Die Gruppe von Krebserkrankungen, die in Zusammenhang mit ionisierenden Strahlen gebracht werden, wozu nach Ansicht des Kieler Ministeriums "beispielsweise Leukämien und Schilddrüsenkrebs gehören", weise dagegen keine Erhöhung auf, heißt es in dem Bericht. Es sei auch kein räumliches Muster mit dem Abstand zum AKW Brokdorf zu erkennen, obwohl die Gemeinde Wewelsfleth in der Hauptabwindrichtung von Brokdorf liegt. Die Inanspruchnahme von Früherkennungsungsuntersuchungen für Brust-, Prostata, Darm- und Hautkrebs sei ebenfalls als Ursache auszuschließen, weil auch ohne diese die Krebserkrankungsrate deutlich erhöht sei. Tumore, die bekanntermaßen bei Werftarbeitern gehäuft auftreten, seinen in Wewelsfleth eher bei Frauen und nicht wie zu erwarten wäre bei Männern erhöht. Und individuelle Verhaltensweisen wie das Rauchen könnten allenfalls teilweise für die Erhöhung des Krebsrisikos in Wewelsfleth verantwortlich sein, heißt es in dem Bericht, denn auch für Tumoren, die nicht mit dem Rauchen in Verbindung stünden, sei eine Erhöhung zu beobachten. Die Sterblichkeit an Krebs sei in Wewelsfleth dagegen nicht erhöht.

Um den Strahlenschutz der Bevölkerung zu gewährleisten, gebe es für das Kernkraftwerk Brokdorf "seit Inbetriebsetzung im Jahr 1988 lückenlose Daten über die Emissionen von radioaktiven Nukliden und von Messwerten aus dem Umgebungsüberwachungsprogramm", behauptet das Kieler Ministerium. Regelmäßig würden "mehrmals pro Jahr" Boden-, Wasser- und Luftproben untersucht. "Alle Untersuchungen, auch die Messung der radioaktiven Ableitungen", seien unauffällig gewesen. Die zusätzliche Belastung durch radioaktive Strahlung aus dem Kernkraftwerk Brokdorf betrage 1 bis 3 Mikrosievert pro Jahr und liege deutlich ("um den Faktor 500-1000") unterhalb der natürlichen Belastung. Das Ministerium gibt sich ratlos, ihm seien "keine äußeen Ursachen für die erhöhten Krebszahlen bekannt". Aufgrund der Unterschiedlichkeit der auffälligen Tumorarten sei nicht von einem einzigen Risikofaktor als Ursache auszugehen, es fehle eine plausible Hypothese für einen Risikofaktor. Von einer wissenschaftlichen Studie zur Aufklärung der Ursachen seien aber "derzeit keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, sie wäre daher nicht zielführend", ist sich das Kieler Ministerium dagegen gewiß.

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Quelle:
Strahlentelex mit Elektrosmog Report 2/2012, Seite 13
Herausgeber und Verlag: Thomas Dersee, Strahlentelex
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2012