Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

BERICHT/009: Riesen-Bärenklau oder Herkulesstaude (Unser Wald)


Unser Wald - 1. Ausgabe, Jan./Febr. 2013
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Riesen-Bärenklau oder Herkulesstaude

Von Lothar Gössinger



"Die Auswirkungen auf Flora und Vegetation sind geringer als häufig angenommen wird", so lautet ein Resümee des Bundesamtes für Naturschutz in einem Artensteckbrief. Dennoch wird das Vorkommen der Pflanze sehr emotional wahrgenommen und von den Medien oft reißerisch kommentiert. Was ist also dran an den Vorwürfen?


Der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) wurde Ende des 19. Jahrhunderts zuerst als imposante Zierpflanze für Gärten und Parks eingeführt und später auch von Imkern als Bienenweide empfohlen und verbreitet. In seiner Heimat, dem Kaukasus wächst er an Bächen und Waldrändern. Seine Verwilderung in unserer Kulturlandschaft fand erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Wesentlichen ab den 1970er Jahren statt. Inzwischen ist er über ganz Deutschland und von Norwegen bis Ungarn und von den Britischen Inseln bis Zentralrussland verbreitet.

Die Pflanze kann bis zu fünf Meter Höhe erreichen und die Blätter werden bis zu ein bis drei Meter lang. Im zweiten Jahr bildet sie im Juni und Juli große Blütendolden bis zu 50 Zentimeter Durchmesser aus; diese haben bis zu 80.000 Blüten, aus welchen sich nussartige Früchte mit jeweils zwei Samen entwickeln. Anschließend stirbt die Pflanze. Die bis zu 60 Zentimeter lange Pfahlwurzel beginnt mit einer rübenartigen Verdickung.

Der Riesen-Bärenklau kommt vor allem an stickstoffreichen Standorten, wie Bach-und Wegerändern oder Acker- und Wiesenbrachen, allgemein auf gestörten, artenarmen Ruderalstellen, vor. Die Ausbreitung erfolgt besonders effektiv entlang von Wegen und Bächen. Die Samen sind schwimmfähig und können etliche Jahre liegen und später keimen. Im Wald stellt die gigantische Pflanze viel weniger ein Problem dar, weil viel weniger Sonnenlicht auf den Boden fällt.

Warum aber die "Jagd" auf den Bärenklau?
Der Riesen-Bärenklau bildet eine Flüssigkeit, die in Verbindung mit Sonnenlicht zu schmerzhaften Quaddeln und schwer heilenden Verbrennungserscheinungen führt. Übrigens haben auch unser einheimischer Wiesen-Bärenklau und die Schafgarbe diese Eigenschaft; deren Auswirkungen sind aber deutlich geringer und werden als Wiesendermatitis bezeichnet. Die Flüssigkeit enthält Furanocumarine (ätherische Öle), die allerdings nur in Verbindung mit UV-Licht, d.h. mit direktem Sonnenlicht nach 1 bis 2 Tagen zu Hautentzündungen und gelegentlich zu mehrwöchigen Klinikaufenthalten führen können. Besonders gefährdet sind Kinder, die z.B. arglos mit den beeindruckenden Stängeln der Pflanzen spielen und diese als Blasrohr oder Schwert verwenden. Erste Hilfe ist in jedem Falle die Kontaktstellen mit Wasser und Seife zu reinigen und das Sonnenlicht zu meiden! Kein Wunder, dass die Pflanze deshalb verfolgt wird, was allerdings nicht zum gewünschten Erfolg führt.

"In den meisten Fällen ... erfolglos"
Die besondere Biologie des Riesen-Bärenklau mit dem sehr frühzeitigen Austreiben im Jahr, der gewaltigen Wuchskraft, der Speicherwirkung der Pfahlwurzel, dem Überliegen und leichten Verbreitung der Samen, dem Vorkommen an gestörten oder unbewirtschafteten Flächen machen die Bekämpfung wenig erfolgreich. Das wichtigste ist die persönliche Schutzkleidung, Schutzbrille und ggf. Atemschutz sind selbstverständlich. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass der Pflanzensaft auch durch eine Schutzhose dringen kann. Für das Abschneiden der Dolden, auf den ersten Blick eine relativ einfache Bekämpfungsmaßnahme, ist der Zeitpunkt sehr genau zu planen, denn zu früh abgeschnitten, wird die Pflanze im kommenden Jahr wieder wachsen und zu spät, werden auch die noch "grünen" Samen nachreifen und trotzdem verbreitet. Am Aufwendigsten aber ist das tiefe Abstechen der Pfahlwurzel, so dass die Energiereserven dort zerstört werden. In größeren Beständen kommen Herbizide in Frage, zu deren Einsatz aber Genehmigungen notwendig sind.

Dorado für Insekten
Im Jahr 2008 war der Riesen-Bärenklau die Giftpflanze des Jahres, dennoch ist er ein sehr beliebter "Futtertrog" für zahlreiche Insekten, insbesondere Hautflüglern, Bockkäfern, Schlupfwespen und Schwebfliegen. Durch die derzeitige Art der Landwirtschaft, auffällig vor allem in Wiesengebieten, mit sechs bis manchmal acht Schnitten besteht für Blumen keine Chance mehr, ihre Blüten zu öffnen. Mit aufwendigen landwirtschaftlichen Förderprogrammen wird hier versucht gegenzusteuern.

Und was verdrängt der "Eindringling"?
Standorte, auf denen die Bewirtschaftung aufgegeben wurde, sind die häufigsten Vorkommen des Riesen-Bärenklau. Vielfach sind es Wegeränder, Brachflächen, stickstoffreiche Stellen auf denen kaum Seltenheiten wachsen; Bachufer mit der typischen Brennnessel-Flur. Nicht dass die Brennnesseln nicht wertvoll wären, ganz im Gegenteil, sie sind auch eine Attraktion für Insekten, z.B. Tagfalter. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass sie zählebig ist und auch unter den Riesenblättern der Herkulesstaude nicht untergehen.

Anders, als bei vielen anderen durchaus aggressiven Eindringlingen der Tier- und Pflanzenwelt, bestehen m.E. beim Riesen-Bärenklau, ohne dessen gesundheitliches Gefährdungspotential verniedlichen zu wollen, berechtigte Zweifel an seiner Aufzählung in der z.B. in der Schweiz als "Schwarze Liste", bezeichneten Zusammenstellung der invasiven Arten.


AUTOR
Lothar Gössinger ist Mitglied der Redaktion Unser Wald und Geschäftsführer der SDW Bayern;
E-Mail: sdwbayern@t-online.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die Blütendolden haben einen bis zu 50 Zentimeter großen Durchmesser.
- Im Vergleich zum Mädchen wird die Größe der Pflanze deutlich.

*

Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
1. Ausgabe, Jan./Febr. 2013, Seite 12 - 13
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2013