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BODEN/135: Böden in Gefahr - Konferenz in Island warnt vor Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2013

Klima: Böden in Gefahr, Konferenz in Island warnt vor Folgen

von Stephen Leahy



Reykjavik, Island, 3. Juni (IPS) - Die Böden der Erde sind zunehmend in Gefahr. Diese Realität muss nach Ansicht von Wissenschaftlern viel stärker als bisher ins kollektive Bewusstsein gerückt werden, soll die Erde ab 2050 neun Milliarden Menschen ernähren. Eine wichtige Rolle, den Verlust der Böden zu verhindern, kommt dabei Kohlenstoff zu, der gleichzeitig für die Klimaerwärmung verantwortlich ist.

"Wir müssen dafür sorgen, dass Kohlenstoff an die richtige Stelle gelangt und auch dort bleibt. Das muss zu unserem Mantra werden, wollen wir weiter essen, trinken und den Klimawandel bekämpfen", lautete das Fazit einer Konferenz in Reykjavik vom 26. bis 29. Mai, an der 200 Forscher aus 30 Ländern teilnahmen.

"Ohne Böden gibt es kein Leben", sagte Anne Glover, wissenschaftliche Beraterin der Europäischen Kommission, auf dem Treffen in der isländischen Hauptstadt. Wie sie betonte, verdankt die Menschheit den Böden ökosystemische Dienstleistungen im Wert von jährlich 1,5 Billionen bis 13 Billionen Dollar.

Das Erdreich ist ein von einer Vielzahl kleiner und wundersamer Organismen bewohnter Lebensraum. Eine Handvoll Krume kann bis zu einer halben Million unterschiedlicher Lebensformen wie Ameisen, Würmer, Pilze und Bakterien enthalten. Die Böden generieren fast die komplette Nahrung der Menschheit. Nur ein Prozent der Kalorien liefern die Meere.

Die Böden bringen zudem die Pflanzen hervor, die die Menschheit mit Sauerstoff und anderen wichtigen Ökosystemdienstleistungen versorgen. Das Erdreich reinigt Wasser, hält Giftstoffe aus den Flüssen und Seen fern und verhindert Überschwemmungen. Es verfügt über die Fähigkeit, riesige Mengen an CO2 zu absorbieren. "Es braucht ein halbes Jahrtausend, um zwei Zentimeter lebendigen Bodens zu bilden, doch nur Sekunden, um ihn zu zerstören", warnte Glover.


Jedes Jahr Schwund von Millionen Hektar Agrarland

Jedes Jahr zerstört die Landverödung zwölf Million Hektar Land, auf denen 20 Millionen Tonnen Getreide hätten wachsen können. In den letzten 40 Jahren sind 30 Prozent des urbaren Landes durch Bodenerosion unproduktiv geworden. Setzt sich der Trend weiter fort, wird die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung nicht mehr gewährleistet werden können.

"Die Welt wird 2050 60 Prozent mehr Kalorien benötigen als 2006", heißt es in einem vom 'World Resources Institute' am 30 Mai veröffentlichen Papier. Dieses Ziel zu erreichen, ohne das wirtschaftliche Wachstum und die ökologische Nachhaltigkeit aufs Spiel zu setzen, gehörte zu den größten globalen Herausforderungen.

Die Verstädterung ist ein weiterer Faktor für den Verlust von urbarem Land. Eine Million Städter besetzen durchschnittlich 40.000 Hektar Land, wie Rattan Lal von der 'Ohio State University' auf der Konferenz in Reykjavik erläuterte. Durch das Pflügen der Böden, das Entfernen von Pflanzenresten nach der Ernte und Überweidung verlieren die Böden die Fähigkeit, sich Wind und somit der Gefahr der Bodenerosion zu widersetzen. Ohne Böden den Respekt zu zollen, den sie verdienen, ist den Wissenschaftlern zufolge die Katastrophe programmiert.

Durch die Bodenerosion wird klimaschädliches CO2 freigesetzt. Dies ließe sich durch nachhaltige Anbaumethoden verhindern, indem Drillmaschinen statt Pflüge eingesetzt würden, die Böden mit Bodendeckern geschützt und Pflanzenreste nach den Ernten im Boden belassen würden. Böden könnten dann von CO2-Quellen zu CO2-Senken werden, meinte Lal im Gespräch mit IPS.

Wenn Pflanzen wachsen, nehmen sie CO2 aus der Atmosphäre auf und geben Sauerstoff ab. Je mehr Pflanzenreste etwa nach einer Mais-, Soja oder Gemüseernte stehen bleiben, umso mehr CO2 können die Böden aufnehmen. Dieser Kohlenstoff findet sich vor allem in Humus, dem reichen organischen Material, der durch die Zersetzung von Pflanzenrückständen entsteht. "Böden brauchen nur 1,5 Prozent Kohlenstoff, um gesund und widerstandsfähig gegen Dürren und andere Klimaphänomene zu bleiben", betonte Lal. "Gesunde Böden bedeuten gesunde Erträge, gesundes Vieh und gesunde Menschen."


Den Böden fehlt Kohlenstoff

Doch leiden 30 bis 60 Prozent der Böden unter einem Kohlenstoffmangel. "Böden gleichen Bankkonten: Man sollte nur entnehmen, was man wieder einzahlen kann. In den meisten Orten der Welt sind die Böden überbeansprucht." Bauern und Viehzüchter könnten wahre Wunder vollbringen, um Kohlenstoff im Erdreich zu halten und Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden. Mit der entsprechenden Unterstützung könnten sie die Welt satt bekommen", erklärte Lal.

Ólafur Arnalds, ein Bodenforscher an der Landwirtschaftlichen Universität von Island, schätzt, dass die weltweiten 3,4 Milliarden Hektar Weideland das Potenzial besitzen, bis zu zehn Prozent der jährlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Zementherstellung anfallenden CO2-Emissionen zu speichern.

Ohne Überweidung und mit nachhaltigen Weidelandmanagementmethoden käme es zwar kurzfristig zu einer Verringerung der weltweiten Viehbestände, doch langfristig zu einer Gesundung der Weidegründe.

Auch wenn alternative Landmanagementmethoden den Klimawandel abbremsen könnten, entbinden sie die Menschheit nicht von der Verpflichtung, den Einsatz fossiler Brennstoffe zu verringern, meinte Gudmundur Halldórsson, Forschungskoordinator des Isländischen Bodenschutzdienstes, einem Mitveranstalter der Konferenz in Reykjavik. Außerdem würde die Nutzung von Agrarland als 'Kohlenstoffschwamm' zu einer Vielzahl von Problemen führen.

A und O sind Halldórsson zufolge Maßnahmen, die Gesundheit und damit die Produktivität der Böden zu verbessern, um die Lebensgrundlage der Landbevölkerung zu sichern, Gewässer und Artenvielfalt zu schützen, die Bodenerosion zu verringern und den Boden mit Kohlenstoff zu versorgen, den er brauche. "Island hat seine Böden übernutzt, hat versucht, das Maximum aus den Böden herauszuholen. Wir haben im Grunde unsere Milchkuh getötet, denn wir können nicht mehr wie einst von unserem Land leben."

Island war bis zur Ankunft der ersten Siedler vor fast 1.000 Jahren reich an Wäldern, üppigen Wiesen und Feuchtgebieten. Doch Ende des 19. Jahrhunderts waren 96 Prozent der Wälder verschwunden, und Überweidung hatte der Hälfte des Graslands den Garaus gemacht. Island wurde zu einem der größten Wüstengebiete Europas und einem der ärmsten Länder der Welt.


Minimale Erfolge

Aus der Not heraus hat Island Techniken entwickelt und angewandt, um die Landverödung aufzuhalten und das Land zu regenerieren. Seit mehr als 100 Jahren führt der Bodenschutzdienst des Landes einen erbitterten Kampf gegen die Bodendegration. Doch die Erfolge sind minimal.

Die harte Lektion der Vergangenheit lässt die Isländer, die zu 90 Prozent in den Städten leben, weitgehend unbeeindruckt. "Die Öffentlichkeit unterstützt die Bemühungen um eine Wiederherstellung der degradierten Böden nicht", bedauerte Halldórsson. "Wir haben offenbar vergessen, dass Land Leben bedeutet." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.land.is/english/
http://www.wri.org/publication/the-great-balancing-act
http://scs2013.land.is/
http://www.ipsnews.net/2013/05/peak-water-peak-oilnow-peak-soil/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2013