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BUCH/567: Mindbombs - Was Werbung und PR von Greenpeace & Co. lernen können (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 99/4.08
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

bücher
"Coca-Cola der Umweltbewegung"

Von Ute Bertrand, Hamburg


Es sind die Bilder, die Gefühle wecken: mutige AktivistInnen auf kleinen Schlauchbooten, die vor großen Pötten kreuzen, um sie am Walfang zu hindern. Solche "David gegen Goliath-Motive haben die erste "Rettet die Wale"-Kampagne von Greenpeace in den siebziger Jahren bekannt gemacht.

Martin Ludwig Hofmann hat Rex Weyler, Gründungsmitglied von Greenpeace International, in Vancouver besucht und mit ihm über die Anfänge der Umweltorganisation gesprochen - aus einem ganz besonderen Interesse heraus. Hofmann ist Werber, ein "Weltverschmutzer", wie er sich kokett selbst nennt. Er will in seinem Buch "Mindbombs" belegen, dass zwischen den "Strömungen der Mainstream-Kultur auf der einen und der Gegenkultur auf der anderen Seite ein produktives Wechselspiel" besteht. Avantgardistische Gruppen beider Seiten stünden im Austausch. Greenpeace sei "zur weltweit bekanntesten Öko-Marke" aufgestiegen, weil die Kommunikationschefs der Organisation virtuos Techniken und Taktiken der Werbung und Markenkommunikation ins Feld der neuen sozialen Bewegungen übertragen hätten. Umgekehrt seien die Methoden von Greenpeace & Co geradezu eine "Inspirationsquelle für die Wirtschaft".

Das Loblied eines Werbers auf Greenpeace & Co.

Der Autor stellt Rex Weyler und seinen Mitstreiter Bob Hunter darin als Väter des "Mindbomb-Konzeptes" vor. Gemeint sind damit "Gedankenbomben, die in den Köpfen der Zeitungsleser und Fernsehzuschauer zünden". Den UmweltschützerInnen stellt er Werbeleute gegenüber, die gern auf ihre gegenkulturellen Wurzeln verweisen und sich mit unkonventionellen Methoden politisch einmischen. Paradebeispiel sei da Oliviero Toscani, Kreativchef von Benetton, der Fotos eines leidenden Aidskranken oder die blutverschmierte Uniform eines bosnischen Soldaten auf Benetton-Plakate brachte. Hofmann behauptet zudem, Strategie und Planung bei gegenkulturellen Aktionen funktionierten genauso wie bei großen Markenkampagnen. Die langen Haare, das ungestüme Auftreten der UmweltschützerInnen - das seien alles nur "anarchische Gebärden". In Wirklichkeit seien Kampagnen eine detailliert geplante öffentliche Konfrontation, deren Wurzeln im Militärischen lägen.

Nach drei Kapiteln mit Theoriebausteinchen und Historischem liefert Hofmann im vierten die Anleitung für den Bau der Gedankenbombe. Die darin angebotenen Kampagnen-Rezepte sind allerdings wenig originell und inspirierend.

Hofmann schreibt dies alles - leicht konsumierbar - aus der Sicht des Werbers, der das schlechte Image der Branche verbessern will. Er versucht, seine Arbeit politisch aufzuladen, doch das Gegenteil passiert. Er löst soziale Bewegungen wie die Umweltbewegung aus ihrem politischen Kontext und stellt sie als ein besonders interessantes Marketing-Phänomen dar. Die Form der Kampagne interessiert ihn, ihre inhaltlichen und politischen Ziele erscheinen hingegen beliebig. Dabei sollte die Form einer Kampagne den Inhalten folgen - nicht umgekehrt. Was WerberInnen dürfen, für wen sie besser nicht arbeiten und welche Methoden tabu sein sollten, darüber schweigt Hofmann.

Die Unterschiede in der Werbung für Greenpeace oder Coca-Cola liegen im Inhalt und den Zielen, das ist offensichtlich; sie sollten aber auch in der Form liegen. Hierin besteht die eigentliche Provokation des Buches und die Bedeutung dieser Außensicht auf die Umweltbewegung. Wenn Umweltorganisationen sich wie Konzerne strukturieren und öffentlich auftreten, geht ihnen das kreative und gesellschaftsverändernde Potential verloren, dann werden sie angepasst, entpolitisiert und verzichtbar. Die Regelverletzung wird zum PR-Gag, eine Protestaktion zum Marketing-Event und Greenpeace zum "Coca-Cola der Umweltbewegung". Hofmann ist als Werbefachmann nicht angetreten, dies kritisch zu reflektieren. Für Umweltorganisationen aber sollte seine Wahrnehmung von Greenpeace & Co. ein Alarmsignal sein. Viele Gruppen in der Umweltbewegung und auch Organisationen wie ROBIN WOOD ticken anders als Greenpeace und auch anders als von Hofmann beschrieben. Das Antiautoritäre ist keine Attitüde, Kampagnen werden nicht generalstabsmäßig geplant. Die Glaubwürdigkeit der Aktionen erwächst daraus, dass sie von vielen Ehrenamtlichen gemeinsam getragen werden, die nicht auf Befehl von oben reagieren, sondern freiwillig und auf eigenes Risiko gegen die umweltzerstörerische Macht von Politik und Konzernen angehen.

Auch neuere Bewegungen wie die Clowns-Armee, Flashmobs oder die vielfältigen Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm bedienen keine Marke. Trotzdem sind auch sie nicht davor sicher, dass die Werbebranche sie als "Inspirationsquelle" nutzt und vereinnahmt. Dies zu erschweren, ist eine Herausforderung.


Martin Ludwig Hofman
Mindbombs
Was Werbung und PR von Greenpeace & Co lernen können
Wilhelm Fink Verlag, 2008
159 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3-7705-4577-3


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 99/4.08, S. 35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2009