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ENERGIE/169: IRENA - Neuer Ansatz für zukunftsfähige internationale Energiepolitik (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009

Blockaden überwinden?
IRENA - Neuer Ansatz für zukunftsfähige internationale Energiepolitik

Von Jürgen Maier


Mit der International Renewable Energy Agency (IRENA) wurde erstmals eine eigenständige zwischenstaatliche Organisation gegründet, mit der die Blockade im System der Vereinten Nationen umgangen werden soll. Nun scheint sie eine Eigendynamik zu entwickeln, deren Ergebnisse noch nicht abzuschätzen sind.

Im Konsens wurde die Welt noch nie verändert, sondern immer von mutigen Vorreitern, die nach und nach zu einer Mehrheit wurden. Das merkten die EU-Mitgliedsstaaten beim Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung, dem "Rio+10"-Gipfel, in Johannesburg 2002, als sie mit ihren Forderungen nach einer international koordinierten Ausbaupolitik für Erneuerbare Energien an den üblichen Verdächtigen scheiterten. Die Vereinten Nationen und ihre Rio-Konventionen arbeiten in der Regel im Konsensverfahren, und daher bilden solche Gipfel meist nur den kleinsten gemeinsamen Nenner ab. Bei kaum einem Politikfeld sind die Vereinten Nationen derart handlungsunfähig wie bei der Energiepolitik - kein Wunder, so gut wie in jedem auch nur halbwegs demokratischen Land ist Energiepolitik auch innenpolitisch stark umstritten.

Immerhin waren die Europäer und mit ihnen über 60 weitere Regierungen über die fortgesetzte Blockadehaltung der Freunde der fossilen Energien so aufgebracht, dass sie den ungewöhnlichen Schritt gingen, mit einer gemeinsamen Erklärung die "Johannesburg Renewable Energy Coalition" (JREC) zu initiieren. Ein weiteres Resultat dieser Initiative war auch die Bonner "Renewables 2004"-Konferenz der Bundesregierung, die Nachfolgeveranstaltung in Beijing 2005 ("Beijing International Renewable Energy Conference") und die Gründung des REN21-Netzwerks.

Aber so richtig vom Fleck kamen weder die JREC noch die Renewables-Konferenzen noch das REN21-Netzwerk. Ähnlich ging es lange Zeit der Initiative für eine International Renewable Energy Agency (IRENA), die massgeblich auf Initiative des SPD-Abgeordneten Hermann Scheer im rotgrünen Koalitionsvertrag 2002 und im schwarz-roten Koalitionsvertrag 2005 verankert wurde. Erst 2006 gewann die Initiative Fahrt, nachdem lange Zeit alle Bundesministerien geschlossen den IRENA-Vorschlag ablehnten, Koalitionsvertrag hin oder her. Es waren wohl die explodierenden Ölpreise und der Niedergang der Bush-Regierung 2007-2008, die international dazu führten, dass die Zeit endlich reif war für IRENA. Die Initiative der Bundesregierung führte im Januar 2009 schließlich zur Gründungskonferenz in ehemaligen Bonner Plenarsaal mit immerhin 75 Staaten - inzwischen sind es bereits 136 Signatarstaaten.


Rolle Deutschlands

Bei einer derart großen Zahl von Mitgliedern hat IRENA allerdings inzwischen eine Dynamik angenommen, die von den ursprünglichen Initiatoren nicht mehr kontrolliert werden kann. Die Bundesregierung hatte sich lange in der Gewissheit gewähnt, dass der Sitz von IRENA wie von ihr geplant nach Bonn kommen werde und daher auf die Nominierung eines Kandidaten für den IRENA-Chefsessel verzichtet. Aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate waren auf den IRENA-Sitz scharf, ein Opec-Land mit einer Energiepolitik, bei der man keine klare Orientierung erkennen kann. Da die Araber dieses Kennzeichen allerdings mit den allermeisten anderen Staaten teilen, gleichzeitig aber enorme Summen für IRENA anboten, war bald klar, dass sich die Bundesregierung verrechnet hatte. Hätte sie Bonn als IRENA-Sitz gegen Abu Dhabi durchsetzen wollen, hätte sie deutlich mehr als die angebotenen 4 Millionen auf den Tisch legen müssen, und dazu fehlte die Bereitschaft - da nützte auch der anklagende Hinweis Hermann Scheers nichts, dass der deutsche Finanzminister für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) der Vereinten Nationen jedes Jahr die stolze Summe von 30 Millionen Euro weitgehend nutzlos überweist.


Schwerpunkte und Haushaltsplanungen

Erste IRENA-Direktorin wird die französische Karrierediplomatin Helène Pelosse. Pikante Note am Rande: etwa zeitgleich unterzeichneten die Emirate und Frankreich einen Vertrag über die Lieferung von 4 Atomkraftwerken...unter den wenigen NGOs, die sich überhaupt für IRENA interessieren, befürchten nun nicht wenige, dass IRENA nun in ernster Gefahr ist, von trojanischen Pferden der Atomlobby übernommen zu werden. Diese Frage dürfte allerdings weniger von der Standortfrage abhängen, und auch nicht von der Direktorin alleine abhängen. Über die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und Haushaltsplanungen von IRENA ist noch kaum etwas entschieden, und davon wird es abhängen, ob IRENA tatsächlich in vielen Ländern den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranbringen kann oder ob lediglich eine neue Behörde geschaffen wurde. Auch die Frage, ob man bei Neuaufnahmen von Ländern ein bisschen selektiver hätte vorgehen sollen, steht durchaus im Raum: Die Frage, was so illustre IRENA-Mitglieder wie Australien, Japan, Frankreich, Libyen, Iran, Sudan, Angola, Irak oder Belarus bisher für den Ausbau erneuerbarer Energien geleistet haben, kann man nur mit einem deiven "so gut wie nichts" beantworten, und ob das fehlende Kapazitäten oder fehlender politischer Wille ist, ist zumindest eine Diskussion wert.


Hochgesteckte Erwartungen

Im internationalen Institutionengefüge muss IRENA noch ihren Platz n. Jedenfalls sieht sie sich (zunächst) nicht in Konkurrenz zu existierenden Organisationen - in einem IRENA-Arbeitspapier vom Dezember 2008 heisst es "There is more than enough work for each organisation, requiring optimisation of capacities and close cooperation to create synergies." Mit einem anvisierten Jahresbudget von 25 Millionen Dollar wird es anfangs auch nicht leicht werden, die hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die Beratung nationaler Regierungen für integrierte Politiken zum Ausbau erneuerbarer Energien, darunter auch die optimale Nutzung von Finanzierungsquellen zur Umsetzung solcher Politiken.

Die bisherige Geschichte von IRENA zeigt jedenfalls, dass angesichts der grundlegenden Meinungs- und Interessengegensätze in der Energiepolitik die internationale Politik offenbar nicht nur im engen Korsett der Vereinten Nationen, sondern auch in eher informellen Zusammenschlüssen wie den G8 oder G20 nicht vorankommt, sondern sich gegenseitig blockiert. Gerade in den G8 sind die Interessengegensätze zu Energie sehr ausgeprägt. Mit IRENA hat erstmals eine Vorreiterkoalition eine eigenständige zwischenstaatliche Organisation gegründet, mit der die Blockade im System der Vereinten Nationen umgangen werden soll. Ein mutiger Schritt, den interessanterweise auch so gut wie die gesamte internationale NGO-Szene mit völligem Desinteresse an sich vorüberziehen liess. Eigentlich ist dieses Desinteresse kaum nachvollziehbar, angesichts des seit Rio, Kyoto, Johannesburg und Dutzenden anderer UN-Konferenzen (und demnächst vermutlich in Kopenhagen erneut) immer wieder von NGOs lautstark beklagten Versagens der UN. Auch die vielen wissenschaftlichen Abhandlungen über Defizite, Herausforderungen und Wandlungen der vielzitierten "Global Governance" bleiben gerne bei Beschreibungen der Realitäten und ihrer Defizite stehen, liefern aber viel zu wenig Hinweise darauf, wie solche Neuansätze wie IRENA eigentlich zum Erfolg geführt werden können. Der Praxistest hat nun begonnen. Es müsste gerade auch im Sinne der NGOs sein, dass er erfolgreich wird.

Der Autor ist Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009, S. 12-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2009