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EUROPA/222: Bulgarien wegen Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften über Naturschutz verwarnt (KEG)


Europäische Kommission - Brüssel, den 8. Oktober 2009

Umwelt: Bulgarien wird wegen Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften über den Naturschutz in vier Fällen verwarnt


Die Europäische Kommission sendet Bulgarien Mahnschreiben, da es in vier Fällen versäumt hat, sein Naturerbe angemessen zu schützen. In drei Mahnschreiben geht es um geschützte Gebiete, und das vierte betrifft derzeit gültige Rechtsvorschriften. Im Pirin-Gebirge wird ein weitläufiges Ski-Zentrum angelegt, in der Gemeinde Tsarevo im Süden des Landes ist ein großes Naturschutzgebiet nahe dem Schwarzen Meer bedroht, und entlang dem Fluss Vaya im Schutzgebiet Emine-Irakli, das ebenfalls am Schwarzen Meer liegt, sind Bauvorhaben im Gange; im vierten Schreiben wird Bulgarien vorgeworfen, dass es seine Naturschutzgesetze nicht vollständig mit den europäischen Vorschriften in Einklang gebracht hat.

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sagte: "Zwar entfallen auf Bulgarien nur 2,5 % der Fläche der EU, doch es ist die Heimat von fast 70 % der geschützten Vogelarten Europas, und rund 40 % der geschützten Lebensräume liegen in diesem Land. Die außergewöhnliche Artenvielfalt muss rechtlich geschützt werden, denn nur so kann das Wohl von Wirtschaft und Gesellschaft für die Zukunft gesichert werden. Ich erwarte von Bulgarien, dass es seine Gesetze mit dem europäischen Vorschriften in Einklang bringt und vor allem sicherstellt, dass sie in der Praxis vor Ort ordnungsgemäß angewendet werden."

Vier Mahnschreiben wegen Unzulänglichkeiten der Gesetzgebung

Die Kommission hat eine Reihe von Beschwerden über die auf den Fremdenverkehr ausgerichtete Raumentwicklung im Ski-Zentrum Bansko erhalten, das in geschützten Gebieten des Pirin-Gebirges liegt, die für ihre eindrucksvolle Pflanzen- und Tierwelt berühmt sind. Diese Entwicklungsvorhaben wurden von den bulgarischen Behörden zum Teil bereits genehmigt, ehe ihre (kumulativen) Auswirkungen auf die geschützten Arten und Lebensräume angemessen geprüft worden waren. Laut ähnlichen Beschwerden ist auch im Raumentwicklungsplan für die Gemeinde Tsarevo, ebenfalls eine für den Fremdenverkehr wichtige Region im Südosten des Landes, eine Folgenabschätzung für die geschützten Gebiete unterblieben; dort sind die Lebensräume und Arten im Küstengebiet besonders bedroht.

Im dritten Mahnschreiben geht es um das eher grundlegende Problem, dass die bulgarischen Naturschutzgesetze den Anforderungen der Habitatrichtlinie, der wichtigsten Rechtsvorschrift der EU zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt, noch immer nicht völlig genügen. Nach dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten alle Pläne und Projekte, die sich wesentlich auf die geschützten Gebiete auswirken könnten, unabhängig von ihrer Lage einer angemessenen Prüfung zu unterziehen. Wozu es führt, wenn die Richtlinie nicht umgesetzt wird, zeigt sich in der Zerstörung wichtiger Lebensräume infolge der Bautätigkeit entlang dem Fluss Vaya im Schutzgebiet Emine-Irakli, die Gegenstand des vierten Mahnschreibens der Kommission ist. In allen vier Fällen hatte die Kommission die bulgarischen Behörden in einem ersten Mahnschreiben aufgefordert, sich der jeweiligen Probleme anzunehmen. Die bulgarischen Behörden haben nun zwei Monate Zeit, eine Antwort zu übermitteln.

Besondere Schutzgebiete und Sonderschutzgebiete

Europas Naturschutz beruht auf zwei wichtigen Rechtsakten: der Vogelschutzrichtlinie und der Habitatrichtlinie. Nach der Vogelschutzrichtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Gebiete auszuweisen, die sich als besondere Schutzgebiete zur Erhaltung wildlebender Vogelarten gut eignen. Hierfür müssen objektive, nachprüfbare wissenschaftliche Kriterien herangezogen werden.

Nach der Habitatrichtlinie erstellen die Mitgliedstaaten eine Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in ihrem Hoheitsgebiet, die wesentlich dazu beitragen, die Lebensraumtypen und Arten in Europa zu erhalten. Sobald diese Gebiete in eine Gemeinschaftsliste eingetragen sind, haben die Mitgliedstaaten sechs Jahre Zeit, sie durch innerstaatliche Rechtsvorschriften in gut verwaltete Sonderschutzgebiete umzuwandeln. Zusammen bilden die besonderen Schutzgebiete und die Sonderschutzgebiete das Netz Natura 2000, das wichtigste Instrument der EU zur Erhaltung natürlicher Lebensräume und deren Fauna und Flora.

Das Rechtsverfahren

Nach Artikel 226 ist die Kommission befugt, rechtliche Schritte gegen einen Mitgliedstaat einzuleiten, der seinen Pflichten nicht nachkommt.

Liegt nach Auffassung der Kommission möglicherweise ein Verstoß gegen das EU-Recht vor, der die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens rechtfertigt, so richtet sie an den betreffenden Mitgliedstaat ein "Aufforderungsschreiben" (erstes Mahnschreiben), in dem dieser ersucht wird, sich bis zu einem bestimmten Termin, in der Regel innerhalb von zwei Monaten, zu äußern.

Fällt die Antwort unbefriedigend aus oder antwortet der Mitgliedstaat nicht, kann die Kommission dem Mitgliedstaat eine "mit Gründen versehene Stellungnahme" (letztes Mahnschreiben) zusenden. Darin legt sie klar und eindeutig dar, weshalb ihrer Ansicht nach ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt, und fordert den Mitgliedstaat auf, seine Verpflichtungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (in der Regel zwei Monate) zu erfüllen.

Kommt der Mitgliedstaat der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nach, kann die Kommission beschließen, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Gelangt der Gerichtshof zu der Auffassung, dass eine Vertragsverletzung vorliegt, wird der säumige Mitgliedstaat aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Gemäß Artikel 228 EG-Vertrag ist die Kommission befugt, gegen einen Mitgliedstaat vorzugehen, der einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht nachkommt. Nach diesem Artikel kann die Kommission dann den Gerichtshof ersuchen, gegen den betreffenden Mitgliedstaat ein Zwangsgeld zu verhängen.

Aktuelle Statistiken zu Vertragsverletzungsverfahren:

http://ec.europa.eu/environment/legal/implementation_en.htm

© Europäische Gemeinschaften, 1995-2008


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Quelle:
Pressemitteilung IP/09/1484, 08.10.2009
Europäische Kommission (KEG), Brüssel
Internet: www.ec.europa.eu, www.europa.eu/rapid/


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2009