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EUROPA/434: Deregulierungsvorstoß auf Kosten von Klima, Umwelt und Menschen (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände e.V.
EU-Koordination

EU-News - Mittwoch, 02. Dezember 2015 / Politik & Recht

Deregulierungsvorstoß auf Kosten von Klima, Umwelt und Menschen


Die Mehrheit der Wirtschaftsminister der EU, darunter Sigmar Gabriel, unterstützt den Vorstoß Großbritanniens für Deregulierungsziele. Einziger Profiteur ist die Wirtschaft.

Laut der Onlinezeitung Politico tragen die Wirtschaftsminister von 18 Mitgliedstaaten den Vorstoß von Großbritanniens Schatzkanzler Georg Osborne von letzter Woche mit, Ziele für die Deregulierung zu setzen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist einer der Unterzeichner des Briefes an den ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans, der für "bessere Rechtsetzung" zuständig ist.

Erst Anfang November hatte der britische Premier David Cameron in einer Rede seine Forderungen für den Verbleib Großbritanniens in der EU klargestellt. Unter anderem müsse die EU wettbewerbsfähig werden. Er wolle "Wettbewerbsfähigkeit in die DNA der gesamten Europäischen Union schreiben". Dies solle durch die Reduzierung der Lasten für die Wirtschaft geschehen. Vorbild für Camerons Deregulieungsagenda ist das Vereinigte Königreich. Laut einer im Oktober von der New Economic Foundation (NEF) veröffentlichten Studie schadet "bessere Rechtsetzung" in Großbritannien aber nicht nur der Umwelt und der Bevölkerung. Sie führt sogar zu einem Demokratiedefizit und schadet der Wirtschaft selbst (EU-Umweltnews [1]).

Schatzkanzler Osborne will dies nun manifestieren, indem er Ziele für die Deregulierung zu Gunsten der Wirtschaft festschreiben will und dafür die Wirtschaftsminister der EU dazu brachte, seinen Brief zu unterschreiben.

Pieter de Pous, Politikdirektor des Europäischen Umweltbüros (EEB) reagierte darauf:

"Ein Brandschatzen der EU-Gesetzgebung zu Gunsten der Wirtschaft hilft niemandem. Die EU muss sicherstellen, dass sie den Klimawandel bekämpft und Geld für Klimawandel, Umwelt und die Menschen ausgibt. Osbornes Plan steht dem entgegen und würde noch nicht einmal zu dem Ziel verhelfen, Jobs und mehr Wirtschaftswachstum zu schaffen."

Das EEB, der größte Umweltdachverband Europas, gibt insbesondere folgende Punkte zu bedenken:
Osbornes Vorschlag für verbindliche Ziele, Kosten für Regulierung zu beschneiden, ähnelt dem Ansatz Großbritanniens, dass für jeden Euro, die durch Regulierung entstehend, zwei Euro durch das Einstampfen existierender Gesetzgebungen eingespart werden müssen. Dies würde Europas Möglichkeiten einschränken, Gesetzgebungen zu Ressourcenverbrauch, Klimawandel, Naturzerstörung und Chemikaliensicherheit zu erlassen.

Das Setzen von Zielen für Deregulierung würde noch nicht einmal dazu beitragen, die angestrebten Ziele zu erreichen, Jobs und Wachstum zu befördern. Der einseitige Fokus, Kosten für die Wirtschaft zu reduzieren, würde die innovativsten Unternehmen in Europa bestrafen und die am wenigsten wettbewerbsfähigen Unternehmen, die am meisten die Umwelt zerstören, subventionieren. Und letztendlich würde dies von den Bürgerinnen und Bürgern und Steuerzahlern finanziert werden. Sehr ähnliche Vorschläge gibt es bei den Verhandlungen zum Handelsabkommen zwischen EU und USA. Sie sollen "regulaturoischen Handelsbarrieren" durch regulatorische Kooperation abbauen. Dies wird insbesondere von europäischen Gruppen kritisiert, die generell die EU unterstützen. Osbornes Deregulierungsagenda wird daher nur das der Gruppe der Europaskeptiker befördern.

Das Setzen von Zielen zur Reduzierung von Regulierungskosten gehört zu den Empfehlungen der Stoibergroup zum Abbau von Bürokratie. Die vier Mitglieder der Stoibergroup, die die Gewerkschaften, Umwelt-, Verbraucher und Gesundheitsgruppen repräsentierten, haben im Oktober 2014 diesen Punkt des Stoiber-Berichts scharf kritisiert (EU-Umweltnews 14. Oktober 2014 [2]) Er gehört zu den wenigen Empfehlungen des Berichts, der nicht im Mai durch das Paket der Kommission zur "besseren Rechtsetzung" umgesetzt wurde. [bv]


Politico zum Brief der 19 Wirtschaftsminister (engl.)
http://www.politico.eu/article/uk-heads-european-push-for-targets-on-red-tape/

Poltico zu Camerons Forderungen (engl.)
http://www.politico.eu/article/david-cameron-speech-eu-reforms-britain/

EEB zum Brief von Osborne (engl.)
http://www.eeb.org/index.cfm/news-events/news/osborne-s-regulation-slashing-plan-is-bad-for-the-climate-the-environment-and-people/

EEB zum Vorstoß von Cameron (engl.)
http://www.eeb.org/index.cfm/news-events/news/eeb-reaction-to-uk-proposals-for-eu-reform/

[1] http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/politik-recht/3399-bessere-rechtsetzung-als-bedrohung-fuer-die-demokratie
[2] http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/politik-recht/2877-buerokratieabbau-kahlschlag-beim-umwelt-und-verbraucherschutz

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Quelle:
EU-News, 02.12.2015
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2015

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