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GESCHICHTE/015: Einige Anmerkungen zum Thema Naturschutzgeschichte (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 148 - Februar/März 09
Die Berliner Umweltzeitung

Kein Schweigen über Vergangenheit
Einige Anmerkungen zum Thema Naturschutzgeschichte

Von Regine Auster
Arbeitskreis Naturschutzgeschichte Berlin-Brandenburg


In der Oktober/November-Ausgabe 2008 des RABEN RALF analysiert Marlis Heyer alarmierende Entwicklungen, wie Umwelt- und Naturschutzthemen von Seiten der Zeitschrift "Umwelt & Aktiv" aufgriffen werden, um unter diesem Deckmantel rechtslastige Ideologien zu transportieren. Die Autorin verweist am Ende ihres Beitrages auf den Kongress "Naturschutz und Nationalsozialismus", mit dem 2002 unter Schirmherrschaft des damaligen Bundesumweltministers Jürgen Trittin, die seit langem überfällige Auseinandersetzung des Verhältnisses von Naturschutz und Nationalsozialismus wesentlich angestoßen wurde. Die Autorin beklagt dann, dass die Fortführung der Diskussion, die lebendige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dem rechten Potenzial des Naturschutzes jedoch ausblieb.

Hierzu sind einige Anmerkungen nötig: Der oben genannte Kongress war eine der ersten größeren öffentlichen Veranstaltungen der Stiftung Naturschutzgeschichte, die 1996 von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie der NRW-Stiftung für Kultur, Heimat und Naturschutz gegründet wurde. Die Stiftung Naturschutzgeschichte hat ihren Sitz in Königswinter am Rhein. 2002 eröffnete die Stiftung dort eine Dauerausstellung zur deutschen Naturschutzgeschichte. In dieser Ausstellung wird erstmals auch das Verhältnis von Naturschutz und Nationalsozialismus beleuchtet. Die Texte der Ausstellung sind seit 2002 im Internet, wer Informationen zum Thema sucht, kann sich dort seit längerem informieren.

Zu Gert Gröning und Joachim Wolschke-Bulmahn ist anzumerken, dass es in der Tat während der Vorbereitung des Kongresses Naturschutz und Nationalsozialismus zu einer Kontroverse kam, infolge derer die beiden Wissenschaftler dann nicht auf dem Kongress vertreten waren. An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich auf die Pionierleistungen von Gert Gröning und Joachim Wolschke-Bulmahn verwiesen, die bereits in den 1980er Jahren mit ihrem Buch "Die Liebe zur Landschaft" und anderen Publikationen die Verstrickung von Naturschutz und Landschaftsgestaltung mit dem Nationalsozialismus frühzeitig thematisierten und damit zu den Wegbereitern einer kritischen Auseinandersetzung gehören. 2004 fand unter der Leitung der beiden Wissenschaftler ein Workshop "Naturschutz und Demokratie" in der Stiftung Naturschutz statt, dessen Beiträge inzwischen publiziert sind.


Es ist viel passiert

Nicht vergessen werden sollte, dass 1999 anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des NABU unter dem damaligen Präsidenten Jochen Flasbarth eine Aufarbeitung der Vereinsgeschichte durch die Historikerin Anna-Katharina Wöbse erfolgte, bei der dass für den NABU nicht rühmliche Kapitel der Rolle des Bundes für Vogelschutz im Nationalsozialismus nicht ausgespart wurde. Auch die NABU-Geschichte ist auf der Web-Seite des Verbandes seit längerem nachzulesen.

Im Jahr 2003 erfolgte auf Initiative der Vertreter des Landes Brandenburg im Kuratorium der Stiftung Naturschutzgeschichte, der Autorin dieses Beitrages als Vertreterin der Brandenburger Naturschutzverbände und Dr. Michael Gödde als Vertreter des Agrar- und Umweltministeriums Brandenburg die Gründung des Arbeitskreises Naturschutzgeschichte Berlin-Brandenburg. Der Arbeitskreis hat seinen Sitz im Haus der Natur in Potsdam und fördert durch regelmäßige Treffen und Veranstaltungen die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Naturschutzes in unserer Region. Der Arbeitskreis arbeitet dabei eng mit der Stiftung Naturschutzgeschichte zusammen.

Diese wie einige andere Beispiele zeigen, dass sich der Naturschutz nicht, wie Marlis Heyer meint, über seine Vergangenheit ausschweigt, sondern dass im Gegenteil hier in den letzten Jahren viel passiert ist.

So wurde 2004 anlässlich des Deutschen Naturschutztages in Potsdam eine Ausstellung erarbeitet, in der erstmals die bis dahin weitgehend tabuisierte Geschichte des Naturschutzes in Brandenburg in der Zeit von 1900 bis 1949 skizziert wird. Einige Tafeln der Ausstellung zeigen die Verstrickungen des Naturschutzes mit dem NS-Regime, zum Beispiel in der Schorfheide, wo Göring unter dem Deckmantel eines "Reichsnaturschutzgebietes" seinen privaten Jagdgelüsten frönte. Erinnert wird in der Ausstellung auch an den Juristen Benno Wolf, der 1920 die kleine Novelle des § 34 des Feld- und Forstpolizeigesetzes auf den Weg brachte und damit für die Ausweisung von Naturschutzgebieten erstmals eine juristische Grundlage schuf. Und die Ausstellung beleuchtet erstmals das Schicksal von Naturschützern wie Benno Wolf, Max Hilzheimer und Kurt Hueck, die im Nationalsozialismus verfolgt, mit Berufsverbot belegt wurden oder wie Benno Wolf den Tod fanden, der 1943 infolge der unmenschlichen Haftbedingungen im KZ Theresienstadt starb. Die Ausstellung war ab 2005 in verschiedenen Orten Brandenburgs zu sehen.

Auch auf der gut besuchten Präsentation des Buches "Natur und Staat" im März 2007 im Haus der Natur in Potsdam wurde das Thema Nationalsozialismus nicht ausgespart. Das Buch entstand anlässlich des 100. Jubiläums des Bundesamtes für Naturschutz, dessen Geschichte auf die Gründung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen im Jahr 1906 zurückgeht. Von August bis Dezember 2007 war dann die parallel zu dem Buch erarbeitete Wanderausstellung "Natur und Staat" im Haus der Natur zu sehen, die ebenfalls faktenreich über die Geschichte des Naturschutzes und über die NS-Zeit informierte. Vollends erstaunt ist man aber über die Auffassung von Marlis Heyer, es gebe keine lebendige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Naturschutzes, angesichts der monatelangen Diskussionen und Kontroversen um den Berliner Naturschutzpreis, der viele Jahre den Namen des Naturschützers Victor Wendland trug. Wendland war während der NS-Zeit als Übersetzer im Oberkommando der Wehrmacht tätig. Infolge der Auseinandersetzungen um die Biografie Wendlands wurde der seit 1988 vergebene "Victor-Wendland-Ring" bekanntlich 2007 in "Berliner Naturschutzpreis" umbenannt.

Auch die Teilnehmerzahl der Jubiläumsveranstaltung "Sonnentau und Götterbaum" im Juni 2007 anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Gründung der Berliner Naturschutzstelle, die mit einer kritischen Aufarbeitung der Geschichte der Berliner Naturschutzbeauftragten verbunden war, spricht für sich. Auf dieser Veranstaltung wurde insbesondere an das Wirken und das Schicksal des ersten Berliner Naturschutzbeauftragten Max Hilzheimer erinnert, der auf Grund der NS-Rassengesetze seine Stelle als Kustos der naturkundlichen Abteilung im Märkischen Museum verlor, als Berliner Naturschutzbeauftragter abberufen und zum Ausscheiden aus Vereinen wie dem Volksbund Naturschutz genötigt wurde. Zu dieser Veranstaltung entstand ebenfalls eine informative Ausstellung zur Entwicklung des Berliner Naturschutzes.


Die Probleme liegen woanders

Veranstaltungen wie die zum 70. Jubiläum der Berliner Naturschutzstelle oder die zum 100. Jubiläum des Brandenburger Naturschutzes im Februar 2008 stoßen inzwischen erfreulicherweise auf großes Interesse.

Anders sieht es leider bei den oben erwähnten Ausstellungen aus, in diese verirren sich meist nur wenige Interessierte, es sei denn, man trägt die Ausstellungen dem Publikum hinterher. Das heißt, man zeigt sie an Orten oder auf Veranstaltungen, zu denen ohnehin Besucher kommen. Die Inhalte der Naturschutzgeschichtsausstellungen, dass zeigen alle bisherigen Erfahrungen, erschließen sich nicht im schnellen Vorübergehen, sondern hier muss man sich schon auf die Inhalte einlassen. Was offensichtlich nicht nur Naturschützern schwer fällt.

Leider hält sich auch bei Museen und Historikern, die sich nicht speziell mit Umweltgeschichte beschäftigen, das Interesse oft in Grenzen. Es ist ein Phänomen, dass das grundlegendste Verhältnis des Menschen, nämlich das Verhältnis zur Natur, die für ihn Lebensgrundlage ist und die er durch seine Tätigkeit maßgeblich beeinflusst, bis heute in den Geschichtswissenschaften eine Außenseiterrolle spielt. Insofern ist zu konstatieren, dass nicht nur der Naturschutz unter einer gewissen gesellschaftlichen Missachtung leidet, sondern auch seine Geschichte.

Ein weiteres Defizit besteht darin, dass die in den letzten Jahren in größerer Zahl erschienene Fachliteratur zur Natur- und Umweltschutzgeschichte bisher wahrscheinlich nur einen Bruchteil der im Natur- und Umweltschutz Engagierten erreicht hat. Was darauf verweist, dass die Geschichte des Natur- und Umweltschutzes nicht unbedingt das Thema ist, mit dem sich Natur- und Umweltschützer vorrangig und intensiv beschäftigen.


Woran liegt das?

Zum einen sicherlich daran, dass die stark von Biologen geprägte Bewegung ihren Gegenstand natürlich vornehmlich in der Beschäftigung mit der Natur, weniger in der Beschäftigung mit der eigenen Geschichte sucht. Die Naturschutz- und Umweltbewegung ist bis heute eine relativ traditionslose Bewegung. Auch dies hat wiederum vielfältige Ursachen. Zum einen gab es lange Zeit keine Archive, die die Unterlagen der breit gefächerten Vereinsszene überhaupt sammelten. Allenfalls zu Vereinsjubiläen fiel gelegentlich auf, dass die alten Unterlagen doch irgendwann weggeworfen worden waren. Ohne Akten oder andere Überlieferungen aber keine Geschichte. Das Haus der Natur in Potsdam hat deshalb begonnen, ein Umweltarchiv einzurichten.

Weit schwerwiegender ist aber, um hier wieder an Marlis Heyer anzuknüpfen, dass Naturschutz in den vergangenen einhundert Jahren natürlich nicht im luftleeren Raum stattfand, sondern immer in gesellschaftliche und politische Verhältnisse eingebettet war. Die politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts haben hier tiefe Spuren hinterlassen. Bis in die jüngste Vergangenheit wurde in der Bundesrepublik, um es vereinfacht zu sagen, in geschichtlichen Betrachtungen die Verstrickungen zwischen Naturschutz und Nationalsozialismus häufig ausblendet, in der DDR hingegen wurde das ganze Thema tabuisiert, was ebenso wie in der Bundesrepublik zur Folge hatte, dass es über Jahrzehnte keine wirkliche Auseinandersetzung der Naturschutz- und Umweltbewegung mit ihrer eigenen Geschichte gab. Hinzu kam, dass der Eindruck entstand, die in den 1970er Jahren sich stark politisierende Umweltbewegung, die sich zu dieser Zeit aus zahllosen Bürgerinitiativen und neuen Vereinen wie dem BUND und Greenpeace rekrutierte, sei ein völlig neues gesellschaftliches Phänomen. Und in ostdeutschen Verbänden ist das Kuriosum zu beobachten, dass die Landesverbände beispielsweise ihr 15. Jubiläum feiern, ihre Ortsgruppen aber mitunter ihr 50-jähriges Bestehen, was im Klartext heißt, dass insbesondere die Geschichte der ostdeutschen Vereine stark von Brüchen gekennzeichnet ist, was die Traditionsbildung und die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte nicht eben erleichtern.

Weitaus schwerwiegender als das mangelnde Interesse an der Historie der eigenen Bewegung sind aber theoretische Defizite beim Verständnis einiger Denkfiguren des Natur- und Umweltschutzes, die mit der oben beschriebenen Geschichtslosigkeit der Bewegung in engem Zusammenhang stehen.

Der Kulturwissenschaftler Friedemann Schmoll hat seinem Band "Erinnerung an die Natur" die Motive und Leitbilder des Naturschutzes, der um 1900 aus verschiedenen Strömungen entstand, umfassend beschrieben. Es waren nicht nur wissenschaftliche und naturkundliche Zielstellungen, die am Beginn des Naturschutzes standen. Vielmehr dominierten kulturelle, ästhetische, historische und zum Teil auch völkische Vorstellungen das Denken und Handeln der ersten Naturschutzgeneration.

Von Anfang an war die Natur- und Umweltschutzbewegung weltanschaulich wie politisch breit gefächert. Sie vereinte Linke und Liberale, die sich aus sozialpolitischen Motiven für den Naturschutz einsetzten ebenso wie Romantiker oder Ästheten, deren Handeln sich eher aus völkischen Motiven speiste. Wer sich mit der Geschichte der Lebensreformbewegung und der frühen Heimat- und Naturschutzbewegung um 1900 befasst, wird immer wieder erstaunt sein, inwieweit aus heutiger Sicht konträre Denkmuster sich im Handeln und Denken einzelnen Personen vereinten.

Zu konstatieren ist, dass völkisches Denken in der frühen Naturschutzbewegung durchaus verbreitet war. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich einzelne Protagonisten der Bewegung wie Walter Schoenichen oder Paul Schultze-Naumburg in den 1920er Jahren offen zu rassistisch-antisemitischen Positionen bekannten und sich zu überzeugten Anhängern des Nationalsozialismus wandelten. Es liegt andererseits auf der Hand, dass hieraus nicht geschlossen werden kann, dass alle Naturschützer 1933 zu überzeugten NS-Anhängern mutierten, wenngleich die Tatsache, dass viele Lehrer, die als Naturschutzbeauftragte tätig waren, auch NSDAP-Mitglieder waren, eine schwere Hypothek für den Naturschutz darstellt.

Dies wurde, wie oben angedeutet, weder in West noch in Ost nach Abschluss der Entnazifizierung Anfang der 1950er Jahren weiter thematisiert. Damit wird klar, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen abrupten Abschied von bis dahin im Naturschutz entwickelten Denkmustern gab. Wie mit diesem Problem in Ost wie in West umgegangen wurde, damit wird sich der zweite Teil dieses Beitrages befassen, der aus Platzgründen in einer der nächsten Ausgaben des RABEN RALF erscheint.

Arbeitskreis Naturschutzgeschichte Berlin-Brandenburg
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www.hausdernatur-potsdam.de


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 148, Februar/März 09
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2009