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ALTLASTEN/006: Thüringen erhält sich den Ewigkeitscharakter seiner Uranbergbaualtlasten (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 702-703 / 30. Jahrgang, 7. April 2016 - ISSN 0931-4288

Uranbergbau / Atommüll
Thüringen erhält sich den Ewigkeitscharakter seiner Uranbergbaualtlasten

Von Frank Lange(1)


Thüringer Strategie für Altlasten mit "natürlicher Radioaktivität"

Aus Sicht der Thüringischen Finanzministerin Heike Taubert bereiten Objekte des ehemaligen Uranbergbaus, die nicht unter das Wismutgesetz(2) von 1990 gefallen sind, keinerlei Probleme, da keine Nutzungsänderungen vorgesehen sind. Und wenn dann doch mit oder auf solchen Flächen Veränderungen anstehen würden, dann wäre die Zeit des Handelns gekommen [1]. In Thüringen sind im Gegensatz zu Sachsen nur die Flächen einer Sanierung unterzogen worden, die 1990 in Rechtsträgerschaft des bundeseigenen Sanierungsunternehmens Wismut GmbH standen bzw. von diesem zusätzlich, das heißt ohne Kosten für die jeweiligen Eigentümer derartiger Grundstücke, zu einer solchen herangezogen wurden. Meist handelte es sich dabei um mehr oder weniger benachbarte Objekte laufendender Sanierungsprojekte. Auch einige nach 1990 bereits als unbedenklich veräußerte Flächen unterzog man einer (Nach)Sanierung. Abgesehen von solchen Ausnahmen sind die nicht mehr betriebseigenen Standorte des ehemaligen Uranbergbaus sich selbst überlassen (Abb.1).

Das Altlastenkataster des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) weist für Thüringen 32 radiologisch belastete Standorte mit einer Fläche von 350 Hektar aus, die vor allem im Raum Gera/Ronneburg sowie im Thüringer Schiefergebirge um Saalfeld und im Thüringer Wald konzentriert sind. Radiologisch relevant bedeutet, dass die Verwahrungsmaßnahmen aus DDR-Zeiten mindestens ungenügend sind. Schon seit Übergabe des Altlastenkatasters des Bundes an die Länder 2003/2004 drängt der Kirchliche Umweltkreis die Thüringer Behörden mittels Vorsprachen, Anschreiben, Stellungnahme, Petitionen und jetzt auch noch in Form von Verwaltungsverfahren, die Empfehlungen und Aufgaben des Katasters umzusetzen. Das dem Umweltministerium unterstellte Landesbergamt hat daraufhin vor einigen Jahren mit der Prüfung von 77 Einzelstandorten [8] des ehemaligen "Wismutbergbaus" unter dem Blickwinkel einer "radiologischen Neubewertung" begonnen. Genau das ist im Kataster nicht gefordert. Dort geht es um die Durchführung offener Untersuchungen, um objektkonkrete Bewertungen und um Präzisierungen der Daten ehemaliger Uranbergbauobjekte, bei denen wenig bekannt ist. Im Strahlentelex vom September 2015 [2] wurde ein Einblick in die aktuelle Praxis des TMUEN/TLBA(3) gegeben: Bei Geländebegehungen erfolgen Messungen der Gammastrahlung 1 Meter über dem Boden. Die so erfassten Ortsdosisleistungen werden unter (unzulässiger!) Berufung auf die Berechnungsgrundlagen Bergbau [3] mit dem für die Bevölkerung geltenden Wert der Strahlenexposition von 1,0 Millisievert pro Jahr (mSv/a) nach StrlSchV(4) ins Verhältnis gesetzt. Diese Methode führt immer zur "Freimessung" selbst der im Altlastenkataster als radiologisch relevant eingestuften Altlasten. Aktuelle Messergebnisse präsentieren Ministeriumsvertreter gegenüber der Presse mit maximal 10 Prozent der zulässigen Bevölkerungsdosis. Dabei beteuert man die Anwendung eines besonders konservativen Herangehens, indem eigentlich nie realisierbare 1000 Stunden Aufenthalt auf der Altlast angenommen werden. Als Beispiel wird der Besuch eines Abenteuerspielplatzes angegeben. Ob diese Agitatoren ahnten, dass Kinder sich tatsächlich solche Objekte in unmittelbarer Nähe von Altstandorten schaffen? (siehe Abb. 1b). Der Umweltkreis Ronneburg intervenierte stets gegen derartige Verniedlichungen radioaktiver Standorte des Uranbergbaus, allein 2015 mit mehreren entsprechenden Appellationen für konkrete Belastungsfälle an das TMUEN [4]. Die Ministerin des Thüringer Umweltministeriums, Anja Siegesmund, betonte während ihres daraus resultierenden Arbeitsbesuches am 19. Januar 2016 beim Kirchlichen Umweltkreis Ronneburg, dass sie in der Angelegenheit der Neubewertung alter Uranstandorte vollstes Vertrauen zu der zuständigen Fachabteilung des TMUEN (Referat 28 Bergbau, Strahlenschutz) hegt. Der Umweltkreis unterstützt dies durch Benennung praktischer Problemfälle in der Hoffnung, bei einer strategischen Änderung im bisherigen Bewertungsalgorithmus der natürlichen radioaktiven Altlasten zu helfen.


Aktuelles Altlastproblem in Ostthüringen

Uranbergbaualtlasten stellen für den Grundwasserhaushalt eine permanente Gefahr dar, deren Ausmaße der standortspezifischen Prüfung, Überwachung und gegebenenfalls Beeinflussung bedürfen. In den folgenden Fall bezog der Kirchliche Umweltkreis seit November 2014 das Ministerium und die obere Wasserbehörde des Landesverwaltungsamtes (TLVA) ein: Die Alt-Halde "Gauern" erscheint in den jährlichen Umweltberichten der Wismut GmbH inzwischen als Störfaktor der unweit stattfindenden Sanierung auf den Endlagerstätten radioaktiver Schlämme der früheren Uranerz-Aufbereitung. "Die Konzentrationserhöhung im Fuchsbach resultiert wesentlich aus der Gauernhalde, die nicht im Sanierungsauftrag der Wismut enthalten ist." [6]

Die normale Grund- und Oberflächenwasserbeladung mit Uran liegt in der Region außerhalb der bergbaulich beeinflussten Gebiete unter 3 Mikrogramm pro Liter (µg/l), und damit deutlich unter dem Trinkwassergrenzwert von 10 µg/l Uran (vgl. Messpunkte MP 1 und 2 in Abb. 5).

Das Umweltmonitoring der Wismut GmbH unterhält Messstellen vor, in und nach den Zonen bergbaulicher Beeinflussung. Im Diagramm 2 kommt dabei die negative Wirkung auf die Vorfluter zum Ausdruck, wie sie durch die nicht sanierten Bereiche am Standort hervorgerufen werden. Das Niveau der Urananreicherung in den Vorflutern verringert sich trotz voranschreitendem Sanierungszeitraum nicht. Seit 2010 wird übrigens der MP E-369 nicht mehr veröffentlicht. Hier fand eine Verlagerung auf den außerhalb des belasteten Gebietes liegenden, weit entfernten und verdünnten Messpunkt E-382 vor der Weißen Elster statt. Auch die Daten des MP E-319 sind Verdünnungen ausgesetzt, da sich der Messpunkt nicht am Ende des bergbaulichen Einflussbereiches, sondern am Ende der Ortslage der Gemeinde Wolfersdorf befindet. Die stark landwirtschaftlich (große Saugstelle), gärtnerisch (kleine Saugstellen im Bach) und von Sportanglern (Fischspeicher am alten Bahndamm) genutzte Fuchsbach-Aue davor unterliegt keinerlei Kontrollen. Da behördliche Untersuchungen fehlen, unternahm der Umweltkreis mit Hilfe des MdB Ralph Lenkert (Mitglied im Umweltausschuss des Bundestages) eigene Anstrengungen.

Zunächst stand die Prüfung des Luftpfades mit der Messung der Ortdosisleistung an. Zwei Begehungen bestätigten die Angaben im Altlastenkataster des BfS [5]. Ein japanisches Fernsehteam begleitete eine Aktion und staunte über mögliche Parallelen zu den viel komplexeren Problemen der Region Fukushima. Einige ODL-Werte enthält Abb. 3. Die Belastung steigerte sich trotz in den letzten Jahrzehnten entstandener Humusschicht und Waldbewuchs auf das fast 7-fache der Umgebungsstrahlung. Unter Abzug der normalen Umgebungsstrahlung wäre entsprechend dem Auswertungsmuster der Behörden an den Orten der höchsten Belastung ein Aufenthalt von jährlich rund 2.100 Stunden nötig, um in den Bereich einer zusätzlichen Jahresdosis von 1,0 mSv zu gelangen. Bezieht man die ausführlichere Datenlage nach [5] mit ein, verringert sich diese Größe auf rund 1.300 Stunden. Nach [7] wurden Spitzenwerte über 1000 nSv/h gemessen, die dann noch 950 Stunden unbedenklich zulassen würden.

Zur Bewertung des Bodenpfades gibt das Altlastenkataster in der Regel ausführliche Auskunft. Allerdings wurden bei den sogenannten wismutnahen Altstandorten (in der Nähe von Sanierungsobjekten) keine Untersuchungen vorgenommen und sich auf Messprogramme der früheren Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut berufen. Diese Daten sind nicht zugänglich. Die jahrelange Arbeit des Kirchlichen Umweltkreises bringt es mit sich, dass zumindest die Ergebnisse dargestellt werden können: So gehört die Halde mit ihren Boden-Aktivitätskonzentrationen von 2,5 bis 39,8 Becquerel pro Gramm Uran-238 (Bq/g U-238) und 1,89 bis 29,6 Bq/g Radium-226 (Ra-226) zu den höchstbelasteten Halden, die es im Ost-Thüringer Bergbau überhaupt gegeben hat. Liegt die spezifische Aktivität über 2,0 Bq/g, setzt man im Widerspruch zur alleinigen Berechnung über die Ortsdosisleistung generell eine Überschreitung des Richtwertes der Strahlenexposition von 1 mSv pro Jahr [9] an.

Belastungen des Wasserpfades beeinflussen bei allen Altstandorten des Uranbergbaus die Umgebung. Standortspezifische Untersuchungen klären Umfang und Relevanz auf. Die Luftaufnahme (Abbildung 3) zeigt die Ortslage der kleinen Gemeinde Gauern und rechts einen Bereich der bewaldeten Gauernhalde. An deren Rand befinden sich mehrere Teiche, die teilweise als private Fischzuchtgewässer genutzt werden. Der mit 1,5 bis 2,0 mg/l Uran stark belastete öffentliche Dorfteich dient zur Löschwasserentnahme. Aber nicht die mögliche Brandbekämpfung ist problematisch, sondern dass es bei jährlichen Übungen zum ausgiebigen Versprühen dieses Wassers in die Umgebung kommt.


Abb. 3: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg

Abb. 3: Luftaufnahme (Quelle Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg) Ortslage, Halde Gauern (mit Ortsdosisleistung (ODL) in Nanosievert pro Stunde (nSv/h) und Fuchsbachaue (mit Messpunkten (MP)). In der Bildmitte ist der Verlauf der Fuchsbachaue zu erkennen. Vier von acht Bachwasser-Messpunkten des Diagramms 5 sind im Luftbild zugeordnet. © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Die Sickerwässer des Haldenkomplexes treten an verschiedenen Stellen an die Oberfläche, zum Beispiel über alte Drainagen, in offenen Gräben und Standgewässern (Abb.4). Ein Teichablauf(!) wird sogar als offizielle Sickerwasser-Messstelle E-363 von der Wismut GmbH genutzt. Die vom Umweltkreis veranlassten Probennahmen bestätigten Konzentrationen, die der Größenordnung der offiziellen Messstelle E-363 im Diagramm Abb. 7 entsprechen. Messprogramme vom Juli 2014 und Juni 2015 ergaben, dass Sickerwässer mit dem Grundwasser-Abstrom Urankonzentrationen bis 2,5 mg/l in den Fuchsbach eintragen. Ein Bachscreening dokumentiert die konkrete Belastung für das Gewässer in Abbildung 5.


Abb. 5: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg

Abb. 5, S. 4:
Diagramm zum Urangehalt im Fuchsbach bei Trockenwetter im Juni 2015. © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Das Diagramm 5 überbrückt den Verlauf des Fuchsbaches von der Ortslage Gauern bis zur Mündung in die Weiße Elster über circa 8,5 Kilometer. Die Messpunkte (MP) 1 bis 8 spiegeln die Uranbelastung des Bachs an einem Trockenwettertag im Juni 2015 als Momentaufnahme wider.

Bedenkt man den hohen spezifischen Aktivitätsgehalt der Halde, ist eine Variation der Bachbelastung nach oben offen. Geologische Bohrungen im Haldenbereich weisen einen Urangehalt von 2 µg/l in unbelasteten Bereichen, aber bis zu 12.800 µg/l im Maximalbereich aus [10]. Nach der selben Quelle wurden in belasteten Zonen Sickerwässer von 2,4 bis 4,7 mg/l Uran festgestellt. Daraus ableitend erhält der Fuchsbach temporär starke Belastungsstöße.

Nach Konfrontation der unteren und oberen Wasserbehörden mit den Untersuchungsergebnissen kam es letztendlich durch das Landratsamt Greiz zum Erlass einer sogenannten Allgemeinverfügung (Nutzungsverbot des Grundwassers) und einer Verordnung zur Regelung des Gemeingebrauchs an den Teichen der Gemeinde. Letztere legt für fünf Teiche in der Ortslage fest: "Bis auf Weiteres sind das Baden, Tauchen mit und ohne Atemgerät, das Tränken und Schwemmen, das Schöpfen mit Handgefäßen, der Eissport sowie das Befahren mit Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft an den (fünf Teichen) untersagt."([13], Artikel 2). Kein Wort zu den Fischen und der betriebenen Fischzucht! Ebenso unverständlich, dass dem stark gärtnerisch genutzten Bach selbst (Abb. 6) keine Aufmerksamkeit zuteil wurde. Der Kirchliche Umweltkreis Ronneburg stellte erfolglos Nachfragen. Der zeitliche Handlungsspielraum zwang den Umweltkreis zum Widerspruch, der zum jetzigen Zeitpunkt aber eine formale Ablehnung erhalten soll.

Es sei auf die eigentlichen Intentionen der engagierten Bürger hingewiesen. Die Rechtserlasse [13, 14] lösen das Umweltproblem nicht. Letztlich ist es auf Initiative des Umweltkreises und der zuständigen Verwaltungsgemeinschaft zur eingeschränkten Nutzung der Wässer im Uranaltbergbaugebiet um Gauern gekommen. Allerdings nützen sie in der vorliegenden Form nicht zur Forcierung von Maßnahmen, die den Bewohnern in Gauern und Wolfersdorf wieder eine unbelastete Fuchsbachaue zur Verfügung stellen. Anliegen des Widerspruchs war es, das Züchten, Fangen und Verzehren der in den Teichen Gauerns lebenden Fische zu unterlassen und die Beschränkungen für das Grundwasser auch auf den intensiv gärtnerisch und landwirtschaftlich genutzten Fuchsbach auszudehnen. Die "Fischteiche" haben enorme Uranbelastungen im Milligramm pro Liter-Bereich aufzuweisen. Der Fuchsbach, der weitere Gewässer mit Fischbesatz speist, unterliegt einer schwankenden Uranbelastung aus den von den Althalden des Uranbergbaus austretenden Sickerwässern. Konzentrationen, wie konkret nachgewiesen von über 170 µg/l Uran, belegen die latente Kontaminierung des Gewässers durch das radioaktive Schwermetall Uran.

Ein sich abzeichnender Rechtsstreit beendet an dieser Stelle die Bewertung der Altlast "Gauernhalde".


Belastungskriterien für Uranbergbau-Altlastprobleme sind immer noch offen

Mit der Radioaktivität in sogenannten natürlichen Bereichen tut sich die Bundesrepublik Deutschland seit der hoheitlichen Übernahme des Uranbergbaus 1990 schwer. Ziel und Umfang der Ermittlung bergbaubedingter Umweltradioaktivität sollten unter Bezug auf das Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) zumindest klären, in wie weit aus Strahlenschutzgründen Maßnahmen erforderlich werden. Die geltenden Bewertungsgrundsätze des DDR-Strahlenschutzes (VOAS und HaldAO) wurden hierfür übernommen. Diese mögen in ihrer Entstehungszeit der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts Stand der Technik gewesen sein. Inzwischen eingetretene Weiterentwicklungen und modernen Ansätzen im Strahlenschutz, z.B. der Internationalen Strahlenschutzkommission [15], kann man so nicht gerecht werden.

Allein die seit 25 Jahren laufende Sanierung der "natürlichen" Hinterlassenschaften bei der Wismut GmbH reicht in der Planung bereits über 2050 hinaus. Im Grunde liegen drei Probleme vor: 1. Die Messlatte der alten DDR-Verordnungen lag schon zur Minimierung von Nachsorgeaufwendungen relativ niedrig im Sinne von zulässigen Freigrenzen etc.. 2. Mit der Richtlinie 2013/59/Euratom werden optimierte Schutzstrategien für Gebiete mit "Restkontamination" erforderlich, die nachweisbare Minimierungseffekte für die Belastung aus der Altlast heraus garantieren sollen. 3. fehlt es an Bewertungsmaßstäben, die zum praktikablen und sicheren Umgang mit den Altlasten führen.

Letzteres sieht jeder Betroffene anders und aus seinem Blickwinkel. Gegenwärtig gibt es keine einheitlichen Handlungsgrundsätze. Die verantwortlichen Behörden glauben an Wortschöpfungen wie "existierende Situation", die die Unbedenklichkeit für die Gebiete mit natürlichen Radionukliden in sich trägt. Es wird allseits versucht, die Überwachungswerte hoch zu halten und nicht mit der Thematik der "künstlichen" Radioaktivität zu vermischen. Das ist der alte Streit zwischen Vorsorge und Belastung.

Die Richtlinie Euratom 2013/59 [11] bezeichnet im Abschnitt 3 solche Altlasten als kontaminierte Gebiete mit bestehenden Expositionssituationen, für die Schutzstrategien und ständige Begrenzungen von Expositionen realisiert werden müssen. Referenzwerte, die Bandbreite möglicher Belastungen, Ab- und Eingrenzung betroffener Gebiete mit Kontroll-, Informations- und Überwachungsmechanismen bilden Aufgabenfelder, die die bisherige Praxis in Thüringen weit übersteigen. Die Richtlinie Euratom 2013/59 geht sogar noch über diese Strahlenschutz-Belange hinaus und fordert im Artikel 7, für die festzulegenden Referenzwerte sowohl Anforderungen des Strahlenschutzes als auch gesellschaftliche Kriterien einfließen zu lassen. Dieser Aspekt fand ebenfalls im Sanierungsprozess des Uranbergbaus Anwendung: "... die berechtigten Interessen der Bevölkerung an der Wiederherstellung eines lebenswerten und Perspektiven eröffnenden Zustandes der beanspruchten Flächen und der Natur lieferten oftmals gleichwertige, mitunter auch dringlichere Argumente für die Rechtfertigung der Sanierung. Deshalb wurden neben der Berücksichtigung der Strahlenexposition bei der Ableitung optimierter Sanierungsmaßnahmen auch sozioökonomische Aspekte, Vorhaben im Rahmen der Regionalentwicklung, potenzielle Nachnutzungen und auch die Kosten betrachtet." [12, S. 8].

Das anschauliche Beispiel der Kontaminierung des Fuchsbaches und die uranverseuchten Fischteiche sind ein Beleg für das Versagen einer sturen Anwendung des Richtwertes der StrlSchV zur Beurteilung, ob und welcher Handlungsbedarf bei Uranbergbau-Altlasten besteht. Auf Grundlagen bisheriger Erfahrungen sind einheitliche und sinnvolle Bewertungskriterien erforderlich. Die Thüringer Fachbehörden sehen das anders. Schon die eingangs zitierte Finanzministerin stellt einen solchen Handlungsbedarf in Frage. Warten bis es zu Umnutzungen bisheriger Altlasten kommt, soll unproblematisch sein? Unproblematisch, weil als imaginär eingeschätzt. Schon das Austauschen solcher Materialien geht heute wegen fehlender Deponieräume nicht mehr. Nach Abschluss der Sanierung auf Bundesebene existiert auch das Know How nicht mehr. Derzeit laufen Untersuchungen des Kirchlichen Umweltkreises, die zeigen, wie schnell Umnutzungen aktuell werden können und welche Bewertungskriterien dabei an Relevanz gewinnen. Auch hierfür ist eine Veröffentlichung vorgesehen.


Anmerkungen

(1) Frank Lange, Dipl.-Ing., Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg, franklange44@web.de

(2) Wismutgesetz (WismutAGAbkG) v. 13.12.91: Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Mai 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beendigung der Tätigkeit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut

(3) Thüringer Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Energie / Thüringer Landesbergamt

(4) Strahlenschutzverordnung StrlSchV vom 20.07.2001, zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 29.8.2008 I 1793


[1] Aussage der Ministerin Heike Taubert am 19.08.15 im Kolloquium des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg.

[2] Wie das neue Umweltministerium mit den Altlasten des Uranbergbaus in Thüringen umgeht; Strahlentelex Nr. 688-691 S.6/7

[3] Berechnungsgrundlagen Bergbau, BfS 2010

[4] Anschreiben/Antwort vom 13.04./30.04.15, 29.05./30.06.15, 04.08./13.09.15 und 10.10./21.12.15 an/vom TMUEN zum Thema Uranbergbaualtlasten in Thüringen

[5] Altlastenkataster des BfS

[6] Umweltbericht Wismut GmbH 2014, S. 57

[7] Datenblatt GRS-Nr.17; ausgestellt am 28.05.2009 (Auszug aus Datenbank-Programm A.LAS.KA)

[8] "Objektliste Wismut-Altstandorte für radiologische Neubewertung", TMUEN, 2015

[9] Altlastenkataster des BfS, Abschlussbericht "Radiologische Erfassung und Bewertung bergbaulicher Altlasten", S. 50

[10] "Bestandsaufnahme...am Standort Seelingstädt am Beispiel des Wasserpfades", Günther Schulze, Heft 20/1993 der Naturwissenschaftlichen Reihe, Naturkundemuseum Gera

[11] "Richtlinie 2013/59 Euratom der Rates v. 05.12.2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung ..."

[12] P. Schmidt, A. Sperrhacke "Strahlenexposition an ehemaligen Uranbergbau-Standorten in Sachsen und Thüringen...", Strahlenschutzpraxis 2/2012

[13] Verordnung der Landkreises Greiz zur Regelung des Gemeingebrauchs an Teichen in der Gemeinde Gauern v. 08.09.15

[14] Allgemeinverfügung des Landkreises Greiz zur Einschränkung der Nutzung von Grundwasser in der Gemeinde Gauern v. 14.09.15

[15] Veröffentlichungen der IRCP, z.B. The 2007 Recommendations of the International Commission on Radiological Protection

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1a/b, S. 2:
alter Uranstollen am Ortseingang der Gemeinde Dittrichshütte / 20 Meter oberhalb ein Kinderhochsitz

Abb. 2, S. 3:
Vorfluter Fuchsbach und Culmitzsch im Einzugsgebiet der Bergbaustandorte (Quelle jährliche öffentliche Umweltbericht Wismut GmbH)

Abb. 4, S. 4 oben:
Ein Standgewässer im Bereich der Uranhalde

Abb. 6, S. 4 unten:
gärtnerisch genutzter Fuchsbach in der Ortslage Wolfersdorf

Abb. 7, S. 5:
Diagramm der quartalsweisen Kontrollwerte für Haldensickerwasser E-394 und E-363 (Quelle Wismut GmbH)


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_16_702-703_S02-06.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, April 2016, Seite 2 - 6
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2016

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