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ÖKOLOGIE/019: Ökologischer Hochwasserschutz (Agora - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 1 - 2009

Ökologischer Hochwasserschutz

Von Bernd Cyffka und Florian Haas


Die Auswirkungen eines künstlichen Hochwasserrückhalteraums untersuchen Geographen der KU zusammen mit dem Aueninstitut Neuburg und dem Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt für den Donaumoos-Zweckverband. Sie sammeln dabei Erfahrungen für weitere geplante Retentionsräume.


Das gesamte Donaumoos ist immer wieder von punktuellen Überschwemmungen nach starken Niederschlägen betroffen. Die Region besteht aus moorigen Böden, die im 18. Jahrhundert von Kurfürst Karl-Theodor durch eine Vielzahl an Entwässerungsgräben entwässert wurden und so einer landwirtschaftlichen Nutzung den Boden bereitete. Heute wird im gesamten Donaumoos intensiv Landwirtschaft betrieben.

Die Entwässerung des Niedermoores erfolgt auch heute noch mit Hilfe von Dränagen und Entwässerungsgräben. Der Untergrund besteht im Bereich der untersuchten Fläche aus 0,5-3,0 m mächtigen Niedermoortorfen, die von wasserundurchlässigen Schichten unterlagert sind. Durch die Entwässerung des Gebietes mit Dränagen und offene Gräben und die damit verbundene Grundwasserabsenkung (ca. 0,8 m) kam es zu Bodenbildungsprozessen (Mineralisierung des Oberbodens) und damit zu einer landwirtschaftlichen Nutzbarkeit der eher unfruchtbaren Moorböden. Die starke Entwässerung hatte allerdings zur Folge, dass eine starke Absenkung des Moorkörpers einsetzte, die in etwa 1-2 cm pro Jahr beträgt. Zudem kommt es bei starken Niederschlägen immer wieder zu einem schnellen Anstieg der Wasserstände in den Entwässerungsgräben, was punktuell immer wieder zu Überschwemmungen von Strassen, landwirtschaftlichen Flächen und Siedlungsraum führt. Deshalb hat der Donaumoos Zweckverband zum Schutz von Siedlungen und der landwirtschaftlichen Flächen im westlichen Teil des altbayerischen Donaumooses, südwestlich der Stadt Neuburg an der Donau eine Regenrückhaltefläche im Bereich des "Baierner Fleckens" angelegt (siehe Abbildung 1) und plant weitere solcher Retentionsräume im gesamten Donaumoos.

Die hier beschriebene Regenrückhaltefläche soll während eines starken Hochwassers den Wasserstand im angrenzenden Längenmühlbach langsamer ansteigen lassen. Das Wasser wird im Hochwasserfall auf dieser 44 ha großen Retentionsfläche zwischengespeichert und dann verzögert an den angrenzenden Längenmühlbach abgegeben, um die Anwohner dieses Baches vor Überflutungen zu schützen. Um dies zu erreichen, wurde der östliche Teil der Fläche eingedeicht, sodass die Fläche im Hochwasserfall langsam wie eine Badewanne vollaufen kann. Über ein Auslassbauwerk wird das Wasser dann nach und nach über einen sehr kleinen Durchlass an den Längenmühlbach abgegeben. Da diese Fläche wegen der nun drohenden Überflutungsgefahr nunmehr nicht mehr intensiv zu nutzen war, wollte man die Chance nutzen und diesen Bereich zusätzlich ökologisch aufwerten, indem man ihn wieder in seinen ursprünglichen moorartigen Zustand zu versetzen versuchte. Dazu wurde ein Entwässerungsgraben durch eine künstliche Rinne auf die Fläche geführt, wo er endet und dort zu einer dauerhaften und großflächigen Vernässung führt (Abbildungen 2 und 3). Auf diesem Weg sollte der Moorkörper wieder reaktiviert werden und neuer alter Lebensraum für moortypische, aber ehedem verdrängte Arten geschaffen werden.


Die dauerhafte Überstauung und die episodisch komplette Überflutung dieser Moorflächen im Hochwasserfall wirft einige Fragen auf, die im Untersuchungsgebiet exemplarisch untersucht werden können, um so für vergleichbare Moorrenaturierungsprojekte und für weitere Hochwasserretentionsräume einen Erfahrungsschatz aufzubauen. Zentrale Fragestellung der Untersuchung war es, die Veränderung der Grundwasserstände auf dieser Fläche zu dokumentieren. Vor allem war von Interesse, ob sich die Überstauung dieses Bereichs auch auf angrenzende Flächen auswirkt; ob also der Grundwasserstand so stark ansteigt, dass landwirtschaftliche Nutzung auch auf den benachbarten Feldern nicht mehr möglich ist. Natürlich war es darüber hinaus auch interessant zu beobachten, ob Veränderungen im Untergrund zu erkennen sind, dieser sich also in diesem Bereich von den Folgen der früheren Entwässerung erholt und damit eine Umkehr der Absenkung des Moorkörpers erreicht werden kann. Auch war zu erwarten, dass sich verdrängte Flora und Fauna wieder auf dieser Fläche ansiedelt.

Aus all diesen Fragestellungen entwickelten die Forscher der Physischen Geographie an der KU ein auf mehrere Jahre angelegtes Untersuchungskonzept, das durch den Donaumooszweckverband finanziert wird und in erster Linie hydrologische und vegetationskundliche Untersuchungen beinhaltet. Um die aufgeworfenen Fragen beantworten zu können waren umfangreiche Messungen auf dem Baierner Flecken notwendig. Diese wurden mit unterschiedlichsten Methoden durchgeführt, die im Folgenden beschrieben werden sollen.Um etwa die Veränderung des Grundwasserniveaus sowohl im Bereich der überstauten Fläche, als auch die Auswirkungen der Überstauung auf weiter entfernte Bereiche untersuchen zu können, war es nötig ein sehr dichtes Netz an Pegeln einzurichten, das permanent die Grundwasserstände dokumentiert. Insgesamt wurden auf der Fläche 16 Wasserstandspegel installiert (Abbildung 4). Um die Pegel sicher zu verankern, wurden die Pegelrohre mechanisch mit einem Schlagbohrer bis in eine Tiefe von vier Metern bis in die wasserundurchlässigen Schichten unterhalb des Moorkörpers eingeschlagen. Um einen von der Flutung unbeeinflussten Vergleichswert des Wasserstandes außerhalb der Fläche zu erhalten, konnte zusätzlich auf einen Grundwasserpegel des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt in unmittelbarer Nähe zum Projektgebiet zurückgegriffen werden.


Der Hochwasserretentionsraum "Baierner Flecken" war in Folge der Entwässerungsmaßnahmen für ein mooriges Gelände als sehr trocken einzustufen. Diese trockenen Bedingungen wurden durch den Bau des Dammes im Anschluss an den Längenmühlbach und die gleichzeitige Einleitung eines Grabens auf die Fläche grundlegend verändert. Die nun feuchteren Bedingungen in Folge der Grabeneinleitung auf die Fläche sind als deutlicher Ausschlag in den Pegeldaten zu erkennen. Besonders deutlich ist dieser Impuls an den Pegeln in direkter Umgebung um den überstauten Bereich im Mittleren Teil der Fläche zu erkennen. Dagegen zeigen vom Überflutungsbereich entferntere Pegel keinen oder nur einen geringfügigen Anstieg in direkter Folge der Einleitung (Abbildung 5). Eine Beeinflussung der Grundwasserpegel im unmittelbaren Umkreis um die Einleitung war zu erwarten und auch gewollt, allerdings stellte sich im Untersuchungskonzept ja die Frage, inwieweit Pegel in größerer Entfernung von der Überflutung betroffen sind. Aus diesem Grund wurde daher ein Pegel in deutlicher Entfernung vom Überstauungsbereich installiert und betrieben. Genauere Analysen der Grundwasserdynamik zeigten, dass sich die dauerhafte Vernässung der Fläche räumlich sehr beschränkt auswirkt und dass im Wesentlichen nur an den Grundwasserpegeln in direkter Umgebung um die überstaute Fläche ein markanter Grundwasseranstieg zu verzeichnen war.


Auswirkungen durch größere Hochwässer konnten zwar bislang nicht dokumentiert werden, da sich glücklicherweise bislang kein größeres Hochwasser in diesem Bereich ereignete, allerdings wurde im Mai 2007 ein größeres Niederschlagsereignis mit etwa 55 mm/m2 Niederschlag in 24 Stunden und den daraus resultierenden stark erhöhten Grundwasserständen aufgezeichnet. In Abbildung 6 ist zu erkennen, wie sich die Wasserstände auf der Fläche in der Folge dieses starken Niederschlages entwickelten und dass eine partielle Überflutung von Teilbereichen des Baierner Fleckens erfolgte.

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung war der Nachweis einer Verbesserung der Wasserqualität im Ausgang der Fläche. Dies erklärt sich dadurch, dass Moorkörper gute "Wasseraufbereiter" sind, da sie durch die hohe pflanzliche Produktion eine große Menge an Nährstoffen aus dem Wasser herausfiltern. Diese Verbesserung konnte durch detaillierte Analysen der Wasserqualität im Rahmen des Projektes nachgewiesen werden. So verlässt eine geringere Menge an pflanzlichen Nährstoffen wie Nitrat oder Phosphat die Fläche, als über die Zuflüsse in die Fläche eingetragen wird. Solche Retentionsräume können also zur Verbesserung der Wasserqualität beitragen, indem sie Nährstoffe, die beispielsweise über stark gedüngte Ackerflächen eingetragen werden, durch Produktion von Biomasse auf der Fläche binden und so deutlich reduzieren. Die Nährstoffe sind dann zum Teil auch weiterhin in den abgestorbenen Pflanzenresten gebunden, aus denen dann im Laufe der Zeit neues Moor entsteht.


Durch die dauerhafte und episodische Flutung war nicht nur davon auszugehen, dass es zu einer allgemein hohen pflanzlichen Produktion kommt, sondern auch dass es im Untersuchungsgebiet zu einer dauerhaften Veränderung in der Vegetationszusammensetzung kommen wird. Um diesen wichtigen Aspekt zu berücksichtigen, wurden im Laufe des Projektes zwei Vegetationsbestandsaufnahmen auf insgesamt 15 Testflächen durchgeführt. Diese Untersuchungen sollen in den nächsten Jahren regelmäßig wiederholt werden. Gesicherte wissenschaftliche Ergebnisse konnten auf Grund des kurzen Untersuchungszeitraumes durch die bisherigen Untersuchungen noch nicht erzielt werden. Allerdings ist im Bereich der überstauten Fläche eine sehr deutlich sichtbare Veränderung zu verzeichnen. So sind größere Areale nun mit Schilf und anderen überflutungstoleranten Pflanzen besiedelt. Auch die Fauna hat sich die Flächen sehr schnell "zurückerobert". So haben sich in den offenen Wasserflächen Amphibien und eine Vielzahl unterschiedlicher Entenarten angesiedelt. Der reich gedeckte "Amphibien-Tisch" lockt nun sogar regelmäßig ein Storchenpaar an, dem das Gebiet so gut gefällt, dass es in diesem Jahr bei uns überwintert und gar nicht erst den langen Weg in den Süden angetreten hat.


Zwar bleiben nach den ersten zwei Jahren der Untersuchungen noch einige Fragen offen, aber die ersten Ergebnisse im Donaumoos zeigen deutlich, dass sich Hochwasserschutz und ökologische Belange nicht ausschließen, sondern sich in diesem Fall sogar sehr gut ergänzen. Auch die Bevölkerung hat diese Fläche gut angenommen und so ist seit neuestem so mancher Spaziergänger zu Besuch am "Baierner Flecken", um Storch und Co aus nächster Nähe zu beobachten. Der Landrat des Landkreises Neuburg Schrobenhausen Roland Weigert bemerkte im Rahmen einer Sitzung des Donaumooszweckverbande daher auch, dass das "... ein Engagement (ist), das sich nicht schlecht reden lässt". Die Mitarbeiter der Physischen Geographie werden das Projekt weiterhin begleiten, um die neuen Entwicklungen zu dokumentieren und auch noch die offenen Fragen beantworten zu können.


Prof. Dr. Bernd Cyffka hat seit 2005 die Stiftungsprofessur für Angewandte Physische Geographie inne und ist Leiter des Aueninstituts Neuburg/Donau.

Dr. Florian Haas ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Physische Geographie.


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Quelle:
Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 1/2009, Seite 26-28
Herausgeber: Der Vorsitzende der Hochschulleitung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2009