Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - 12.04.2019
Pilzsuche mit Boot und Kescher - 10 faszinierende Fakten zu Pilzen im Wasser
Im Wasser leben Pilze - im klaren Bergsee ebenso wie im tiefen Ozean, sogar im Eis. Dennoch ist kaum eine Organismengruppe so wenig erforscht wie aquatische Pilze. Erst seit wenigen Jahren lassen sich die meisten Arten mittels modernster genetischer Analysen zuverlässig nachweisen und unterscheiden, aber es gibt immer noch einen großen Anteil an "mikrobieller schwarzer Materie". Ein internationales Forscherteam um Hans-Peter Grossart vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat nun die vorhandenen
Informationen zu aquatischen Pilzen zusammengetragen und in der Fachzeitschrift "NATURE Reviews Microbiology" veröffentlicht. Hier sind die faszinierendsten Fakten.
Aquatische Pilze (in Hellblau) siedeln auf einem Dinoflagellaten.
Bild: © Silke Van den Wyngaert
1. Über kaum eine Organismengruppe auf unserem Planeten ist so wenig bekannt wie über Pilze in stehenden Gewässern. Forschende nennen aquatische Pilze auch "mikrobielle schwarze Materie", wenn sie sich im Labor noch nicht anzüchten und vermehren lassen.
2. Aquatische Pilze kommen in allen Gewässertypen vor, in kleinen Pfützen, großen Ozeanen, sogar in Eis und Schnee. Auch im Eis gibt es Inseln von ungefrorenem Wasser, in dem Pilze mithilfe von ausgeklügelten Schutzmechanismen sogenannten Cryoprotektoren überleben und sich sogar vermehren können.
3. Es gibt nur grobe Schätzungen über den Anteil von Pilzen an den Mikroorganismen in den unterschiedlichen Gewässertypen - in Süßgewässern können sie vermutlich bis zu 50 Prozent der Kleinstlebewesen mit Zellkern ausmachen.
4. Pilze besiedeln sogar Plastikpartikel und können zu deren Abbau beitragen. Im Jahr 2012 entdeckten Forschende im Amazonas erstmals einen Pilz, der Kunststoffe zersetzen kann.
5. Aquatische Pilze sind unterschätzte Akteure in aquatischen Nahrungsnetzen.
6. Als Symbionten und Parasiten stehen sie mit anderen Lebewesen im Gewässer in steter Beziehung.
7. Aquatische Pilze spielen eine wichtige Rolle für den Umsatz von Kohlenstoff in Gewässern und produzieren Klimagase wie Kohlendioxid und Methan.
8. Sie sind zusammen mit anderen Kleinstlebewesen ein wichtiger Faktor der "Ozeanischen Kohlenstoffpumpe", da sie das Absinken von organischem Material über Hunderte von Metern bis auf den Meeresboden bewirken. Andere Lebewesen können dieses Material mit Hilfe der Pilze wiederum für ihr Wachstum verwenden - anders wäre das Leben in der dunklen Tiefsee kaum möglich.
9. Aquatische Pilze "kauen vor": Sie schließen die Nährstoffe aus totem Pflanzenmaterial auf und machen sie daher besser für andere Lebewesen im Gewässer verfügbar.
10. Pilze sind im Wasser quasi überall: Selbst aquatische Insekten beherbergen Pilze in ihrem Darm, die ihre Verdauung unterstützen.
Zitat Prof. Dr. Hans-Peter Grossart, Erstautor der Studie:
"Ich gehe gerne Pilze suchen, dann aber mit Boot und Kescher.
Aquatische Pilze sind deswegen so faszinierend, weil sie für uns
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lange Zeit nur schwer
greifbar waren. Erst mit ausgeklügelten genetischen Analysen können
wir nun aquatische Pilze in Gewässerproben detektieren und
identifizieren. Sie sind oft mikroskopisch winzig, aber in ihrer Masse
übernehmen sie wichtige Funktionen im Gewässer: als Nahrungsquelle,
für den Stoffumsatz und damit die Selbstreinigungskapazität von
Gewässern sowie für den globalen Kohlenstoffkreislauf - also auch
dafür, ob Gewässer als Senke oder Quelle von klimarelevanten
Treibhausgasen wirken. Und wer weiß, vielleicht helfen sie in Zukunft
auch im großen Maßstab dabei, Plastik und Mikroplastik in Gewässern
abzubauen."
Über Prof. Dr. Hans-Peter Grossart:
Hans-Peter Grossart leitet am IGB die Forschungsgruppe "Aquatische
mikrobielle Ökologie". Außerdem ist er Professor für "Biodiversität
und mikrobielle Ökologie" an der Universität Potsdam. Sein
Forschungsthema sind die unterschiedlichsten Mikroorganismen im
Gewässer, insbesondere Bakterien und Pilze. Diese tragen
milliardenfach zu wichtigen Ökosystemfunktionen bei, so auch zur
Selbstreinigungskapazität von Gewässern. Hans-Peter Grossart und sein
Team untersuchen wie Umweltbedingungen die mikrobielle Vielfalt sowie
die Um- und Abbauprozesse von Stoffen in Gewässern beeinflussen.
Originalpublikation:
Grossart, H.P., Van den Wyngaert, S., Kagami, M., Wurzbacher, C.,
Cunliffe, M., Rojas-Jimenez, K. (2019) Fungi in aquatic ecosystems.
Nature Reviews Microbiology,
https://doi.org/10.1038/s41579-019-0175-8.
https://www.nature.com/articles/s41579-019-0175-8
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news713960
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1985
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - 12.04.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2019
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