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RECHT/276: Wolfsmanagement in Deutschland (Umwelt Perspektiven)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ

Umwelt Perspektiven
Der UFZ-Newsletter - August 2018

Projekt
Wolfsmanagement in Deutschland

Von Benjamin Haerdle


Die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland ist aus Sicht des Naturschutzes eine Erfolgsgeschichte: Im Jahr 2000 wurde in Sachsen das erste Rudel nachgewiesen. Mittlerweile siedelten sich bundesweit 60 Wolfsrudel, 15 Wolfspaare und drei Einzeltiere an. Das sorgt für Konflikte: Weidetierhalter beklagen tote Schafe, Ziegen und junge Rinder; Jäger monieren, dass der Wolf Reh- und Rotwild vertreibt, und in ländlichen Gebieten fürchten Dorfbewohner um ihre Sicherheit. Die Diskussion kreist deswegen zusehends um die Frage, wann einzelne Wölfe oder gar Rudel geschossen werden dürfen - das rückt den Wolf in den Fokus von Juristen.


Am UFZ beschäftigen sich Umweltrechtler seit einiger Zeit regelmäßig mit dem Wolf. Sie befassten sich zum Beispiel in einem Projekt des Bundesamtes für Naturschutz mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Aufnahme des Wolfs ins Sächsische Jagdrecht und arbeiteten in einem von der Universität Uppsala koordinierten interdisziplinären Forschungsvorhaben zur Ökologie großer Raubtiere mit. Im April stand Umweltjurist Prof. Wolfgang Köck als Sachverständiger dem Umweltausschuss des Deutschen Bundestages in einer öffentlichen Anhörung zum Thema Wolf Rede und Antwort. Immer stärker rückt nämlich derzeit aus juristischer Sicht die Frage in den Mittelpunkt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Wölfe geschossen werden dürfen.

Eigentlich ist der Wolf in Deutschland streng geschützt und darf nicht bejagt werden. Der Schutz basiert auf völker- und europarechtlichen Vorgaben, die mittlerweile auch im deutschen Recht verankert worden sind. Nur unter den sehr engen Voraussetzungen des Bundesnaturschutzgesetzes dürfen einzelne Individuen in Ausnahmefällen getötet werden - etwa wenn der Wolf erhebliche landwirtschaftliche Schäden verursacht oder wenn es zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt sowie im Interesse der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit notwendig ist. Wann konkret eine solche Ausnahmevoraussetzung vorliegt, war lange Zeit nicht näher definiert und führte daher zu Verunsicherungen in der Praxis. Als erstes Bundesland hat Brandenburg Anfang Februar eine Verordnung vorgelegt, die konkret benennt, wann Wölfe zunächst vergrämt oder am Ende gar getötet werden dürfen. Die brandenburgische Verordnung sieht vor, dass die zuständige Naturschutzbehörde im jeweiligen Einzelfall eine Person benennt, die den Abschuss vorzunehmen hat. "Dadurch wird sichergestellt, dass die konkretisierten Abschussregeln nicht eigenmächtig angewendet werden, sondern nur auf der Basis einer behördlichen Verfügung im Einzelfall", erläutert Wolfgang Köck. Solche Abschussmaßnahmen im Einzelfall seien bisher sehr selten. Zudem müsse sichergestellt werden, dass es keine milderen Mittel gibt wie etwa eine Vergrämung, dass sich der Erhaltungszustand der Population in dem betreffenden Staat nicht verschlechtert und dass das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes nicht erschwert wird.

Laut Brandenburger Wolfsverordnung darf ein Wolf getötet werden, wenn er mehrfach in geschützte Weidetierbestände eingedrungen ist. Bereits ein mindestens zweimaliges Eindringen erfüllt den Tatbestand des erheblichen landwirtschaftlichen Schadens. "Das Bundesland will für seine Behörden Rechtssicherheit schaffen, unter welchen Voraussetzungen Wölfe geschossen werden dürfen", sagt Köck. Die Botschaft ist klar: "Die Landesregierung signalisiert, dass sie sich um die Probleme mit dem Wolf kümmert und klare Handlungsanweisungen setzt." Dass Brandenburg nun die Kriterien präzisiert habe, hält er für juristisch sinnvoll. Auch anderswo wird diese Einschätzung geteilt: Bundesländer wie etwa Niedersachsen wollen dem Brandenburger Vorbild folgen und Wolfsverordnungen aufsetzen.

Eine entscheidende Rolle, ob der Wolf in Deutschland auch langfristig eine Heimat findet, spielt die gesellschaftliche Akzeptanz. "Der Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit kommt im heutigen Wolfsmanagement eine zentrale Bedeutung zu, da wir durch die lange Abwesenheit des Wolfes ein Zusammenleben mit dem Tier nicht mehr gewohnt sind", sagt Sophia Liehn, Mitarbeiterin des Kontaktbüros "Wölfe in Sachsen". Fragen, Ängste oder Befürchtungen in der Bevölkerung seien die Folge. "Bricht die Akzeptanz in der Bevölkerung weg, ist der Wolf auf Dauer nicht zu halten", urteilt auch UFZ-Wissenschaftler Wolfgang Köck. Deshalb brauche es nicht nur wirksame und zumutbare Entschädigungsregeln für die Weidetierhalter, die sich nicht erst durch die Rückkehr des Wolfes in einer prekären Lage befinden, sondern auch wirksame Herdenschutzkonzepte und ein effektives Krisenmanagement.

Die Folgen der Rückkehr der Wölfe für die Weidetierhalter hat das Dokumentations- und Beratungszentrum des Bundes zum Thema Wolf zusammengetragen: Rund 3.500 Nutztiere wurden zwischen 2002 und 2016 bundesweit bei Angriffen von Wölfen verletzt oder getötet, 87 Prozent waren Schafe und Ziegen. Mehr als 135.000 Euro zahlten die Bundesländer im Jahr 2016 als Schadensausgleich. Dazu kommen noch etwas mehr als 1,1 Million Euro für Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune, Maschendraht oder den Kauf von Herdenschutzhunden. Allerdings machen Schafe, Ziegen, Rinder & Co. nur einen kleinen Bruchteil des Nahrungsspektrums beim Wolf aus: Aktuellen Untersuchungen des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz zufolge ernähren sich Wölfe in Deutschland zu rund 52 Prozent von Rehen, zu 17 Prozent von Schwarzwild, zu 11 Prozent von Rotwild - und nur zu etwas mehr als einem Prozent von Nutztieren.

Dessen ungeachtet dringt der Ruf, die dynamische Wolfszunahme zu regulieren - zumindest aber etwas gegen verhaltensauffällige Wölfe zu unternehmen - immer lauter nach Berlin. Im Koalitionsvertrag hielt die Bundesregierung deswegen fest, sie werde "die EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können." Und: "Der Bund wird mit den Ländern einen geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln. Dazu erarbeiten wir mit der Wissenschaft geeignete Kriterien für die letale Entnahme."

Ab wann der Wolfsbestand reguliert werden darf oder das Tier in das Bundesjagdgesetz aufgenommen werden soll, wie das etwa der Deutsche Jagdverband fordert, ist nun Gegenstand vieler Diskussionen. Eine zentrale Frage dafür ist, wann der günstige Erhaltungszustand erreicht wird. Gemäß fachlicher Kriterien der Weltnaturschutzorganisation IUCN wird gegenwärtig eine Population von 1.000 erwachsenen Tieren als Minimum genannt. Dabei wird es maßgeblich darauf ankommen, ob allein die mitteleuropäische Flachlandpopulation des Wolfs betrachtet wird oder ob eine ausreichende Vernetzung mit der baltischen Population besteht. Die mitteleuropäische Population zählt rund 150 erwachsene Tiere in Deutschland und weitere 100 in Westpolen, die baltische mehr als 3.000. "Ließe sich mit ausreichender Sicherheit feststellen, dass die Wolfsbestände im Baltikum und die in Mitteleuropa gut vernetzt sind, wird man sich leichter dazu durchringen können, einen günstigen Erhaltungszustand zu erkennen", sagt Wolfgang Köck. Bislang gebe es dazu aber offenbar noch keine gesicherten Erkenntnisse - und so lange dürfen Wölfe weiterhin nur ausnahmsweise geschossen werden.



Prof. Dr. Wolfgang Köck
Leiter des Departments Umwelt- und Planungsrecht

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Quelle:
Umwelt Perspektiven / Der UFZ-Newsletter - August 2018, Seite 14 - 15
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2018

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