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ROHSTOFFE/014: Ressourcen nachhaltig nutzen - Die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Ressourcen nachhaltig nutzen
Die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts

Von Kora Kristof und Peter Hennicke


Ressourcen nachhaltig zu nutzen, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Im MaRess-Projekt wurden Potentiale ermittelt, Politikempfehlungen entwickelt und konkrete Umsetzung vorangetrieben.


Die Entnahme und Nutzung von Ressourcen, die damit verbundenen Emissionen sowie die Entsorgung von Abfällen belasten die Umwelt. Knapper werdende Ressourcen, aber auch hohe und fluktuierende Rohstoffpreise, können außerdem zu starken ökonomischen und sozialen Verwerfungen in allen Ländern der Erde und auch zu Rohstoffkonflikten führen. Eine ineffiziente Ressourcennutzung führt zu Wettbewerbsnachteilen und gefährdet Arbeitsplätze.

Eine Strategie zur Steigerung der Ressourceneffizienz kann diese Probleme begrenzen und wird daher zunehmend zum politischen Top-Thema. Bisher fehlten jedoch konsistente Strategien für eine erfolgreiche Ressourceneffizienzpolitik. Deshalb beauftragten das BMU und das UBA 31 Projektpartner unter Leitung des Wuppertal Instituts mit dem Forschungsprojekt "Materialeffizienz und Ressourcenschonung" (MaRess). Ziel des Projekts war es, die Potentiale zur Ressourceneffizienzsteigerung zu ermitteln, Ressourceneffizienzpolitiken zu entwickeln und deren Wirkungen zu analysieren sowie Umsetzung zu begleiten, Agenda Setting zu betreiben und die Ergebnisse zielgruppenspezifisch zu kommunizieren. Mehr Informationen und Downloads finden Sie zum MaRess-Projekt und seinen Ergebnissen unter: http://ressourcen.wupperinst.org und zum Netzwerk Ressourceneffizienz unter: www.NeRess.de.


Die Chancen: Knappheiten von heute sind Märkte von morgen

Deutschland als ressourcenarmes Land ist in großem Umfang abhängig von Ressourcenimporten - Ausnahme sind nur einige mineralische Rohstoffe. Deutschland ist aber auch ein weltweit führender Exporteur von Ressourceneffizienzlösungen (Produkte und Dienstleistungen), so dass gerade auch die Hersteller von GreenTech immer mehr an Bedeutung gewinnen. Außerdem werden sinkende Ressourcenkosten in Produktion und bei Produkten im internationalen Wettbewerb zunehmend wichtiger.

Kostensenkung in der Produktion: Materialkosten sind heute oft noch ein blinder Fleck in den Unternehmen. Wenn diese Kosten einsparen müssen, wird zunächst meist über die Einsparung von Personalkosten nachgedacht. Seit einigen Jahren rücken zunehmend die Energiekosten in den Fokus vieler Unternehmen. Eine Optimierung über alle Ressourcen haben nur einige Vorreiter im Blick. Dass das Thema Ressourceneffizienz zu unrecht noch nicht genügend in den Betrieben angekommen ist, zeigt ein Blick auf die durchschnittlichen Kostenstrukturen des verarbeitenden Gewerbes im Statistischen Jahrbuch 2008: 2006 lagen die Personalkosten bei ca. 19%, die Energiekosten bei ca. 2% und die reinen Materialkosten bei ca. 43%. Wenn man außerdem berücksichtigt, dass die Potentiale zur betriebswirtschaftlich rentablen Energie- und Materialkostensenkung bei 10 bis 20% der Ressourcenkosten liegen, so erkennt man das große hier noch schlummernde Kostensenkungspotential.

GreenTech-Märkte als interessante Zukunftsmärkte für Binnenmarkt und Export: Die Ressourcenverknappung wird, auch im Vergleich zur früheren Innovationszyklen, eine völlig neue Qualität und Quantität von Basisinnovationen eines natursparenden technischen Fortschritts auslösen (GreenTech). Technische und soziale Innovationen zur Entkopplung von Lebensqualität und Naturverbrauch sind aufgrund der weltweiten Ressourcenknappheiten nicht nur einer der Megatrends der Zukunft, sondern auch Treiber für rasch wachsende Leitmärkte zur Steigerung der Ressourceneffizienz.


Die Politikoptionen: Was kann und sollte die Politik tun?

An den sechs im MaRess-Projekt entwickelten Kernstrategien kann sich die Politik orientieren, um eine erfolgreiche Ressourcenpolitik aufzulegen und die eben vorgestellten Chancen zu nutzen:

Für die Kernstrategie "Aktivierende Institutionen - Schlüssel für eine erfolgreiche Diffusion" werden drei Instrumente vorgeschlagen. Zentral ist erstens ein bundesweites Impulsund Beratungsprogramm Ressourceneffizienz. Dieses wird zweitens gekoppelt mit dem Auf- und Ausbau der Agentur Ressourceneffizienz, die v.a. der Dreh- und Angelpunkt aller Diffusionsaktivitäten in Unternehmen ist. Erfolgreiche Umsetzung braucht nämlich "Kümmerer". Da die Agentur Ressourceneffizienz auf Bundesebene schlank konzipiert werden soll, muss drittens die Umsetzungsbegleitung vor Ort ausgebaut und verbessert werden.

Die Kernstrategie "Innovationen eine Richtung geben - Nachhaltige Zukunftsmärkte für Ressourceneffizienzlösungen" kann verfolgt werden, indem erstens in existierenden Förderprogrammen gezielt neue Schwerpunkte rund um das Thema Ressourceneffizienz etabliert werden. Da Venture Capital für die erfolgreiche Verbreitung im Markt eine wesentliche Voraussetzung ist, sollte zweitens der vereinfachte Zugang zu Venture Capital gefördert werden. Neben der Beschaffung von Venture Capital ist es für Unternehmen außerdem wesentlich, Innovationsprozesse im Unternehmen und in Kooperation mit anderen Unternehmen und Forschungsinstitutionen professionell umsetzen zu können. Dafür wird drittens die Förderung von Innovationsagenten und viertens von ressourceneffizienzorientierten Innovationslaboren vorgeschlagen.

Die Kernstrategie "Ressourceneffiziente Produkte und Dienstleistungen" hat vier Ansatzpunkte, um ressourcensparende Anreizstrukturen zu schaffen, die die Markttransformation unterstützen: erstens die Etablierung dynamisierter Standards und Kennzeichnungspflichten im Rahmen der Erweiterung der EU-Ökodesign-Richtlinie auf alle Ressourcen, zweitens daran direkt anschließend die Unterstützung eines ressourceneffizienzorientierten Produktdesigns, drittens die Einführung einer Primärbaustoffsteuer nach englischem Modell und viertens ein Hybrid Governance Modell, das Selbstregulierung und Wissensgenerierung in Wertschöpfungsketten mit ordnungsrechtlichen Ansätzen kombiniert mit dem Ziel, den Sekundärressourcenanteil seltener Metalle in Neuprodukten zu erhöhen.

In der Kernstrategie "Anreize für Ressourceneffizienzlösungen über die Finanzwirtschaft" soll eine Enquete-Kommission "Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit im Finanzsektor" das Thema Ressourceneffizienz im Finanzsektor erschließen, das derzeit kaum eine Rolle spielt. Außerdem sollen Ressourcenbezogene Key Performance Indikatoren (R-KPI) entwickelt und eine entsprechender Datenbasis aufgebaut werden, die das Thema Ressourcen für die Entscheidungsroutinen in der Finanzwirtschaft handhabbar machen (z.B. für Risikomanagement und Kreditvergaberegeln). Die R-KPI sollten auch für Finanzaufsicht und Unternehmensreporting genutzt werden.

Die staatliche Nachfrage kann über ihr beträchtliches Marktvolumen zielgerichtet Signale für die Marktentwicklung setzen, wenn sie die Nachfrage nach ressourceneffizienten Produkten und Dienstleistungen steigert und die Entwicklungs- und Vermarktungsrisiken senkt. Die Kernstrategie "Staat als Nachfrager und Bereitsteller von Infrastrukturen" verfolgt deshalb drei Ansatzpunkte. Erstens soll nur noch auf Basis der Lebenszykluskosten eingekauft werden. Zweitens setzt eine Bündelung der staatlichen Nachfrage nach innovativen Produkten einen Anreiz für Unternehmen, besonders ressourceneffiziente Lösungen neu zu entwickeln, da das Risiko durch eine garantierte Mindestabnahmemenge sinkt. Die öffentlich bereitgestellten oder gesteuerten Infrastrukturen sind oft ressourcenintensiv; deshalb ist es drittens wichtig, ihren Bau und Unterhalt vor dem Hintergrund der Ressourceneffizienzsteigerung zu optimieren.

Über die Kernstrategie "Veränderung in den Köpfen" sollen erstens (zukünftige) Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Verbänden, Politik und Wissenschaft über das Thema Ressourceneffizienz informiert und zum Handeln und Umsetzen motiviert werden. Zentral ist dabei eine Ressourceneffizienzkampagne, für die im Rahmen de MaRess-Projekt eine umsetzungsreife Konzeption entwickelt wurde. Qualifizierungsangebote schaffen zweitens die Basis, dass Ressourceneffizienzsteigerungen erfolgreicher und mit weniger Aufwand umgesetzt werden können. Der Fokus sollte zunächst auf der Weiterqualifizierung von Berater/-innen liegen, auf der Etablierung einer "Virtuellen Ressourcenuniversität" und auf der Entwicklung von Lehr-/Lernmaterialien für Schulen.

Tabelle: Handlungsoptionen zu Konsumentscheidungen, Nutzen, Kaufen und Entsorgen aufgeschlüsselt nach den Bereichen: Bedarfe hinterfragen, bewußt kaufen, sparsam verbrauchen, länger nutzen, rückführen -Quelle: Kristof/Süßbauer 2009

Die Handlungsoptionen: Was kann jeder einzelne tun?

Damit Verbraucher/-innen ressourceneffizienter und -sparender konsumieren können, müssen sie ihre Handlungsoptionen kennen und auch motiviert sein, ihr Verhalten daran auszurichten. Im Bereich Energie gibt es zahlreiche Leitfäden, Broschüren und Internetangebote, die viele Tipps zum Energiesparen anbieten. Für Ressourceneffizienz in der ganzen Breite gab es zu Beginn des MaRess-Projekts auf der Ebene der Konsument/-innen noch keine vergleichbare Wissensund Handlungsbasis. Ziel war es deshalb, Handlungsoptionen zur Steigerung der Ressourceneffizienz für den Konsumalltag zu identifizieren. Die wichtigsten Strategien sind in der Tabelle zusammengefasst; außerdem wurden im MaRess-Projekt viele konkrete Vorschläge zusammengetragen, was jeder Einzelne tun kann.


Kora Kristof ist Programmleiterin und Leiterin des forschungsgruppenübergreifenden Themenbereichs "Materialeffizienz und Ressourcenschonung".
Peter Hennicke ist emeritierter Professor und früherer Präsident des Wuppertal Institutes und arbeitet mit diesem weiterhin z.B. im Themenbereich "Ressourceneffizienz" zusammen.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 12-13
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2011