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STRAHLUNG/079: Freiburger Forscher entwickeln neue Messgeräte für Radioaktivität (uni'leben - Uni Freiburg)


uni'leben - 03/2011
Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Mehr messen, mehr verstehen
Freiburger Forscher entwickeln Strahlenmessgeräte, um Menschen besser vor Radioaktivität zu warnen

von Annette Kollefrath-Persch


Radioaktivität ist nicht gleich Radioaktivität: "Bei Jod oder Cäsium sind die Reichweite und die schädliche Wirkung der Strahlung sehr verschieden", sagt der Physiker Dr. Michael Fiederle vom Freiburger Materialforschungszentrum. "Daher ist es erforderlich, die Energie zu bestimmen und die Art der in der Luft vorhandenen Strahlung zu identifizieren." Das hat sich Fiederle mit seinem Team zur Aufgabe gemacht: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ein Messgerät entwickelt, das die Energie der Strahlung anzeigt. Das Bundesamt für Strahlenschutz installiert es jetzt deutschlandweit.

Die Auswirkungen von radioaktiver Strahlung auf die Gesundheit nimmt der Mensch erst wahr, wenn es zu spät ist. Die Reaktorunglücke im ukrainischen Tschernobyl und im japanischen Fukushima haben gezeigt, wie wichtig es ist, radioaktive Materialien in der Luft, zum Beispiel Isotope von Jod oder Cäsium, unterscheiden zu können: Gelangen diese Teilchen in den Körper, zerfallen sie dort und geben die dabei entstehenden Strahlen an das Gewebe ab. Dadurch können Zellbausteine zerstört und das Erbgut angegriffen werden. Während radioaktives Jod über einen kürzeren Zeitraum vor allem die Schilddrüse schädigt, in der es sich absetzt, kann Cäsium über eine längere Zeit alle Organe beeinflussen. Bisherige Messgeräte zeigen nur an, ob und in welcher Stärke Radioaktivität in der Luft über Deutschland zu messen ist. Die einzelnen Materialien können sie nicht unterscheiden. Die neuen Messgeräte ermöglichen es, die Art der Gefährdung schnell zu erkennen: "Dadurch können Schutzmaßnahmen besser geplant und umgesetzt werden."


Detektorentest auf dem Schauinsland

Mit seinen Mitarbeitern der Servicegruppe "Materialcharakterisierung & Detektortechnologie" entwickelt Fiederle in einem Forschungsprojekt zusammen mit dem Bundesamt für Strahlenschutz Sensoren und die erforderliche Elektronik: so genannte Gammastrahlen-Multi-Channel-Analyzer. Die Sensoren und die Elektronik können zu kompakten Systemen verbaut werden. "Unsere Geräte ermöglichen energieauflösende Messungen mit hoher Genauigkeit", erklärt Fiederle den Vorteil gegenüber bisherigen Detektoren. "Damit können wir die Strahlenquelle beziehungsweise das radioaktive Isotop, zum Beispiel Jod oder Cäsium, eindeutig identifizieren." Dazu werden die radioaktiven Zerfälle nicht nur aufgenommen wie bei einem Geiger-Müller-Zählrohr, sondern anhand ihrer Energie registriert. Diese ist charakteristisch für das zerfallende Ausgangsmaterial. Die Geräte benötigen keine aufwendige Kühlung und sind als kompakte Instrumente nahezu überall einsetzbar.

Zunächst testet das Bundesamt für Strahlenschutz die neuen Detektoren auf dem Schauinsland im Schwarzwald. Danach werden sie in sein deutschlandweites Netzwerk von Messsonden integriert. Bereits jetzt kann die Gammastrahlung, eine Form der Radioaktivität mit sehr großer Reichweite, jederzeit im Internet abgefragt werden. Bisher wird nur die Dosis gemessen, doch mit den Geräten aus Freiburg wird eine genauere Identifizierung des radioaktiven Ausgangsmaterials möglich sein.

Radioaktivitätsmessnetz des Bundesamts für Strahlenschutz: http://odlinfo.bfs.de/


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Das Bundesamt für Strahlenschutz misst jeden Tag die Dosis von Gammastrahlen (ODL) in ganz Deutschland. Die Werte werden in der Einheit nSv/h (nanoSievert pro Stunde) angegeben. Bis zu 170 nSv/h gelten als natürlich. Die neuen Messgeräte können genauere Ergebnisse angeben und die Strahlung zum Beispiel in Jod oder Cäsium unterscheiden.Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz


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Quelle:
uni'leben - 03/2011, Seite 5
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer
Redaktion: Eva Opitz (Redaktionsleitung),
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2011