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UNO/192: Halbzeitbilanz der deutschen CBD-Präsidentschaft (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009

Viel bleibt noch zu tun
Halbzeitbilanz der deutschen CBD-Präsidentschaft

Von Günter Mitlacher


Halbzeit in dem zweijährigen Turnus unter der deutschen Präsidentschaft der Konvention zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity - CBD), die vom Mai 2008 bis zum Oktober 2010 dauert. Dann übernimmt Japan auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz den Staffelstab.

Mit der "Bonn Agenda" hat die Bundesregierung wichtige Themen gesetzt, die sie während der Präsidentschaft zum Erfolg bringen wollte. Auch wenn schon einiges erreicht wurde, bleibt doch viel zu tun, wie im Folgenden anhand ausgewählter Themen gezeigt wird.


Access and Benefit Sharing

"Das ABS-Regime rechtzeitig für die Annahme durch die 10. Vertragsstaatenkonferenz fertig zu stellen, ist die Hauptaufgabe der deutschen CBD-Präsidentschaft," betonte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zum Abschluss des Ministersegments am 30. Mai 2009 in Bonn. Wir erinnern uns, dass die 9. Vertragsstaatenkonferenz der CBD (COP 9) einen Zeitplan bis 2010 beschloss, um einen Rechtstext für ein ABS-Regime zu erarbeiten. Die Fortschritte auf der COP 9 waren insgesamt recht mager: drei Arbeitsgruppensitzungen wurden beschlossen. Dort sollte intensiver über Inhalte verhandelt werden, die auf der COP 9 zu kurz kamen.

Eine der drei ABS-Arbeitsgruppen fand vom 2. bis 4. April 2009 in Paris statt. Bei der Frage des Anwendungsbereichs der zukünftigen ABS-Regelung (sog. "scope") entbrannte sofort eine heftige Debatte zwischen Biologen, Landwirten und Gesundheitsschützern. Für jeden Biologen ist es unzweifelhaft, dass unter biologische und genetische Ressourcen prinzipiell alle Lebensformen auf der Erde fallen, gleich ob wir sie für nützlich oder schädlich halten, ob sie Kulturformen oder Wildformen sind. Es sollten alle Kulturpflanzen und Tierrassen ausgenommen werden mit dem Argument, dafür bestünden bereits eigene rechtliche Regelungen. Und auch die Gesundheitsschützer, allen voran das Bundesgesundheitsministerium, kamen unerwartet zur ABS-AG und forderten, dass alle "Pathogene" vom ABS-Regime verschont bleiben sollten. Der Zugang zu allen auftretenden Krankheitserregern müsse frei und unbeschränkt, also ohne "prior informed consent", möglich sein, um Impfstoffe oder Antibiotika produzieren zu können. Auch ein "benefitsharing" käme für die segensreiche Pharmaindustrie nicht in Frage!

Andersherum wird aus NGO-Sicht ein Schuh draus, um ein ABS-Regime nicht von vornherein zu durchlöchern. Alle biologischen Ressourcen müssen unter eine ABS-Regelung fallen. Für landwirtschaftlich genutzte und gesundheitsrelevante biologischen Ressourcen könnte man Ausnahmeregelungen zulassen, aber eine Generalklausel sei nicht akzeptabel.

Zwischenzeitlich haben sich die Verhandlungen an diesen Details festgefressen und die deutsche Präsidentschaft ist durch die interne Spaltung von einer konstruktiven Rolle weit entfernt.


Das Schutzgebietsprogramm und die LifeWeb-Initiative

Um das sog. 2010-Ziel zu erreichen, den Verlust an biologischer Vielfalt bis zum nächsten Jahr drastisch zu reduzieren, sind ein verbessertes Management bestehender Schutzgebiete und die Ausweisung zusätzlicher Schutzgebiete unerlässlich, um die Lücken im globalen Netz zu schließen. Die auf der COP 9 von Deutschland gestartete LifeWeb-Initiative soll diesen Zielen dienen und die Umsetzung des Arbeitsprogramms voranbringen.

Der Beginn der Initiative verlief sehr schleppend. Inzwischen zeigen über 60 Länder Interesse und haben Vorschläge zur Finanzierung von Schutzgebieten im Umfang von 460.000 km? eingereicht.

Hauptfinanzier von LifeWeb-Projekten ist bislang Deutschland mit rund 40 Mio. EUR in 2008 und 2009 aus Mitteln der Internationalen Klimaschutzinitiative des BMU. Auch das BMZ nutzt, die von Merkel bei der COP 9 zugesagten Gelder, für Schutzgebietsprojekte unter LifeWeb im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Im Jahr 2008 standen 170 Mio. EUR und in 2009 rund 210 Mio. EUR für den Wald- und Biodiversitätsschutz bereit.

Ungenügend ist die Bilanz, weitere Geldgeber für die LifeWeb-Projekte zu gewinnen. Nur Spanien hat noch 5 Mio. EUR eingezahlt. Seit Mai hat das CBD-Sekretariat, gefördert vom BMU, die Organisation der LifeWeb-Plattform übernommen und das Koordinationsbüro eingerichtet. Erst fünf neue Projektvorschläge für die Finanzierung von Schutzgebieten liegen dem Büro vor, zu wenig angesichts der großen Aufgaben des CBD-Schutzgebietsprogramms (siehe Internetseite http://www.cbd.int/lifeweb). Hier muss sehr viel stärker für neue Projekte und um zusätzliche Geldgeber geworben werden.


Neue finanzielle Ressourcen

"Wir werden uns weiterhin anstrengen, neue und innovative Finanzierungsmechanismen auf allen Ebenen einzurichten." Diesen Ankündigungen des COP-Präsidenten Sigmar Gabriel hat die Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wenn allein für ein weltweites Schutzgebietssystem zu Land und auf den Meeren rund 30 bis 40 Milliarden EUR pro Jahr erforderlich sind, wird unter der LifeWeb Initiative gerade einmal 1% aufgebracht. Rechnet man die erste Tranche der Merkel-Millionen des BMZ aus 2008 dazu, kommt man auf 5%. Ab dem Jahr 2013, wenn 500 Mio. EUR jährlich dem Wald- und Biodiversitätsschutz zur Verfügung steht, steigert sich der Anteil auf über 10%. Dies sind beachtliche Verbesserungen, die aus den Verkaufserlösen des Emissionshandels generiert werden.

Im Vergleich mit anderen Industrieländern nimmt Deutschland damit eine Spitzenstellung ein. Andere Länder, z.B. aus dem Kreis der G 8, sollten von der Bundesregierung aufgefordert werden, Zusagen in ähnlichen Größenordnungen zu machen.

Der Autor arbeitet beim WWF Deutschland zur CBD-Politik.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009, S. 35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2009