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VIELFALT/163: Schutz der biologischen Vielfalt - Deutschland muß mehr tun (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 1/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Schutz der biologischen Vielfalt
Deutschland muss mehr tun

Von Ulrike Mehl


Noch bis Oktober trägt Deutschland ganz offiziell internationale Verantwortung für den Schutz der biologischen Vielfalt: weil es der dafür zuständigen UN-Konvention vorsitzt. Eigenständig dagegen kann die Bundesregierung handeln, wo es unsere heimische Vielfalt zu bewahren gilt.

Am 11. Januar eröffnete Angela Merkel mit einem Festakt das Jahr der Biodiversität. Ihre Rede begann die Bundeskanzlerin mit den Worten, dass die biologische Vielfalt in gleichem Maße Schutz bedürfe wie unser Klima und eine sofortige Trendwende - weg von der Naturzerstörung - nötig sei. Das Tempo des Artenverlustes sei beängstigend. Solche Worte aus dem Munde der deutschen Regierungschefin sollten zu rasendem Applaus und stehenden Ovationen führen; tatsächlich regte sich keine Hand im Saal. Auch als Umweltminister Norbert Röttgen betonte, dass hier nicht etwa ein Luxusthema verhandelt würde, sondern schlicht unsere Existenz, blieb das Echo im Berliner Naturkundemuseum verhalten. Warum nur?


Tragweite noch nicht erkannt

Früher erreichten Umweltthemen kaum die Spitze der Politik. Heute befassen sich Staatschefs weltweit mit dem Schwund der natürlichen Vielfalt. Kaum irgendwo aber ist Bereitschaft zu erkennen, endlich zu handeln. Noch wird vor allem Verantwortung verschoben und die sich verschlechternde Situation beklagt. Damit gleicht die Weltgemeinschaft einer Familie, die sich in der Küche versammelt hat, um zu diskutieren, wie dieser Raum mit neuen Möbeln bestückt werden soll - und, als aufgeregt ein Nachbar hereinkommt und »Feuer! Auf eurem Dach!« ruft, den Jüngsten losschickt, um mit einem Eimer Wasser zu löschen.

Es hat keinen Sinn, immer nur zu beklagen, dass das UN-Ziel, den Artenrückgang bis 2010 zu stoppen, nicht erreicht wird - auch in Deutschland nicht. Warum wird es denn verfehlt? Und wie können wir die Ursachen beseitigen? Gefragt sind Anreize sowie zielgerichtete Gebote und Verbote. Konsequent handeln muss die Politik - und daran fehlt es bisher.

Laut Bundesumweltministerium sind heute 72 Prozent der in Deutschland beschriebenen Lebensraumtypen bedroht: weil wir sie versiegeln und zerschneiden; weil wir Felder und Wälder immer intensiver nutzen; weil wir unsere Gewässer fortschreitend verbauen; weil zu viele Schadstoffe ins Freie entweichen; und weil wir dabei sind, unser Klima irreversibel zu verändern. Nach den Handlungsfeldern muss also nicht gesucht werden, sie liegen offen auf dem Tisch.


Was muss passieren?

Konkret heißt das: Deutschland muss zum Schutz seiner natürlichen Vielfalt

die weitere Zerschneidung von Landschaften auf ein Minimum reduzieren;
den Ablasshandel beenden, wie er im Naturschutzrecht installiert ist: Natur zerstören darf demnach, wer für einen finanziellen Ausgleich sorgt;
darauf achten, dass seine Fließgewässer durchgängig bleiben oder wieder werden;
seine Moore schützen und nach Möglichkeit wiederherstellen; o seine Landwirtschaft insgesamt ökologisch gestalten, und dies nicht nur in Nischenbereichen;
mindestens fünf Prozent seines Waldes aus der Nutzung nehmen; dies gilt vorrangig für den öffentlichen Wald, der gesetzlich dem Gemeinwohl verpflichtet ist.

In unserer rundum ökonomisch ausgerichteten Gesellschaft hat nur Bedeutung, was als wirtschaftlich wertvoll gilt. Dabei laufen wir Gefahr, den privaten Wohlstand gegenüber dem gesellschaftlichen überzubewerten. Ganz falsch - nämlich viel zu gering - gewichten wir unser natürliches Kapital. Das internationale Jahr der Biodiversität soll den Blick dafür schärfen, dass wir die weitere Zerstörung unserer Lebensgrundlagen im eigenen Überlebensinteresse beenden müssen. Erst wenn das gelungen ist, wird die Weltfamilie endlich schweres Löschgerät mobilisieren, um den Brand im Dachstuhl zu löschen.

Deutschland kann und muss dazu seinen Beitrag leisten. So sollte die Bundesregierung mit Blick auf die nächste UN-Versammlung zur Biodiversität (ab dem 18. Oktober in Japan) ihre Zusage für die Finanzierung eines globalen Netzes von Schutzgebieten einlösen und für einen gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen eintreten.

Ulrike Mehl
... ist stellvertretende Vorsitzende des BUND.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Mit Mahntafeln wies der Bund Naturschutz am Rande des GEOTags der Artenvielfalt auf bedrohte Arten hin.


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Quelle:
BUNDmagazin 1/2010, S. 20
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2010