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WALD/026: Internationales Jahr der Rohstofflager? - Entwurf zur "Waldstrategie 2020" (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 161 - April/May 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Internationales Jahr der Rohstofflager?
Entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur "Waldstrategie 2020"

Von Felix Eick


Der Wald sei "Erholungsraum, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Klimaregulator, Trinkwasser-und Luftfilter, und vieles mehr", so steht es in der Einleitung des Entwurfes der "Waldstrategie 2020 - Nachhaltige Waldnutzung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung". Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) heißt es, man entwickle die 2005 von Ilse Aigners (CSU) Vorgängerin Renate Künast (Grüne) eingebrachte "Charta für Holz" weiter. Das ist nicht gelungen.

Leider ist es eigentlich bei jeder Aufzählung so, dass die "Erhaltung der Produktionsgrundlagen und Sicherstellung der Rohstoffversorgung" vor den wichtigeren Themen "Klimaschutz durch Erhaltung der Kohlenstoffspeicher im Wald und Substitution von energieintensiven Materialien durch Holzverwendung" oder "Klimaschutz durch verstärkte Nutzung von Holz als erneuerbarer Energieträger" und vor allem der "Erhaltung der biologischen Vielfalt" zur Sprache kommt. An dieser Stelle sind Arbeitsplätze eindeutig zweitrangig. Was will ein Förster ohne Wald? Erst sollte man den Wald schützen, dann den Förster! Das zeigt die Prioritätensetzung des BMELV.

Am "Entwurf zur Waldstrategie 2020" arbeiteten viele gesellschaftliche Institutionen aus den Bereichen Naturschutz, Holz-, Energie- und Forstwirtschaft und Landesvertreter. Der Entwurf stellt die Ergebnisse von vier Symposien dar. Vor etwa einem Jahr fand das letzte Symposium statt. Man beschäftigte sich mit der Frage, wie ein "Zukunftswald" aussehen könne, "der die vielen Erwartungen, die wir zukünftig an ihn haben, bestmöglich erfüllt". Das nun vorliegende, 27 Seiten starke Werk wird dieser Komplexität und diesem hohen Anspruch nicht gerecht.


Der Wald ist das Opfer

Immer wieder wird der Wald als "Rohstoffgrundlage für eine leistungsfähige Holzwirtschaft" beschimpft. "Rohstoffmangel" könne "zum Abwandern von Nadelholzsägewerken, Holzwerkstoff- und Zellstoffbetrieben führen". Eine Gefährdung von Wirtschaftskraft sei zu befürchten. Da kommen einem die Tränen. Die wirtschaftliche Nutzung des Waldes im "Entwurf zur Waldstrategie 2020" steht viel zu sehr im Vordergrund. Auch deshalb lautet das Motto der Umweltverbände "Schutz und nachhaltige Nutzung" statt "Schutz durch Nutzung", wie es das Aigner-Ministerium plakatiert.

Es erscheint nahezu makaber, wenn das BMELV behauptet und verdreht, dass der Wald und die Forstwirtschaft der Klimaveränderung ausgesetzt seien. Das ist richtig, aber die Aussage hat kaum eine Relevanz im Vergleich zur Umkehrung. Die bestehende Forstwirtschaft hat schließlich auch beträchtlichen Einfluss auf das Klima.

Es wird tatsächlich behauptet, dass durch eine "Steigerung der Produktivität der Wälder (...) ein wesentlicher Beitrag zur (...) Stabilität der Wälder geleistet werden" könne. Das ist ungeheuerlich, denn am besten hilft sich die Natur immer noch selbst. Nur weil der Mensch die Wälder mehr ausbeutet, geht es dem Ökosystem Wald nicht besser!

Ohne Frage ist es an der einen oder anderen Stelle notwendig, als Mensch einzugreifen. Gemeint ist vordergründig die Jagd. Die Wildbestände nehmen zu und damit auch die Wildschäden. Das ist nun aber sehr vereinfacht dargestellt. Deshalb fordern die Umweltverbände eine Lösung des "Wald-Wild-Konflikts (...) durch ein ganzes Bündel von rechtlichen, behördlichen, waldbaulichen, jagdtechnischen, informellen und politischen Vorgaben". Der im Entwurf skizzierte Ansatz ist nicht ganzheitlich genug.


Positives gibt es

Begrüßenswert ist die Forderung nach einer "Mindestpräsenz gut ausgebildeter Fachkräfte". Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass die Fachleute nicht in Bezug auf Ertragssteigerung, sondern Erhaltung von Biodiversität ausgebildet werden. Der Erhalt von Buchen- und Mischwäldern ist hier die zentrale Aufgabe. Gerade in punkto Mischwälder ist der Waldumbau ein primäres Handlungsfeld.

Richtig ist außerdem die Unterscheidung zwischen Wäldern und Kurzumtriebsplantagen (KUP). Das BMELV schlägt vor, "außerhalb des Waldes" KUP anzulegen, um die energetische Holzversorgung zu verbessern. Hierbei ist dringlich zu beachten, welche Flächen dem Holzanbau zum Opfer fallen. Auf die ökologische Vernunft der Forstwirtschaft sollte man hier nicht setzen, wenn man sie nicht gerade, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium selbst, als "Naturschützer im Wald" versteht.

Zu Recht will man nicht auf Holzimporte setzen. Man könne vielmehr die Nutzung von Landschaftspflegeholz verstärken. Hier gibt es insbesondere energetisch noch Potenzial, das man aber auch nicht überschätzen sollte.


Meinungen zur Strategie

Hier kann mit den Bauern, von denen laut Deutschem Bauernverband (DBV) auch die Hälfte Wald besitzt, zusammengearbeitet werden. Denn die Haltung des DBV ist bedenklich: " Moderne Waldwirtschaft ist der beste Waldnaturschutz", prangt es über der Pressemitteilung des DBV.

Auch die FDP freut sich über die Wirtschaftsnähe der Waldstrategie. Man wolle eine "ausgewogene Balance" und wolle "die Nutzungsansprüche der Gesellschaft" wahrnehmen, erklärt die Sprecherin für Forstpolitik, Happach-Kasan. Die Gewichtung zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Exploration ist nicht ausgewogen, und wer sichert dem Menschen einen rechtlichen Nutzungsanspruch zu? Auch die Formulierung des "effiziente[n] Naturschutzes" ist schon in sich widersprüchlich!

Treffender ist da die Stellungnahme der Umweltverbände DNR, BUND, Greenpeace, NABU und WWF. Ilse Aigner (CSU) degradiere "den Wald zum reinen Rohstofflager". Brigitte Behrens, die Greenpeace-Geschäftsführerin, wird deutlich: "Frau Aigner spricht von Klimaschutz, opfert aber gleichzeitig den wichtigen CO2-Speicher Wald dem Energie- und Rohstoffhunger der Industrie".

Die Redakteure der Zeitschrift "Naturschutz und Landschaftsplanung" (nul) sprechen von einem "peinlichen Konzept", und das im "Internationalen Jahr der Wälder". Zudem fordern sie, dass es eine völlig neue Waldstrategie geben solle, die das Bundesumweltministerium anfertigen solle.

Immer wieder erscheint im Entwurf der "Waldstrategie 2020" sehr Unkonkretes und Pauschales. Beispielhaft ist der mehrmals auftauchende Hinweis, dass auftretende Konflikte "aufgelöst werden" müssen. Man fragt sich, wie das geschehen soll. Überhaupt enthält der Text viele sehr vernünftige Sätze und Absätze, jedoch sind diese nicht mit Maßnahmen gefüttert und somit nicht glaubwürdig.

Der letzte Satz des vorläufigen Entwurfes treibt es auf die Spitze: Die Bundesregierung setze "den Entwicklungsrahmen, der unseren Nachkommen den existenziellen Lebensraum 'Wald' in seiner ganzen Vielfalt, Schönheit und Leistungsfähigkeit" erhalte. Um dieser Aussage seine Berechtigung zu geben, muss aus dem wirtschaftsnahen Entwurf der "Waldstrategie 2020" eine nachhaltige Strategie werden.

www.wlad2011.de
www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/pdf_neu/Waldstrategie_2020_10_Punkte_NGOs.pdf

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:


Hier sieht es wie im Entwurf nach Rohstofflager aus

Naturschutz muss Vorfahrt haben


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 161 - April/Mai 2011
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2011