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VERKEHR/1081: Werden Mittel- und Niederrhein tiefergelegt? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1089, vom 22. Aug. 2016 - 35. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Werden Mittel- und Niederrhein tiefergelegt?


Seit 2013 liegen die Verkehrsminister in den Bundesländern am Rhein dem Bundesverkehrsminister in den Ohren, dass die Schiffbarkeit auf dem Mittel- und Niederrhein dringend verbessert werden müsse. Alle ihre Wünsche zu einem Ausbau von Verkehrs-Trassen haben die Länderverkehrsminister in eine "Düsseldorfer Liste" gepackt - und in der Liste wird u.a. gefordert, zur "Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Rheinachse" die Abladetiefe am Mittelrhein von derzeit 1,90 Meter auf 2,10 Meter zu verbessern. Am Niederrhein soll die Abladetiefe" für die Binnenschiffe gar von 2,50 auf 2,80 "optimiert" werden. Da die Mosel auf Grund ihrer Kanalisierung ganzjährig einen Tiefgang von drei Metern und der südliche Oberrhein mit seinen zehn Staustufen bis zu vier Meter Tiefgang bietet, stellen Mittel- und Niederrhein in den Augen der Länderverkehrsminister einen Engpass dar.

Die geforderten Maßnahmen in der "Düsseldorfer Liste" haben jetzt Eingang sowohl in den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans als auch in das "Nationale Hafenkonzept" (s. weiter unten) gefunden. Allerdings findet sich im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans die geforderte "Abladeoptimierung" am Niederrhein nur noch in abgespeckter Form. Im Bundesverkehrsministerium hält man eine durchgehende "Optimierung" der Abladetiefe am Niederrhein von der deutsch-niederländischen Grenze bis hoch nach Koblenz von 2,50 auf 2,80 für illusorisch. Der Schwerpunkt möglicher Maßnahmen müsse auf der Sohlstabilisierung liegen. Denn das große Problem der Niederrheinstrecke sei die kontinuierliche Sohleintiefung - bis hin zur Gefahr des Sohldurchschlags.

Ein Sohldurchschlag droht dann, wenn sich der Fluss so tief in sein vergleichsweise stabiles Bett (Quartär) eingräbt, dass das darunterliegende Lockermaterial (Tertiär) ausgeräumt werden kann. Die fortschreitende Sohleintiefung rührt daher, dass aufgrund der zahlreichen Staustufen an Hoch- und Oberrhein, an Mosel und Main kein natürlicher Geschiebetransport mehr erfolgt. Und wenn kein Kies und Sand "von oben" kommt, beginnt die Strömung des Rheins das eigene Flussbett auszuräumen.

"Düsseldorfer Liste": Sprechen Länderverkehrsminister mit Länderumweltministern?

Im Bundesverkehrsministerium hatte man letzthin ein Aha-Erlebnis, als man den "Wasserdirektoren" der rheinanliegenden Bundesländer die geplanten Maßnahmen zur "Optimierung" der Abladetiefen an Mittel- und Niederrhein zu erläutern versuchte. Die Abteilungsleiter Wasserwirtschaft in den Länderumweltministerien hatten teilweise gar keine Ahnung von dem Begehren der jeweiligen Länderverkehrsminister, den Mittel- und Niederrhein tieferzulegen. Seither rätselt man im Bundesverkehrsministerium, wie es wohl um die Kommunikation zwischen den Umwelt- und Verkehrsministerien der rheinanliegenden Bundesländer bestellt ist. Uns ist zudem aufgefallen, dass neben den SPD-Verkehrsministern auch zwei grüne Länderverkehrsminister die "Düsseldorfer Liste" mittragen: Winfried Herrmann, Verkehrsminister in Stuttgart, und Tarek Al Wazir, Verkehrsminister in Wiesbaden, hatten offenbar gegen die Radikalmaßnahmen an Mittel- und Niederrhein nichts einzuwenden gehabt.

Tieferlegung von Mittel-und Niederrhein nur in Maßen

Im Bundesverkehrsministerium (BMVI) hat man deshalb für den Niederrhein als Kompromiss verschiedene mildere Varianten im Vergleich zu einer durchgängigen "Abladeoptimierung" von 2,80 Meter bis Koblenz untersucht. Als denkbar hat man im BMVI beispielsweise ein gestuftes Konzept mit einer Fahrrinnentiefe von 2,80 m bis Neuss, von 2,70 m bis Stürzelberg (bei Dormagen) und von 2,60 m bis Köln eingestuft. Untersucht wurde auch ein Spektrum von unterschiedlichen Fahrrinnentiefen durchgehend bis Köln von 2,60 m, 2,70 m und 2,80 m. Eine durchgehende Fahrrinnenanpassung von 2,80 m bis Koblenz wurde für den Bundesverkehrswegeplan 2015 erst gar nicht mehr untersucht. Für den Mittelrhein ist geplant, auf 50 km Länge nicht die ganze Sohle abzufräsen. Es sollen »nur« einzelne "Störstellen" - also in die Schifffahrtsrinne reichende Felsspitzen - beseitigt werden. Selbst bei diesen punktuellen Eingriffen müsse man sehr darauf bedacht sein, dass die Sohle nicht zu "glatt" wird. Denn wenn die Rauigkeit des Flussbettes nicht erhalten bleibt, wird der Abfluss beschleunigt - und der Wasserstand würde sich wieder erniedrigen. Für die Binnenfrachtschifffahrt auf der "Gebirgsstrecke" zwischen Mainz und St. Goar wäre dann gar nichts gewonnen. Deshalb werden Maßnahmen zur Anhebung des Wasserstandes auf der Mittelrheinstrecke untersucht. Durch Buhnen und Längsbauwerke könnte man den Wasserspiegel soweit anheben, dass die Schiffe über die "Störstellen" »gehoben« werden. Die Wasserspiegelanhebung hätte nach Meinung des BMVI auch positive Effekte für die Flussökologie: Hinter den Längsbauwerken könnte der schifffahrtsbedingte Wellenschlag nicht mehr seine zerstörerische Wirkung entfalten.

Bisherige Erfahrungen mit Längsbauwerken zeigen, dass sich im "Schatten" der Längsbuhnen artenreiche Lebensgemeinschaften von Wasserpflanzen, Fischen und Kleinkrabbeltieren entwickeln können. Am Niederrhein könnte eine "Optimierung der Abladetiefe" ebenfalls durch Längsbauwerke und eine Sohlstabilisierung vor allem durch Flutmulden erreicht werden. Die als Beispiel dienende Flutmulde Rees überzeuge vielleicht nicht jeden Gewässerökologen. Aber die Planung für die Flutmulde Rees sei lange vor der Verabschiedung der EG-Wasserrahmenrichtlinie vorgenommen worden. Insofern bestehe noch viel Optimierungspotenzial beim grünen Design von Flutmulden. Im Bundesverkehrsministerium geht man deshalb davon aus, dass durch ein gemäßigtes Konzept - im Vergleich zur "Düsseldorfer Liste" - eine win-win-Situation zwischen Binnenschifffahrt und aquatischem Naturschutz erreicht werden könne. Frustriert zeigt man sich im Bundesverkehrsministerium, dass die Umweltverbände die geplante Fahrrinnenoptimierung am Niederrhein scharf angreifen würden und der Konflikt nur über die Presse ausgetragen wird. "Die könnten ja auch mal direkt mit uns sprechen", ärgert man sich im Verkehrsministerium. Bei den Naturschutzverbänden wird u.a. kritisch gesehen, dass Kolke zugeschüttet werden sollen. Für die in den Kolken hausenden Organismen und für den »guten ökologischen Zustand", den die Wasserrahmenrichtlinie fordert, sei die Kolkverfüllung eher nicht vorteilhaft.

BUND gegen Flussbaumaßnahmen am Mittel- und Niederrhein

In einer umfangreichen Stellungnahme zur vorgesehenen Optimierung der Abladeladetiefe im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans haben sich die rheinanliegenden BUND-Landesverbände gegen die dazu erforderlichen flussbaulichen Maßnahmen am Mittel- und Niederhein ausgesprochen. Auf der Plenarsitzung der Internationalen Rheinschutzkommission (IKSR) am 7. Juli 2016 in Echternach (Luxemburg) hat der BUND die beiden Projekte erneut in Frage gestellt. Insbesondere bleibe offen, wie die "Fahrrinnenanpassung" am Nieder- und Mittelrhein mit Buchstaben und Geist der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Übereinstimmung gebracht werden könne ("Verschlechterungsverbot").

Die Stellungnahme der rheinanliegenden BUND-Landesverbände kann unter
http://www.bund-rlp.de/themen_projekte/verkehr/
heruntergeladen werden.

Rhein-Tieferlegung: Strategische Umweltprüfung ungenügend

Da es sich beim Bundesverkehrswegeplan 2015 um einen "Plan" handelt, unterlag der Entwurf des Verkehrswegeplans einer strategischen Umweltprüfung (SUP, siehe RUNDBR. 779/2-4). In einem "Umweltbericht" musste dargelegt werden, welche ökologischen Kollateralschäden die Umsetzung der Maßnahmen im Verkehrswegeplan hätte. Also musste im "Umweltbericht" auch untersucht werden, welche Effekte die "Abladeoptimierung" auf der Mittel- und Niederrheinstrecke für die Ökologie im und am Rhein hätte. Mit seiner Kritik an der ungenügenden SUP befindet sich der BUND in Übereinstimmung mit dem Umweltbundesamt (UBA). Das UBA hat in seiner Stellungnahme zum Bundesverkehrswegeplan ebenfalls moniert, dass in der SUP die Wasserrahmenrichtlinie weitgehend unter den Tisch gefallen sei. So heißt es in der UBA-Pressemitt. Nr. 18/2016 mit dem Titel "Bundesverkehrswegeplan besteht eigene Umweltprüfung nicht" u.a., dass die Umweltkriterien in der SUP "aus Sicht des Gewässerschutzes und in Bezug auf die Wasserstraßenprojekte unzureichend" wären und der Ergänzung um das Kriterium "Beeinträchtigung oder der Auswirkungen auf den ökologischen Zustand nach EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)" bedürfen würden - und weiter:

"Andernfalls ist die vorgenommene Bewertung der Umweltwirkungen der Wasserstraßenprojekte aus Sicht des Gewässerschutzes nicht akzeptabel. (...) Die WRRL findet zwar Erwähnung jedoch in einem falschen Kontext. Die Auswirkungen auf den ökologischen Zustand werden nicht prognostiziert."

Die ganze Pressemitt. des UBA unter:
http://www.umweltbundesamt.de/presse/presseinformationen/bundesverkehrswegeplan-besteht-eigene

"Düsseldorfer Liste" als Bestandteil des nationalen Hafenkonzeptes

Die Maßnahmen zur Tieferlegung von Mittel- und Niederrhein aus der "Düsseldorfer-Liste" finden sich nicht nur im Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan 2015. Auch im "Nationalen Hafenkonzept" sind die Forderungen prominent vertreten. Das "Nationale Hafenkonzept" ist am 20. Jan. 2016 als Fortschreibung des alten Hafenkonzepts von 2009 vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Das Hafenkonzept wird als neuer strategischer Leitfaden für die Hafenpolitik der nächsten zehn Jahre bezeichnet. Damit solle allen Beteiligten eine verlässliche Grundlage für politisches und wirtschaftliches Handeln gegeben werden. Allerdings wird auch das Hafenkonzept nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Es handelt sich bei dem Konzept zunächst nur um eine Absichtserklärung. Soweit es um die Häfen an den Binnenwasserstraßen ging, war das Hafenkonzept in enger Abstimmung zwischen dem Bundesverkehrsministerium, Vertretern der Länder und der Binnenschifffahrtslobby entwickelt worden.

Oberstes Entscheidungsgremium zur Umsetzung des Nationalen Hafenkonzepts 2015 ist eine Steuerungsgruppe unter Leitung des zuständigen Staatssekretärs beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Mitglieder der Steuerungsgruppe sind jeweils ein Staatssekretär oder Vertreter der Binnenländer, der Nordseeanrainer- und der Ostseeanrainerländer. Darüber hinaus sind mit den Präsidenten der wichtigsten Hafen-, Logistik- und Wirtschaftsverbände die entscheidenden Lobbygruppen direkt in der Steuerungsgruppe vertreten.

Anlässlich der Verabschiedung des Hafenkonzepts hatten es der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) und der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) als "besonders positiv" hervorgehoben, dass selbst "kritische" Punkte wie eben die "Düsseldorfer Liste" ihren Widerhall im "Nationalen Hafenkonzept" gefunden hätten. So würde die "Engpassbeseitigung an Mittel- und Niederrhein" gebührend im nationalen Hafenkonzept erwähnt. In einer Medienmitteilung des BÖB anlässlich der Verabschiedung des Hafenkonzepts durch das Bundeskabinett werden auch weitere Punkte erwähnt, die ökologische Relevanz haben könnten:
"Jüngste Entwicklungen, wie höchstrichterliche Urteile oder Neuregelungen zu Überschwemmungsgebieten, stellten die Weiterentwicklung der Hafenstandorte, und damit auch Hafenkonzepte in den Bundesländern vor große Herausforderungen."

Mit dem Hafenkonzept setzt die Bundesregierung eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode um:
"Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Häfen zu stärken, entwickeln wir das Nationale Hafenkonzept [...] weiter und beseitigen Engpässe bei der land- und seeseitigen Anbindung deutscher See- und Binnenhäfen mit internationaler Bedeutung."

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1089
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2016

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