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ATOM/1031: AKW-Laufzeitverlängerungen - Regierung agiert gegen die Bevölkerung (IPPNW)


IPPNW-Stellungnahme vom 3. Juni 2010

Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke

Die Regierung agiert "mit aller Macht" gegen die Bevölkerung


Zu den für Freitag, den 4. Juni, vorgesehenen Entscheidungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder über Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke nimmt die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) wie folgt Stellung:

Obwohl die Erneuerbaren Energien fast schon den Atomstrom überflüssig machen, setzt die deutsche Bundesregierung auf den langjährigen Weiterbetrieb einer Technik, die überflüssig und gefährlich ist und der jegliche Zukunftsperspektive fehlt.

In der Atomindustrie herrscht noch immer blindes Vertrauen in die Beherrschung der Atomtechnik, obwohl aus den altersschwachen deutschen Atommeilern regelmäßig Risse, Leckagen und das Versagen von Sicherheitseinrichtungen gemeldet werden (vgl. aktuelle Störfall-Analyse der IPPNW). Die zahnlosen staatlichen Atomaufsichtsbehörden, in denen Abteilungsleiter zwischen Behörde und beaufsichtigter Atomindustrie ungeniert hin und herwechseln, lassen die Industrie weitgehend gewähren. All das erinnert an die aktuelle Ölkatastrophe in den USA.

Laufzeitverlängerungen sind nach Auffassung der Ärzteorganisation IPPNW ein gefährliches und unverantwortliches Spiel mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit der Bevölkerung wie auch der Beschäftigten in den Atomkraftwerken.

Als Ursache für die geplanten Laufzeitverlängerungen ist das haltlose Gewinnstreben der großen Atomkonzerne und die von ihnen systematisch und immer offener korrumpierte Politik anzusehen. Umgesetzt wird dies von Politikern, die - wie mittlerweile üblich - nach dem Verrichten Ihrer Dienste mit gut dotierten Posten in der Atomindustrie bezahlt werden.

Durch den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke erzielen wenige Profiteure milliardenschwere Zusatz-Einnahmen, die natürlich von der Bevölkerung, aber auch von staatlichen Stellen und Unternehmen in den kommenden Jahren über die Strompreise zu bezahlen sind. Der Geldregen für die beteiligten Konzerne, Aktionäre, Manager, Gutachterorganisationen, Politiker und andere fällt schließlich nicht vom Himmel.

Laufzeitverlängerungen sind insofern Teil einer umfassenden Umverteilungspolitik mit dem Ziel einer immer stärkeren Konzentration von Vermögen in der Hand weniger.

Solaranlagen auf Hausdächern und Windenergieanlagen im gesamten Binnenland sind demgegenüber nicht nur die richtige sicherheitstechnische und ökologische, sondern auch die richtige ökonomische Alternative zu Atom- und Kohlekraftwerken. Durch derartige "Kraftwerke in Bürgerhand" werden nämlich Vermögen, Einkünfte und Wirtschaftskraft breit unter der Bevölkerung und in den Regionen gestreut. Dadurch sind bereits hunderttausendfach Arbeitsplätze wie auch Gewinne für einfache Bürger, Kommunen und kleinere Unternehmen realisiert worden.

Durch Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke werden aber dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien "in Bürgerhand" vermehrt Steine in den Weg gelegt. Vergütungssätze für Erneuerbare Energien werden schon jetzt drastisch abgesenkt und Windparks immer wieder abgeschaltet, damit die Konzerne auch weiterhin ihren überflüssigen Atom- und Kohlestrom zu weit überhöhten Monopolpreisen verkaufen können.

Die geplanten Laufzeitverlängerungen sind ein gezielter Akt gegen das Bedürfnis der Bevölkerung nach Sicherheit, Leben, Gesundheit und materiellem Auskommen.

Die Bundesregierung agiert mit dieser Politik ganz offen und ungeniert gegen den Willen der Bevölkerung. Die Mehrheit der Bürger will einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie. Niemand akzeptiert willkürlich überhöhte Strompreise. Der mehrheitliche Wunsch einer weiteren Förderung eines Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist unumstritten.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung agiert dabei keineswegs nur gegen so genannte "politische Gegner". Sie brüskiert ebenso viele Abgeordnete, Mitglieder und Anhänger in den eigenen Reihen, die sich gedanklich längst von der Atomenergie mit ihrem ungelösten Atommüllproblem verabschiedet haben und die auf eine am Gemeinwohl orientierte Politik zugunsten Erneuerbarer Energien bauen.

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW stellt sich gegen diese skandalöse und unverantwortliche Energiepolitik. Die Entscheidungsträger in den Großkonzernen und in der Regierung müssen wissen, dass die Anti-Atom- und die Erneuerbare-Energien-Bewegung gemeinsam mit den erstarkenden Unternehmen der neuen Energiewirtschaft die dezentralen Energietechniken und Energiestrukturen weiterhin durchsetzen werden.

Die Entscheidungen der derzeitigen Bundesregierung werden nichts daran ändern, dass für nachfolgende Generationen die Kraft von Sonne und Wind bestimmend sein wird.

Weitere Informationen: www.ippnw.de/atomenergie

Über die IPPNW:

Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 03.06.2010
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Sven Hessmann, Pressereferent
Tel.: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2010