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ATOM/1163: Hilfsangebot an Japan - Kernschmelz-Experte weiß Rat für Fukushima (IPPNW)


IPPNW - Berlin, den 17. März 2011

Hilfsangebot an Japan
Kernschmelz-Experte weiß Rat für Fukushima

Sand statt Wasser / Stickstoff vor Kühlung


Ein deutscher Spezialist für Kernschmelz-Unfälle, Containments und Wasserstoff-Explosionen hält die derzeitigen Maßnahmen zur Rettung des japanischen Atomkraftwerks Fukushima für problematisch. Basierend auf den derzeit verfügbaren Informationen meint er, man müsse in Block 3 und 4 Sand abwerfen statt Wasser einzuleiten.

Und sofern es stimme, dass in den Gebäuden der Blöcke 5 und 6 der Druck steigt, müsse man vor einer möglichen Inbetriebnahme der Kühlung zunächst die Atmosphäre mit Stickstoff inertisieren. Andernfalls drohten nach Kondensation von Wasserdampf extrem gefährliche Wasserstoffexplosionen im Inneren der Containments, die mit großer Wahrscheinlichkeit deren Zerstörung zur Folge hätten.


Hintergrund:

Zu Block 3 u. 4: Aufgrund der verfügbaren Informationen geht der Experte davon aus, dass das eingeführte Wasser aufgrund der Beschädigungen durch die äußeren Wasserstoffexplosionen aus dem Gebäude wieder abfließt. Dadurch seien die Kerne nicht vollständig mit Wasser bedeckt. Durch die Zufuhr von Wasser erreiche man nur, dass durch das Wasser an den Brennstäben die gefürchtete Zirkon-Wasser-Reaktion weiterlaufe, wodurch der Kern zusätzlich massiv aufgeheizt würde.

Sinnvoller sei es vermutlich, als Rettungsversuch Sand in diese Blöcke abzuwerfen. Dieser könne mit dem Kern zu einer glasartigen Masse verschmelzen. Aufgrund der vermutlich offenen Gebäudestrukturen bestehe dann die Möglichkeit, dass sich das Gemisch weiträumig ausbreiten würde und in Kontakt mit kalten Strukturen käme. Es besteht dann die Chance der Abkühlung und Erstarrung. Dadurch käme es zum Einschluss der Spaltprodukte anstelle einer Freisetzung.

Zu Block 5 u. 6: Aufgrund der Berichte über ansteigende Drücke in den Gebäuden und anderer Informationen geht der Wasserstoff-Spezialist davon aus, dass sich in der Containment-Atmosphäre derzeit ein Gemisch aus Wasserdampf und Wasserstoff befindet. Da in derzeit offenbar versucht werde, die Stromversorgung wieder herzustellen, sei damit zu rechnen, dass man in diesen Blöcken die Kühlung wieder in Betrieb nehmen wolle. Würde dies durchgeführt, käme es erwartungsgemäß zur Kondensation des Wasserdampfes, der derzeit möglicherweise dafür sorgt, dass der vorhandene Wasserstoff in den Containments nicht explodiert. Nach Kondensation des Wasserdampfes sei mit derart massiven Wasserstoffexplosionen im Inneren der Containments zu rechnen, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit zur Zerstörung derselben käme.

Vor einer Wiederinbetriebnahme der Kühlung müsse man daher zunächst die Containment-Atmosphäre mit Stickstoff inertisieren.

Es erscheint dringend geraten, dass die Bundesregierung den Experten schnellstmöglich mit den Verantwortlichen in Japan in Kontakt bringt.


Über die IPPNW:

Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 17.03.2011
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel.: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2011