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FORSCHUNG/554: Rolle ökologischer Rechtfertigungsordnungen in aktuellen Risikokonflikten, Beispiel Fracking (idw)


Universität Augsburg - 19.06.2017

Fracking-Kontroversen in Frankreich, Deutschland und Polen

Ein neues DFG-Projekt der Augsburger Soziologie analysiert am Beispiel des Hydaulic Fracturing vergleichend die Rolle von ökologischen Rechtfertigungsordnungen in aktuellen Risikokonflikten


Augsburg/RK/KPP - Weshalb wird in Frankreich, Deutschland und Polen ganz unterschiedlich mit Hydraulic Fracturing - kurz Fracking - umgegangen, obwohl nicht nur die Risiken dieser Technologie, sondern auch die mit ihr verbundenen ökonomisch-ökologischen Interessenkonflikte in allen drei Ländern vor dem Hintergrund der Energiewende mehr oder weniger identisch sind? Ob und wie hier unterschiedliche gesellschaftliche, kulturelle oder politische Deutungsweisen, Bewertungen und Wahrnehmungen eine zentrale Rolle spielen, wird ein von der DFG über drei Jahre hinweg mit 580.000 Euro gefördertes Projekt untersuchen, das jetzt am Augsburger Soziologie-Lehrstuhl von Prof. Dr. Reiner Keller gestartet ist.

Moderne Industriegesellschaften sind in einem hohen Maße auf die Versorgung mit Energie angewiesen. Die effektive Nutzung von Energie ist eine zentrale Grundlage für gesellschaftlichen Forstbestand sowie für die gesellschaftliche Entwicklung. Dass die Nutzung von Energie jedoch nicht alleine mit technischen Fragen verbunden ist, haben spätestens die Debatten um die Kernenergie seit den frühen 1980er Jahren gezeigt, in denen unterschiedliche gesellschaftliche Wahrnehmungen und Deutungsmuster hinsichtlich der Risiken und Vorteile dieser Technologie kontrovers diskutiert wurden. Von dieser Beobachtung ausgehend interessiert sich die Soziologie insbesondere für die verschiedenen Leitbilder, Wert- oder Zukunftsvorstellungen und Sicherheitskonzepte, die mit divergierenden Einschätzungen und Vorstellungen von einer adäquaten gesellschaftlichen Energieversorgung verbunden sind.

Konflikte um Hydraulic Fracturing im Kontext der Energiewende

Im Kontext der Diskussionen um Nachhaltige Entwicklung wird inzwischen weltweit die Energiewende, also das Ziel einer Umstellung der gesellschaftlichen Energieversorgung mittels erneuerbarer Energien, als ein etabliertes Leitbild diskutiert. Gleichzeitig setzen aber viele gesellschaftliche Bereiche nach wie vor auf die Nutzung fossiler Energien. Die sich daraus ergebenden Konfliktkonstellationen werden am Beispiel der aktuellen Kontroversen um Hydraulic Fracturing (kurz: Fracking) besonders deutlich.

Fracking bezeichnet eine seit Beginn der 2000er Jahre zunächst vor allem in den USA und Kanada eingesetzte Technologie zur Förderung von Erdgas-und Erdölvorkommen aus tiefer liegenden Gesteinsschichten, etwa aus Schiefergestein. Konkret wird bei dem Verfahren nach einer tiefen horizontalen Gesteinsbohrung ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in die Bohrschächte gepresst. Dadurch werden Risse in den Gesteinsschichten erzeugt, um auf diese Weise die im Gestein eingebundenen Gas- und Ölreserven freizusetzen.

Vergleichbare Interessen- und Konfliktlagen ...

"Wir untersuchen in unserem Projekt vergleichend, wie unterschiedlich sich vor dem Hintergrund der Debatten um die Energiewende die Konflikte um das Thema Hydrauclic Fracturing in Deutschland, Frankreich und Polen gestalten", so Projektleiter Keller. In allen drei Ländern ist das Fracking-Verfahren Gegenstand gesellschaftlicher Kontroversen, und in allen drei Fällen lassen sich zunächst vergleichbare Interessen- und Konfliktlagen beobachten: Unternehmen interessieren sich für die Gewinnpotentiale der Technologie, Regierungen wiederum für die dadurch versprochenen Lösungen von Energieversorgungsproblemen im Rahmen eines anvisierten Umbaus der Energiesysteme. Gegner des Verfahrens betonten hingegen die mit ihm verbundenen unabsehbaren gesundheitliche Risiken und ökologischen Schäden.

... aber länderspezifische Wahrnehmungen und Deutungsweisen

"Uns", so Keller, "interessiert primär die Tatsache, dass trotz ähnlicher Konfliktkonstellation sehr unterschiedliche länderspezifische und gesellschaftliche Umgangsweisen zu beobachten sind: Während in Frankreich ein Moratorium bezüglich des Einsatzes von Fracking besteht, erscheint dessen Bedeutung für Deutschland nach wie vor unklar, während Polen wiederum setzt seit längerem auf die Nutzung der Technologie setzt. Wie lassen sich diese nationalen Unterschiede im Umgang mit Hydraulic Fracturing verstehen und erklären? Und welche Folgen haben sie? "Wir nehmen an, dass hierfür eben nicht alleine Fragen der ökonomischen Erträge und des wissenschaftlichen Wissens sowie Probleme der technischen Umsetzung ausschlaggebend sind, sondern dass unterschiedliche gesellschaftliche, kulturelle oder politische Deutungsweisen, Sicherheitsbewertungen und Wahrnehmungen hier eine nicht minder große Rolle spielen", erläutert Keller.

Vergleich auf der Basis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse

Ausgehend also von dieser Annahme und unter Rückgriff auf die von ihm selbst entwickelte Wissenssoziologischen Diskursanalyse sowie auf Konzepte der Risikosoziologie und der Science and Technology Studies werden Keller und sein dreiköpfiges Team die gesellschaftlichen Ursachen, Formen, Dynamiken, und Folgen der Konflikte um Hydraulic Fracturing in Frankreich, Deutschland und Polen auf der Basis von Interviews und zentralen Dokumenten vergleichend untersuchen. Keller ist überzeugt, dass damit ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der gegenwärtigen gesellschafts- und technologiepolitischen Auseinandersetzungen um die Energiewende geleistet werden kann.

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news676632
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution58

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 19.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2017

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