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ÖL/034: Bohrinsel Usedom - Hoffentlich sind die Probebohrungen erfolglos (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 163 - August/September 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Bohrinsel Usedom
Hoffentlich sind die Probebohrungen erfolglos

von Felix Eick


Es handelt sich um einen Konflikt mit vielen Interessen und Problematiken. Usedom ist in unseren Gefilden bekannt für günstigen und schönen Urlaub. "Mal schnell an die Ostsee fahren und Sonne tanken". Ebenso schätzen Anwohner und Urlauber den Naturschatz der Insel. Hier sind zum Beispiel das Achterwasser und zahlreiche Vogelschutzgebiete zu nennen. Soviel zum Idyll.

Jetzt bohrt CEP (Central European Petroleum)! Es handelt sich um ein deutschkanadisches Unternehmen mit Firmensitz in Berlin am Alexanderplatz. CEP nimmt alleine für die Probebohrungen etwa 20 Millionen Euro in die Hand. Ab Juli steht für sechs Wochen in Pudagla ein 53 Meter hoher Bohrturm direkt hinterm Deich, direkt im Überschwemmungsgebiet nebst Achterwasser und Vogelschutzgebiet. Tag und Nacht wird gebohrt, Tag und Nacht ist es unter Flutlicht taghell. Das klingt nicht nach einem attraktiven Urlaubziel oder nach einem Lebensraum, wo sich Flora, Fauna und Mensch wohlfühlen.


Kohlenwasserstoffe und Geld

Das ist CEP egal. CEP interessiert sich für Öl, genauer gesagt für Geld. 20 Millionen Barrel Erdöl vermutet CEP unter dem Bodden. Da die OPEC vorzuhaben scheint, den Ölpreis erst einmal konstant über hundert Dollar zu halten, durch Beibehalten der Fördermengen, ist es ökonomisch wieder sinnvoll, in den fossilen "Energieträger Nr. 1" zu investieren.

Der Turm soll laut Planung später nach Lütow umziehen. Hier versiegen die Quellen der DDR-Öllöcher. CEP will die Anlagen in diesem Sinne repowern. Auch auf der Halbinsel Gnitz stehen den Insulanern und Touristen also laute und schlaflose Wochen bevor.

Wieso lassen die Bürger des Dörfchen Pudagla einen neuen Bohrstandort auf ihrer geliebten Insel zu; in ihrer direkten Nachbarschaft? Die Antwort ist einfach und niederschmetternd. Sie wurden ganz einfach nicht gefragt und konnten nichts beitragen. Eines Tages schlugen die Pudaglaer den Lokalteil der Zeitung auf und lasen, dass sie einen neuen lärmenden Nachbarn bekommen.


Usedom ist nicht Sylt

Die ZEIT zitiert den Bürgermeister und Projektgegner Fred Fischer: "Wenn die das auf Sylt machten, ginge ein Riesenaufschrei durchs Land." Usedom ist nicht Sylt, und deshalb kümmert sich auch keiner richtig darum. In den Medien findet man kaum etwas zum Thema. Die Menschen aus Pudagla sind auf sich alleine gestellt. Sie müssen sich dem Bergrecht beugen. Fred Fischer beschreibt dieses Verhältnis als "David gegen Goliath, Natur gegen Ölmulti". CEP-Chef Jacobus Bouwman nennt es schlicht "absolute Rechtssicherheit" (nano-Beitrag "Das Öl von Usedom", 3sat).

Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie feiert in einer Pressemitteilung "50 Jahre Erdölförderung in Mecklenburg-Vorpommern", anstatt sich um Umwelt- und Naturschutz zu kümmern.

Die größte Entscheidungs- und Blockiergewalt hätte jedoch das zuständige Bergamt Stralsund gehabt. Dementsprechend richtet sich auch ein Großteil der Kritik an die Genehmigungsbehörde, die das Bohrprojekt nach Meinung mancher einfach nur durchgewinkt hat.


Kaum Widerstand - wie auch?

Überhaupt vermisst man irgendwie den Biss der potenziellen Bohrgegner. Auf Anfrage bei der Usedom Tourismus GmbH beispielsweise versicherte man, keine Angst vor ausbleibenden Touristen und einem Imageschaden zu haben. CEP gehe "offen" mit allen Beteiligten um. Es sei alles "eine Frage der Kommunikation". Ende Juli gebe es einen Termin mit CEP an der Bohrstelle, wo man sich genau ein Bild machen könne, und außerdem laufe das Ganze ja erst an. Als Beispiel nannte man noch den Radweg durch Lütow. Die Radtouristen würden sich nicht an den Ölpumpen stören, so die Mitarbeiterin von Usedom Tourimus GmbH. In der Tourismusbranche reagiert man also abwartend zwischen Gutgläubigkeit und Unaufgeregtheit.

Im Gespräch mit Herrn Dr. Thomas Schröter von CEP stellte sich auf einmal alles ganz anders dar. Ich bekam das Gefühl, dass alle anderen Medienbeiträge falsch beurteilen. Nachdem am Darß, in Barth, die Bohrungen durchgeführt wurden, wartet man auf die Ergebnisse und zog mit dem Bohrturm nach Pudagla um. Der Doktor der Geologie verwies darauf, dass alles noch sehr lange dauern werde.

2013 könnte in Barth frühestens gefördert werden. Auf Usedom werde es eher noch ein Jahr länger dauern. Wichtig war ihm außerdem, dass nicht nur die schmutzige Seite der Erdölförderung dargestellt wird. Schröter stellte fest, dass ohne Kohlenwasserstoffe kein Windrad stehen würde. Damit hat er sicherlich Recht, aber muss man dafür diese bescheidenen Mengen Erdöl anzapfen und eine Havarie riskieren?

Schröter legte seine Sicht der Dinge folgendermaßen dar: "Erneuerbare sind noch Jahrzehnte entfernt, und Kohlenwasserstoff haben wir!" Gefragt nach der Akzeptanz teilte Schröter die Bevölkerung von Mecklenburg-Vorpommern in zwei Hälften. Die eine Gruppe fände es "ganz Klasse", denn es werde eine 50-jährige Tradition wiederbelebt. Etwa 50 Prozent der Belegschaft komme aus Usedom, somit entstehen Arbeitsplätze. Die andere Hälfte, laut Schröter "Zugereiste, die sich eine Datsche zugelegt haben", möchte lieber, dass das Land "strukturschwach" bleibe, was Umweltverbände wohl als naturnahen Lebensraum bezeichnen würden.

Selbstverständlich soll auch noch die ökologische Seite zu Wort kommen. Der Leiter des Naturparks Insel Usedom, Ulf Wigger, war sichtlich um Objektivität bemüht. Er berichtete sachlich, dass Schröter und Bouwman im Naturpark-Beirat referiert und sich aufs Bergrecht berufen haben. Sie seien sicher und professionell aufgetreten. Kein Wunder bei "absoluter Rechtssicherheit". Aus Sicht des Naturparks konnte nicht mehr viel verändert werden.

Die einzigen Erfolge seien gewesen, den Transport des Bohrequipments und gegebenenfalls auch der Kohlenwasserstoffe, nicht mit LKWs auf den ohnehin überlasteten Bundesstraßen 110 und 111, sondern mit Flachwasserschuten zu Wasser durchzuführen. Zudem konnte erwirkt werden, dass während der Vogelflugzeit nicht gebohrt werden darf. "Wechselwirkungen auf den Naturraum" durch Tourismus und die "Bodenschatzkomponente" seien jedoch unstrittig. Selbst CEP gebe offen zu, dass im "unwahrscheinlichen Havariefall" auch Öl ins Achterwasser gelangen könne.


Getrieben vom "monetären Gedanken"

Bei einigen anfänglichen Kritikern sei, getrieben vom "monetären Gedanken", ein "Sinneswandel" eingetreten, so Wigger. Viel Widerstand gibt es also nicht mehr. Letztlich seien die Erdölbohrungen "eine Sache, die Usedom nicht gebraucht" habe und "eine Belastung mehr für den Natur- und Urlauberraum Usedom".

2014 könnte die Erdölförderung also beginnen und bei Vollausbeutung der Quelle unter dem Bodden können wir in Deutschland das fossile Zeitalter eine gute Woche länger aufrechterhalten, den heutigen Verbrauch vorausgesetzt. Dabei nimmt man wie immer bei solchen Projekten ein unkalkulierbares Risiko für die Natur in Kauf.

Spiegel Online meldete Anfang Juli, dass es "ungefähr einmal pro Woche" in der Nordsee zu erheblichen Lecks auf Bohrinseln kommt. Vor einem Jahr wäre es in der Nordsee beinahe zu einem ähnlichen Vorfall wie im Golf von Mexiko gekommen. Nun ist die Nordsee nicht Usedom, aber mehr als nachdenklich stimmt es dennoch.


nano-Beitrag "Das Öl von Usedom"
3sat:
www.youtube.com/watch?v=6RDC2pEYd2E
www.3sat.de/page/?source=/nano/umwelt/155105/index.html


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Dunkle Wolken über Usedoms Achterwasser Foto: Rüdis Fotos-www.flickr.com


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 163 - August/September 2011, S. 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2011