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ROHSTOFFE/031: Agrarrohstoffe nicht verfeuern, stoffliche Nutzung oft sinnvoller (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010
Wohlstand durch Wachstum? Wohlstand ohne Wachstum? Wohlstand statt Wachstum?

Rohstoffe nicht verfeuern

Stoffliche Biomassenutzung oft sinnvoller

Von László Maráz


Eine stärkere stoffliche Nutzung von Agrarrohstoffen und Holz kann zu mehr Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Beschäftigung beitragen. Dafür ist aber eine Änderung der Förderpolitik nötig, die bisher die Energiepflanzenproduktion durch Subventionierung bevorzugt. Dies ist vor allem ein Rohstoff-Problem für die Produzenten, die Biomasse überwiegend stofflich verwerten.


Der steigende Rohstoffverbrauch unserer Industriegesellschaften führt immer häufiger zu Engpässen. Jahrzehnte nach der Ölkrise werden die Grenzen des Wachstums immer besser sichtbar. Meldungen über Knappheit bei begehrten Industriemetallen (z.B. Lithium, Tantal) und Nährelementen für die Agrarproduktion (Phosphor) häufen sich. Für die Erfüllung der Biokraftstoffquoten werden riesige Rohstoffmengen eingesetzt und dies sorgt für Kritik. Denn die Pflanzen, die zur Produktion von Ölen, Zucker und Stärke angebaut werden, verdrängen auch die Produktion von Nahrungsmitteln. Wohl am deutlichsten illustriert wurde die Konkurrenzsituation mit dem Slogan "Tank oder Teller?", und angesichts der steigenden Zahl an Hungernden in der Welt (über eine Milliarde Menschen sind davon betroffen!) sorgte die von Menschenrechtsorganisationen wie Misereor oder Brot für die Welt artikulierte Kritik für öffentliche Empörung.

Kritik an der energetischen Nutzung von Biomasse kommt inzwischen auch von anderen Akteuren. So beklagt die Holzwerkstoffindustrie die einseitige Bevorzugung etwa der Holzverbrennung (Förderung von Pelletheizungen), die den Sägewerken und Papierfabriken dringend benötigte Rohstoffmengen entzieht oder diese verteuert. Einer neuen Studie des Kölner Nova Institutes [1] zufolge wird die Subventionierung der Energiepflanzenproduktion zunehmend zum Problem für eine Vielfalt von Produzenten, die Biomasse vor allem stofflich verwerten. Kritisiert wird vor allem eine einseitige Bevorzugung der energetischen Holznutzung. Holz stellt mit über 90% den Löwenanteil der Rohstoffe für stoffliche Biomassenutzung dar.


Kritik an Fördermaßnahmen

"Die ökonomischen Analysen zeigen, dass die Fördermaßnahmen in der energetischen Nutzung in vielen Fällen 50% bis 80% der Umsatzerlöse ausmachen", heißt es in der Studie. Die hohen Renditen, die bei der energetischen Nutzung infolge der starken Förderung möglich seien, führten zu einem Anstieg der Rohstoff- und Pachtpreise und verdrängten zunehmend andere Nutzungsoptionen, die nur geringere Deckungsbeträge erwirtschaften könnten. Hierdurch komme es im Agrar- und Forstbereich zu erheblichen Marktverzerrungen und Verschiebungen von Landnutzungen, Kulturen und Rohstoffströmen, ohne Überprüfung, ob damit nicht die gewünschten Effekte der Bioenergie-Förderung konterkariert würden, kritisiert das von Michael Carus geleitete Nova-Institut.

Nach den Analysen des Instituts steht für die energetische und stoffliche Nutzung in Deutschland maximal eine Fläche von etwa 2 Mio. ha bis 3 Mio. ha zur Verfügung, die nicht für Lebens- und Futtermittel benötigt wird und auch in Zeiten hoher Weltagrarpreise zur Verfügung steht. Unter günstigen Rahmenbedingungen, wie adäquater Förderung und hohem Ölpreis, könnte die stoffliche Nutzung bis zum Jahr 2020 in Deutschland eine Fläche von über 1,8 Mio. ha belegen, was in derselben Größenordnung wie die aktuelle energetische Nutzung läge. Die Bundesregierung hat 2009 einen Aktionsplan zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe aufgelegt.[2]

Doch das Ansinnen, auch für solche Einsatzgebiete staatliche Gelder zu fordern, ist fragwürdig. Sinnvoller wäre angesichts knapper öffentlicher Gelder, die Subventionen für Energieprodukte deutlich zu verringern. Eigentlich wird die Konkurrenz um knappe Waren durch die Marktwirtschaft geregelt - wäre da nicht die Bevorzugung der Energiepflanzenproduktion, die im Jahre 2009 eine Förderung zwischen 300 und 3.600 (!) Euro pro Hektar ermöglichte.


Verbrauch knapper Ressourcen

In vielen Fällen dürfte die stoffliche Nutzung von Biomasse ökologisch sinnvoller sein, weil die Rohstoffe oft energetisch aufwändigere Rohstoffe ersetzen (z.B. Metalle) und nach ihrer Verwendung anschließend energetisch genutzt werden können. Aber auch für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe werden knappe Ressourcen verbraucht. So werden derzeit in Deutschland etwa 660.000 Tonnen Stärke für ein Produkt verwendet, das wir alle täglich nutzen: für die Produktion von Papier und Pappe. Bei einem pro-Kopf-Verbrauch von jährlich 250 Kilogramm Papier könnte es also bald heißen: "Papierkorb oder Teller?"


Der Autor ist Koordinator der Plattform nachhaltige Biomasse und Koordinator der AG Wald im Forum Umwelt und Entwicklung.


Anmerkungen

[1] http://www.nova-institut.de/pdf/10-05-19%20Studie-Stofflich.pdf

[2] http://www.nachwachsenderohstoffe.de/aktionsplan/


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010, S. 29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2010