Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INDUSTRIE


VERPACKUNG/272: Glas, Kunststoff oder Kartons? Zur Ökobilanz von Getränkeverpackungen (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/17
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Glas, Kunststoff oder Kartons?
Zur Ökobilanz von Getränkeverpackungen.

von Nicole Flöper


Pfandflaschen aus Glas oder Kunststoff, Getränkekartons, Einwegflaschen oder Dosen - da verliert man beim Einkaufen schnell den Überblick. Viele Hersteller bewerben ihre Verpackungen als umweltfreundlich. Aber stimmt das auch?

Selbst für Experten ist es nicht leicht, die Umwelteinflüsse der verschiedenen Verpackungen zu vergleichen und zu bewerten. Neben dem Produktionsprozess spielen viele andere Faktoren wie Rohstoffe, Transportwege und Entsorgung eine Rolle. Eine umfassende Ökobilanz für Getränkeverpackungen veröffentlichte das Umweltbundesamt (UBA) zuletzt im Jahr 2002. Danach schneiden Mehrwegflaschen aus Kunststoff (PET) am besten ab, gefolgt von Mehrwegglasflaschen und Getränkekartons.

Mehrweg statt Einweg?

Glasflaschen können bis zu 50 Mal neu befüllt werden, PET-Flaschen 25 Mal. Weil Glasflaschen schwerer sind, verschlechtert sich ihre Ökobilanz aber mit der Transportentfernung. Deutlich schlechter schnitten PET-Einwegflaschen ab. Auch wenn sie sich recyceln lassen, "von einer Kreislaufflasche kann keine Rede sein", kritisiert Sascha Roth, Referent für Umweltpolitik beim NABU. Laut offizieller Statistik stecken in den hierzulande produzierten Kunststoffflaschen nur 26 Prozent recyceltes PET. Der größte Teil der verwendeten Rohstoffe stammt aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas. Noch schlechter ist die Ökobilanz von Getränkedosen und Einwegflaschen aus Glas.

Mehrwegverpackungen haben innerhalb von zehn Jahren über 20 Prozent Marktanteil eingebüßt.

Mehrweg statt Einweg also? Das 2003 eingeführte verpflichtende Pfand auf PET-Einwegflaschen und Getränkedosen sollte diese Entwicklung unterstützen. Trotzdem haben Mehrwegverpackungen innerhalb von zehn Jahren über 20 Prozent Marktanteil eingebüßt. Auch der Getränkekarton verlor Anteile. Gewinner sind PET-Einwegflaschen und Aluminiumdosen, die im selben Zeitraum 25 Prozent zugelegt haben. Heute kommen sie auf einen Marktanteil von knapp 52 Prozent.

Immerhin trägt das Einwegpfand dazu bei, dass weniger Flaschen und Dosen in die Landschaft geworfen werden. Andererseits verdient die Einwegindustrie an dem Pflichtpfand mit. Denn das Pfand für Flaschen, die nicht zurückgegeben werden, bleibt bei Abfüllern und Händlern. 180 Millionen Euro waren das im Jahr 2015, schätzt der NABU.

Heute wird mehr Kunststoff bei Getränkekartons eingesetzt

Weil Getränkekartons umweltfreundlicher sind als andere Einwegverpackungen, fällt für sie kein Pfand an. Ob die Kartons der positiven Bewertung aus der Ökobilanz heute noch standhalten würden, ist zumindest umstritten. Umweltverbände wie der NABU kritisieren, dass der Kunststoffanteil der Verpackungen zugenommen habe, unter anderem aufgrund der inzwischen üblichen Plastikverschlüsse.

Der Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel (FKN), in dem sich die großen Hersteller zusammengeschlossen haben, räumt ein, dass heute mehr Kunststoff eingesetzt wird als noch vor 20 Jahren. Allerdings seien Produktionsprozesse, Verpackungen und Verschlüsse in dieser Zeit ständig optimiert worden. "Alle Ökobilanzen, die seitdem gemacht wurden, haben die Ergebnisse der alten UBA-Studien bestätigt. Wir sind überzeugt, dass dies auch bei zukünftigen Studien nach den neuen UBA-Anforderungen der Fall sein wird", erklärt Michael Kleene vom FKN.

Getränkekartons bestehen im Durchschnitt aus 75 Prozent Pappe. Das dafür benötigte Holz stammt überwiegend aus skandinavischen Wäldern. Seit diesem Jahr werden laut FKN weltweit nur noch Holzfasern verwendet, die den Vorgaben des Forest Stewardship Council (FSC) entsprechen. Diese wichtige Weichenstellung der Getränkekartonhersteller befürwortet der NABU, da die FSC-Zertifizierung die weltweit anspruchvollsten ökologischen und sozialen Anforderungen an die Forstwirtschaft stellt. Der NABU bringt sich konstruktiv in die FSC-Gremien ein, um auch diesen Waldbewirtschaftungsstandard fortlaufend zu verbessern.

Neue unabhängige Studie benötigt

Der Getränkekarton wird gesammelt und sortiert, aus dem recycelten Material werden aber keine neuen Getränkeverpackungen hergestellt, sondern Wellpappen oder Faltschachtelkartons. Rund 76 Prozent der deutschen Getränkekartons werden laut amtlicher Statistik recycelt. Europaweit seien es 42 Prozent, sagt Kleene.

Derzeit wird nur ein Teil des Kunststoffs und des Aluminiums in einer chinesischen Anlage stofflich verwertet. Der überwiegende Teil wandert in die Zementindustrie, wo der Kunststoff verbrannt wird und das Aluminium die Abbinde-Eigenschaften des Zements verbessert. Kleene weist darauf hin, dass geplant sei, innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre auch in Deutschland eine stoffliche Verwertungsanlage zu betreiben.

Rund 76 Prozent der deutschen Getränkekartons werden laut amtlicher Statistik recycelt.

Wie umweltfreundlich sind also Pfandflaschen, Getränkekartons oder Einwegflaschen? Um das zu beurteilen, bräuchte es eine neue unabhängige Studie. Und die steht noch aus. Trotzdem hält NABU-Experte Sascha Roth Mehrwegflaschen nach wie vor für die beste Möglichkeit: "Man sollte nicht so viel über Materialalternativen nachdenken, sondern mehr darüber, wie man den Ressourcenverbrauch generell einschränken kann." Für Mehrwegflaschen plädiert Roth auch deshalb, weil die Systeme nur funktionieren, wenn genügend Menschen mitmachen. Damit die Ökobilanz stimmt, müssen die Transportwege möglichst kurz sein und die Flaschen möglichst oft wieder befüllt werden. Das geht am besten mit einheitlichen Flaschen, die von mehreren Abfüllern verwendet werden können. Wenn die Getränke dann noch aus der Region stammen - umso besser.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Weil Getränkekartons umweltfreundlicher sind als andere Einwegverpackungen, fällt für sie kein Pfand an. ob die Kartons der positiven Bewertung aus der Ökobilanz heute noch standhalten würden, ist zumindest umstritten.

*

Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/17, Seite 36 - 37
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1530, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang