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VERBRAUCHER/125: Zu gut für die Tonne - Abfallvermeidung auch für Handy, Kühlschrank & Co. (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2019

Zu gut für die Tonne
Abfallvermeidung auch für Handy, Kühlschrank & Co.

von Katrin Meyer


Reparatur ist eine einfache Möglichkeit, Elektroschrottmengen zu verringern und damit Menschen und Umwelt zu schützen. Neue Regeln innerhalb der Europäischen Union (EU) für Hersteller sollen das Reparieren vereinfachen und den Trend der Wegwerfkultur stoppen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die EU aber noch ambitionierter vorgehen. Die Bundesregierung könnte mit gutem Beispiel vorangehen.


Von den 45 Millionen Tonnen Elektroschrott, die jährlich weltweit entstehen, werden nur 9 Millionen Tonnen gesammelt und fachgerecht recycelt.[1] Der Großteil des Schrotts, zu dem beispielweise Smartphones, Waschmaschinen, Toaster oder Lampen gehören, wird falsch entsorgt, landet in der Umwelt oder über illegale Exporte auf Elektromülldeponien. Auch in Deutschland - dem vermeintlichen Weltmeister im Mülltrennen und Recyceln - wurde weniger als die Hälfte der ausgedienten Elektrogeräte gesammelt und wiederverwertet. Gleichzeitig kaufen und produzieren wir immer mehr neue Produkte: Fast 2 Millionen Tonnen Elektrogeräte landeten 2016 auf dem deutschen Markt und es werden jährlich rund 100.000 Tonnen mehr.[2] Problematisch ist daran nicht nur, dass die Geräte hochgiftige Stoffe enthalten, die bei falscher Entsorgung eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellen. Schon die Produktion der Geräte verbraucht wertvolle Rohstoffe, die häufig unter problematischen Umständen abgebaut werden. Der Abbau gefährdet Menschenleben, verseucht Trinkwasser, zerstört Landschaften und setzt Giftstoffe frei.

Der Wegwerftrend

Um diese schädlichen Auswirkungen zu verringern, muss nicht nur die Sammlung und Wiederverwertung von Elektroaltgeräten viel besser funktionieren. Es braucht auch einen generellen Wandel im Umgang mit den Produkten. Seit 2004 werden immer mehr Elektro- und Elektronikgeräte innerhalb der ersten 5 Jahre bereits ersetzt.[3] Das liegt zum einen an immer schnelleren technischen Entwicklungen und den Wünschen der KonsumentInnen nach besseren Produkten. Der neue Kühlschrank ist noch einen Tick energieeffizienter, das neue Smartphone noch einen Tick schneller und der neue Staubsauger hat jetzt WLAN. Bei einigen Produkten wie Waschmaschinen ist der Trend aber auch darauf zurückzuführen, dass die Geräte schneller kaputtgehen. Die Gründe dafür reichen von unsachgemäßer Benutzung über minderwertige Materialien in der Herstellung bis zu vorsätzlich eingebauten Schwachstellen, die die Produktlebenszeit verkürzen, sogenannter geplanter Obsoleszenz. Obwohl weit über die Hälfte der VerbraucherInnen sich wünscht, Geräte häufiger zu reparieren statt sie wegzuwerfen,[4] entscheiden sich die meisten doch für den Neukauf und damit für weiteren Rohstoffabbau und mehr Elektroschrott. Das liegt vor allem daran, dass Ersatzteile häufig annähernd so teuer oder sogar teurer sind als komplett neue Produkte. In vielen Fällen ist eine Reparatur auch gar nicht möglich, weil Ersatzteile nicht mehr verfügbar sind. Und selbst wenn sie zu einem günstigen Preis erhältlich sind, kann es sein, dass Teile des Geräts verklebt sind und ein Auseinandernehmen überhaupt nicht möglich ist, ohne das Produkt zu zerstören.

Reparatur politisch fördern

Um das volle Potential von Reparatur für Ressourcenschutz, Abfallvermeidung, Verbraucherschutz und die lokale Wirtschaft auszuschöpfen, müssen die zuständigen PolitikerInnen diese Hindernisse beseitigen. Freiwillige Absichtserklärungen und Ermunterungen der Politik an die Industrie, die Produktlebenszeit zu verlängern, reichen hier nicht. Nur verbindliche Regeln und kluge Anreize könnten Reparatur für VerbraucherInnen und Dienstleister attraktiver machen. Wie könnten solche Regeln aussehen? Hersteller müssen dazu verpflichtet werden, Ersatzteile zur Verfügung zu stellen und den VerbraucherInnen Zugang zu Informationen über den Aufbau der Geräte und Diagnosetools ermöglichen. Auch ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auf Reparaturdienstleistungen und Gebrauchtwaren, wie er in vielen europäischen Ländern bereits existiert, ist ein wichtiger Schritt, um Wiederverwendung zu fördern. Auch bei der Produktentwicklung muss Reparatur bereits eine Rolle spielen. DesignerInnen sollten nicht nur Ästhetik und Handhabung eines Produkts beachten, sondern auch die Frage, ob das Gerät problemlos auseinandergenommen und einzelne Bauteile ausgetauscht werden können.

Forderungen aus der Zivilgesellschaft werden lauter

Viele zivilgesellschaftliche AkteurInnen aus den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz und auch Handwerksbetriebe setzen sich seit einigen Jahren verstärkt dafür ein, Reparatur politisch voranzubringen. Neben Ersatzteilen, Steuervergünstigungen und gutem Produktdesign fordern sie auch, die Entnahme von Ersatzteilen aus Altgeräten zu vereinfachen und Hürden für die Reparatur-Autorisierung von Fachbetrieben zu senken. Auch immer mehr VerbraucherInnen wünschen sich genau solche Maßnahmen, um den Trend der Wegwerfkultur zu stoppen. Das wird beispielsweise deutlich, wenn man sich anschaut, wie viele Menschen inzwischen in nachbarschaftlichen Repair Cafés oder Reparatur-Initiativen aktiv sind. In den letzten 10 Jahren sind über 900 Initiativen in Deutschland entstanden, in denen die TeilnehmerInnen gemeinschaftlich defekte Toaster, Laptops, Fahrräder und vieles mehr wieder in Stand setzen und ihr Wissen und Können miteinander teilen. Doch auch die ReparateurInnen in den Initiativen stoßen immer wieder an ihre Grenzen, wenn Ersatzteile nicht verfügbar oder Geräteteile verklebt sind.

Ende 2018 verdeutlichte eine Petition für verbindliche Reparaturstandards, wie vielen Menschen das Thema unter den Nägeln brennt: Innerhalb von 2 Monaten unterzeichneten über 100.000 Menschen den Appell an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für bessere Reparaturbedingungen einzusetzen.

Ökodesign ...

Konkret bezog die Petition sich auf die Überarbeitung der EU-Ökodesignrichtlinie. Die EU-Mitgliedstaaten stimmten im Dezember 2018 über einen Vorschlag der EU-Kommission ab, der die Aufnahme von Reparaturvorschriften in die EU-Ökodesign-Richtlinie vorsah. Neben der Energie- sollte die Richtlinie erstmals auch die Ressourceneffizienz von Elektrogeräten festschreiben. Obwohl zunächst nicht alle VertreterInnen der Mitgliedstaaten die Vorschläge unterstützten und Bedenken bezüglich der Umsetzung anmeldeten, einigten sie sich im letzten Dezember und Januar auf die fortschrittlichen Regeln für verschiedene Produktgruppen. Stimmen das EU-Parlament und der Ministerrat den Vorgaben in den nächsten Monaten zu, gelten ab 2021 erstmals EU-weite Reparaturstandards für Kühlschränke, Waschmaschinen, Geschirrspüler, Displays und Leuchtmittel. Bestimmte Ersatzteile wie Handgriffe, Scharniere oder Dichtungen müssen VerbraucherInnen dann mindestens 7 beziehungsweise 10 Jahre lang zur Verfügung stehen. Professionellen Reparaturbetrieben muss eine breitere Palette von Ersatzteilen wie Thermostate, Batterien und Akkus, Motoren und Pumpen zur Verfügung gestellt werden. Die Hersteller müssen die Ersatzteile außerdem innerhalb von 15 Werktagen liefern und sicherstellen, dass eine Reparatur mit handelsüblichen Werkzeugen möglich ist, ohne dass dabei Schäden am Gerät entstehen. Für Reparaturinformationen dürfen Hersteller nur noch einen "angemessenen und verhältnismäßigen" Preis verlangen.

... kann nur der Anfang sein

Mit diesen Regeln hat die EU einen ersten wichtigen Schritt für mehr Ressourcenschutz getan, den wir auch dem Engagement der Zivilgesellschaft zu verdanken haben, die ihre Forderungen klar zum Ausdruck gebracht hat. Ein solches Eintreten braucht es auch weiterhin, um sicherzustellen, dass die neuen Anforderungen nicht nur für professionelle Reparaturbetriebe gelten und auf alle Produktgruppen angewendet werden. Doch neben der EU-Kommission ist hier auch die Bundesregierung gefragt und muss auf nationaler Ebene reparaturfördernde Maßnahmen wie Steuervorteile umsetzen und mit gutem Beispiel vorangehen. Die aktuelle Situation verlangt schnelles Handeln. Praktikable Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch und die positiven Auswirkungen von Reparatur auf die Gesellschaft und Umwelt sind unverkennbar - wir müssen sie nur nutzen.


Autorin Katrin Meyer arbeitet beim Deutschen Naturschutzring zu Abfall und Chemikalien.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.


[1] Cornelis P. Baldé et al. (2017): The Global E-waste Monitor - 2017. 
http://collections.unu.edu/eserv/UNU:6341/Global-E-waste_Monitor_2017__electronic_single_pages_.pdf.

[2] Eurostat (2019): Waste Electrical and Electronic Equipment (WEEE).
https://ec.europa.eu/eurostat/web/waste/key-waste-streams/weee.

[3] Umweltbundesamt (2016): Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen "Obsoleszenz".
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_11_2016_einfluss_der_nutzungsdauer_von_produkten_obsoleszenz.pdf

[4] EU-Kommission (2014): Flash Eurobarometer 2014 (Attitudes of Europeans towards Waste Management and Resource Efficiency).
http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/flash/fl_388_en.pdf.

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Quelle:
Rundbrief 1/2019, Seite 38 - 39
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2019

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