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AFRIKA/004: Kenia - Abrißaktionen ohne Vorwarnung, chaotisches Städtewachstum verschärft Armut (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2010

Kenia: Abrissaktionen ohne Vorwarnung - Chaotisches Städtewachstum verschärft Armut

Von Isaiah Esipisu


Nairobi, 11. August (IPS) - Tausende Bewohner kenianischer Städte leben in Häusern, die früher oder später dem Abriss zum Opfer fallen werden. Entwicklungsexperten kritisieren, dass das Wachstum der Städte überstürzt und planlos vorangetrieben wird.

Die Kenianer teilen das Schicksal von Hunderten Millionen Menschen weltweit. Wie eine gemeinsame Studie des Internationalen Instituts für Umwelt und Entwicklung (IIED) und des Weltbevölkerungsfonds UNFPA belegt, wird sich die Notlage der Städtebewohner in Entwicklungsländern dramatisch verschlimmern, wenn die Regierungen keine geeigneten Urbanisierungskonzepte entwerfen. Viele Menschen in prekären Wohnsituationen rutschen immer weiter in die Armut ab und leiden an umweltbedingten Krankheiten.

Allerdings sind längst nicht nur Bewohner von Elendsvierteln betroffen. Mike Maina Kamau wurde eines Morgens in der exklusiven Wohnsiedlung Spring Valley in der Hauptstadt Nairobi durch Bulldozer-Lärm unsanft aus dem Schlaf gerissen. Als er aus dem Fenster schaute, musste er zu seinem Entsetzen feststellen, dass seine umgerechnet 13 Millionen US-Dollar teure Villa gerade mit staatlicher Genehmigung abgerissen wurde.

Auch zahlreiche Tankstellen, Geschäfte und provisorische Slumbehausungen mussten bereits weichen, um genügend Platz für das wilde Wachstum der Stadt mit bereits über drei Millionen Einwohnern zu schaffen. Im Oktober 2008 wurde über Nacht einer der größten Supermärkte des Landes ohne Vorankündigung abgerissen. Dabei wurden Waren im Wert von mehreren Millionen Dollar vernichtet.

Die endlosen Staus während der Hauptverkehrszeiten machten auch den raschen Bau neuer Straßen in und um Nairobi notwendig. Stadtplaner holten längst vergessene Pläne wieder aus den Archiven hervor.


Viele Grundstücke illegal erworben

Manche Grundstücksbesitzer machten die unangenehme Erfahrung, dass sie beim vermeintlich legalen Erwerb ihres Eigentums von korrupten Regierungsbeamten gelinkt worden waren. Abrisskommandos waren umgehend zur Stelle, um die Wohngebäude der Betrugsopfer dem Erdboden gleich zu machen.

Andere Menschen in der Hauptstadt müssen die unmittelbare Nähe der einzigen Abfalldeponie Nairobis ertragen. Die 1970 zunächst provisorisch angelegte Dandora-Müllkippe ist laut dem UN-Umweltprogramm UNEP inzwischen eine der größten Deponien in ganz Afrika. Auch giftige Chemieabfälle werden dort gelagert. Viele Anwohner, vor allem Kinder, sind dadurch bereits erkrankt. Auch die Verseuchung des Nairobi-Flusses wird in erster Linie auf die Müllkippe zurückgeführt.

Das rapide Bevölkerungswachstum hat die Wohnsituation in den meisten Armensiedlungen mittlerweile unerträglich werden lassen. Statistiken der Regierung zufolge leben mittlerweile 60 Prozent aller Einwohner Nairobis in Slums. In Kibera stehen die Hütten so dicht beieinander, dass kein Platz mehr für Latrinen bleibt", kritisierte Josiah Omotto, dessen Organisation 'Umande Trust' für die Rechte der Menschen in Armenvierteln kämpft.

Die Menschen verrichteten ihre Notdurft in Papiertüten, die sie dann einfach wegwerfen würden, berichtete er. Dies führe zum Ausbruch vieler Krankheiten, zumal der Slum nicht an die Kanalisation angeschlossen sei. Nach Soweto in Südafrika ist Kibera das zweitgrößte Township des Kontinents.

Nach neuesten Expertenschätzungen wird die Zahl der Städtebewohner in Afrika bis Mitte dieses Jahrhunderts vermutlich um insgesamt weitere 953 Millionen anwachsen. (Ende/IPS/ck/2010)


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http://www.ipsnews.net/africa/nota.asp?idnews=52410

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2010