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AFRIKA/008: Malawi - Wasser-Kioske, Slumbewohner nehmen Wasserversorgung selbst in die Hand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2010

Malawi: Wasser-Kioske - Slumbewohner nehmen Wasserversorgung selbst in die Hand

Von Charles Mpaka


Blantyre, 23. August (IPS) - Für die meisten Menschen in Malawi ist sauberes Trinkwasser ein unbekannter Luxus, oft nicht verfügbar oder unbezahlbar. In Blantyre, der zweitgrößten Stadt des südostafrikanischen Landes, haben Slumbewohner die Versorgung mit der kostbaren Ressource die eigene Hand genommen und Wasser-Kioske eingerichtet.

Einmal über die stinkende Pfütze gesprungen, vorbei an einer notdürftig mit abgerissenen Säcken abgehängten Toilette und etlichen ärmlichen Wellblechhütten steht sie: eine Betonwand, aus der Wasserhähne ragen.

Frauen und Mädchen zapfen sauberes Wasser in Plastikeimer. Fatima Misoya sammelt das Geld ein. Sie ist stolz auf den Kiosk und ihren Verein, der ihn betreibt: "Die Wassernutzer-Vereinigung hat einen großen Unterschied gemacht. Jetzt müssen wir kein Wasser mehr aus den verdreckten Flüssen holen."

Mehr als die Hälfte der 38 Kioske im Slum Nkolokoti-Kachere wurden einst von den städtischen Wasserwerken Blantyre betrieben, die restlichen von den Chefs religiöser Gruppen und Parteien oder anderen Funktionären. "Die steckten das Geld in die eigene Tasche", berichtet Gloria Matchowa von der Wassernutzer-Vereinigung. Die Wasserwerke drehten daraufhin den Hahn zu.


Raus mit den Zwischenhändlern

Das Schicksal der Menschen war den Wasser-Zwischenverkäufern herzlich egal. Sie lebten selbst nicht in den Elendsquartieren und kamen nur zum Geldverdienen - wenn sie denn kamen. Die Anlagen wurden schlecht gewartet und verfielen. "Die Wasserwerke bauten die Kioske, weil die Menschen hier nicht das Geld haben, sich Wasser in ihre Häuser legen zu lassen", so Matchowa. "Aber verfallene Kioske lösten das Problem auch nicht."

Im Januar 2009 schuldeten die Kiosk-Betreiber den Wasserwerken 11.000 US-Dollar, ein Drittel der Anlagen war entweder defekt oder die Wasserzufuhr gesperrt. Der Großteil der 90.000 Bewohner hatte kein sauberes Wasser. Da richteten sich die Blicke auf die Hauptstadt Lilongwe, wo sich Bewohner eines Armenviertels zu einer Wassernutzer-Vereinigung zusammengeschlossen hatten, um 70.000 Menschen mit Wasser zu versorgen.


Schuldenfrei und profitabel

Einen Monat später folgten die Bewohner von Nkolokoti-Kachere dem Beispiel. Ihre Vereinigung ist offiziell als Kooperative eingetragen, der Verwaltungsrat wird alle zwei Jahre gewählt. Der Betrieb und die Instandhaltung der Kioske machen die Wassernutzer jetzt selbst, das Geld wird pünktlich eingesammelt. Das ist wichtig, denn die Wasserwerke überlassen der Vereinigung die Kioske nur unter der Bedingung, dass die Rechnungen fristgerecht bezahlt werden.

Jetzt profitieren alle: Die Wasserwerke bekommen ihr Geld, die Bewohner fühlen sich für ihre Anlagen verantwortlich und zahlen zudem weniger als früher: Hatten die Zwischenhändler zwischen vier und sechs Cent für 20 Liter verlangt, fallen jetzt nur noch zwei Cent an. Innerhalb von drei Monaten konnten dennoch alle Schulden beglichen und alle Kioske instand gesetzt werden. "Wir haben gelernt, dass Wasser wirklich Big Business ist", sagt Matchowa. "Wenn man ein guter Manager ist, braucht man keine hohen Preise zu nehmen, um auf seinen Schnitt zu kommen."

Die Vereinigung nimmt monatlich rund 10.000 US-Dollar ein. 2.000 Dollar erhalten die Wasserwerke. Der Rest geht in Ersatzteile, den Aufbau und die Ausstattung eines Büros und n die Bildung von Rücklagen, die für die Einrichtung weiterer Kioske gebildet werden. Drei Kioske konnten in den ersten 16 Monaten neu gebaut werden, dieses Jahr sollen zwei weitere fertig werden, 57 Menschen arbeiten für die Vereinigung.


Expansionspläne

Die Idee der Selbstverwaltung der Wasserversorgung stammt von der Nichtregierungsorganisation 'WaterAid' in Malawi. Mitarbeiter Amos Chigwenembe räumt zwar ein, dass Wasserkioske nicht die ideale Art der Trinkwasserversorgung darstellen, vernünftig betrieben könnten sie sie aber die Probleme in Slums oder Behelfssiedlungen ohne wirkliche Infrastruktur lösen helfen.

Ihr Ende der Wasserversorgung haben die Bewohner von Nkolokoti-Kachere gut im Griff. Keinen Einfluss haben sie jedoch auf die Probleme bei ihrem Lieferanten. Die Wasserwerke von Blantyre stehen seit langem in der Kritik, weil sie die 670.000 Einwohner der Stadt nicht zuverlässig versorgen.

Die Wasserwerksleitung macht das verfallene Leitungsnetz verantwortlich, das komplett erneuert werden müsse. Es stammt größtenteils aus den 1960er Jahren, seitdem ist nichts mehr investiert worden. "Das Netz hinkt hinter den Anforderungen der heutigen Zeit weit hinterher", sagt Catherine Chilemba, die für Marketing und Publicity des Wasserversorgers verantwortlich ist.


Investitionsprogramm

Das Rohrnetz ist löchrig, viel Wasser geht auf dem Weg zum Kunden verloren, illegale Zapfstellen sind gang und gäbe. Den Wasserwerken zufolge wurden Wasserrechnungen in Höhe von 20 Millionen Dollar nicht gezahlt.

Im November 2009 versprach die Regierung, fünf Millionen Dollar in die Wasserversorgung des Landes zu investieren, Blantyre soll ein großes Stück vom Kuchen abbekommen. Vorgesehen ist, bis 2013 die tägliche Wasserversorgung von derzeit 78.000 Kubikmeter auf 96.000 zu steigern.

In Nkolokoti-Kachere warten die Wassernutzer mit Spannung auf die Fortschritte. Gegen die Armut könne man nichts tun, meint Gloria Matchowa, "aber wir können sie erträglicher machen durch bezahlbares Trinkwasser. Wenn die Wasserwerke besser arbeiten, können wir zuverlässiger Wasser bereitstellen und unser Geschäft ausweiten." (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.wateraid.org/international/what_we_do/where_we_work/malawi/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52506

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2010