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AFRIKA/080: Wie genmodifizierte Organismen einen Kontinent infiltrieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. März 2015

Afrika: Manipulierte Meinungsbildung - Wie genmodifizierte Organismen einen Kontinent infiltrieren

ein Meinungsbeitrag von Haidee Swanby und Mariann Bassey Orovwuje *


Bild: © La Via Campesina/2007/Creative Commons

"Es besteht kein Zweifel daran, dass afrikanische Kleinbauern viel mehr Unterstützung brauchen. Doch Gensaatgut, das für die großflächige industrielle Produktion entwickelt wurde, hat in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft keinen Platz", heißt es in einem Meinungsbeitrag von Haidee Swanby und Mariann Bassey Orovwuje
Bild: © La Via Campesina/2007/Creative Commons

Johannesburg, 4. März (IPS) - Im Zusammenhang mit genmanipulierten Organismen (GMO) hält sich beharrlich der Mythos, dass GMOs notwendig sind, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Höchst effektive Marketingkampagnen haben uns ins Hirn gemeißelt, dass GMOs in der Lage sind, mehr Nahrung auf geringerer Fläche in umweltfreundlicher Weise zu produzieren. Das Mantra wurde so oft wiederholt, dass es für glaubwürdig befunden wird.

Auf der Suche nach neuen Märkten für ein Produkt, das von vielen anderen abgelehnt wird, hat das von der US-Regierung und multinationalen Konzernen wie 'Monsanto' vorgebetete Mantra inzwischen auch Afrika erreicht.

Während viele Länder über strikte rechtliche Instrumente verfügen, die den Umgang mit GMOs regulieren, kämpfen afrikanische Staaten darum, die rechtlichen, wissenschaftlichen und infrastrukturellen Ressourcen aufzubringen, um ebenfalls dazu in der Lage zu sein.

Dadurch hatte sich die Einführung der GMOs in Afrika verzögert. Doch die Befürworter von GMOs nutzten die Zeit, sich als Berater anzudienen, die für GMO-freundliche Gesetze und agroindustrielle Projekte die Werbetrommel rühren.

Ihre Strategie sieht so aus, dass sie den afrikanischen Regierungen die Einführung von GMOs als Waffen im Kampf gegen den Hunger nahelegen und von Kontroll- und Regulierungsmaßnahmen sowie einer Abschätzung der sozioökonomischen Risiken mit der Begründung abraten, sie seien hinderlich.

Bisher verfügen erst sieben afrikanische Länder über Rechtsrahmen, die den Umgang mit GMOs regeln, und erst vier - Südafrika, Burkina Faso, Ägypten und der Sudan - haben dem kommerziellen Anbau von Genpflanzen zugestimmt.

Die Öffnung der afrikanischen Märkte für GMOs wird nicht nur von 'Beratern' vorangetrieben, sondern auch von einer Reihe 'menschenfreundlicher' Projekte, wie sie mehrheitlich von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung gefördert werden.

Da gibt es zum Beispiel das Projekt 'Wassereffizienter Mais für Afrika' (WEMA), das die Gates-Stiftung in Zusammenarbeit mit Monsanto durchführt. Ursprünglich ging es bei dem Projekt um die Entwicklung dürreresistenter Maisvarietäten. Doch im weiteren Verlauf wurde auch der MON810-Mais der Firma Monsanto einbezogen, der über die besondere Eigenschaft verfügt, sein eigenes Pestizid zu produzieren. Interessanterweise ist das Patent für MON810 kürzlich abgelaufen. Doch Monsanto behält die Patentrechte, wenn der Mais einem weiteren genetischen Eingriff unterzogen wird, um ihn, wie in diesem Fall, gegen Dürren resistent zu machen.

WEMA hat sich nicht nur als zweckdienliches Vehikel für die Einführung des umstrittenen Monsanto-Produkts herausgestellt, sondern auch als Instrument, um politischen Einfluss auf die Länder zu nehmen, in denen solche Projekte umgesetzt werden.

So verweigert die Gates-Stiftung die Durchführung von WEMA-Feldversuchen in Tansania und Mosambik, es sei denn, beide Länder ziehen ihre strikten Gesetze zurück, die WEMA und Unternehmen, die GMOs verkaufen, für die möglicherweise auftretenden Schäden haftbar machen.

Die WEMA-Projektgeber haben zudem Gesetzesklauseln kritisiert, die eine Untersuchung der sozioökonomischen Folgen von GMOs erforderlich machen. Zur Begründung heißt es, dass ausschließlich wissenschaftliche Erkenntnisse den Ausschlag für solche Bestimmungen geben sollten. Doch sehr oft wird die Forschung von der Biotechnologieindustrie beeinflusst.

Die afrikanische Zivilgesellschaft und kleinbäuerliche Organisationen bemühen sich derzeit um eine Art Biosicherheitsgesetz, um Mensch und Natur vor den möglichen Risiken der GMOs zu schützen. Sie wehren sich also gegen solche Gesetze, die die Einführung dieser gänzlich unpassenden Technologie ermöglichen.

Etwa 80 Prozent der Nahrungsmittel des Kontinents werden von Kleinbauern produziert, die selten mehr als zwei Hektar Land, meist sehr viel weniger, bewirtschaften. Die meisten Farmer sind Frauen, die keinen Zugang zu Finanzmitteln haben und deren Landbesitzverhältnisse oftmals unsicher sind. Dass es ihnen trotzdem gelingt, den Löwenanteil des Nahrungsmittelbedarfs des Kontinents ohne gekauftes Saatgut, Chemikalien, Landmaschinen, Bewässerung oder Subventionen zu decken, zeugt von ihrer Resilienz und ihrem unerhörten Einfallsreichtum.

Afrikanische Bauern haben viel zu verlieren, sollten GMOs auf dem Kontinent eingeführt werden. Es geht um die Vielfalt der afrikanischen Landwirtschaft, ihre robuste Resilienz und den sozialen Zusammenhalt, der auf einer Kultur des Teilens und des gemeinsamen Handels beruht, die für einige abwechslungslose Massenprodukte ausländischer Herren geopfert werden sollen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass afrikanische Kleinbauern viel mehr Unterstützung brauchen. Doch Gensaatgut, das für die großflächige industrielle Produktion entwickelt wurde, hat in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft keinen Platz. Das Mantra, das GMOs notwendig sind, um Ernährungssicherheit zu garantieren, durchdringt einen politischen Raum, der eigentlich für Lösungen zugunsten der kleinbäuerlichen Landwirtschaft genutzt werden sollte.

Nur eine kleine Fraktion von Bauern wird sich das Gentechnologiepaket leisten können. In Südafrika beispielsweise, wo der 85 Prozent der Maisproduktion auf GMOs basiert, ist das Gensaatgut um das Zwei- bis Fünffache teurer als die herkömmlichen Saatkörner und muss jedes Jahr neu gekauft werden. Hinzu kommen die Kosten für teure Chemikalien und Dünger, die in großen Mengen eingesetzt werden müssen.

Und zu allem Übel nimmt die Ernährungssicherheit in Südafrika nach 16 Jahren Genmais, Gensoja und Genbaumwolle weiter ab. So sind 46 Prozent der Bevölkerung von Ernährungsunsicherheit betroffen.

Der Gedanke mag verlockend sein, den Hunger mit einer solchen Technologie zu überwinden. Doch die afrikanische Sozialbewegung warnt davor, dass verzerrte Machtverhältnisse wie unfaire Handelsabkommen, Subventionen, Patente auf Saatgut und das Aufzwingen der patentierten Technologie die Armut dauerhaft etablieren. Der Hunger ist nur dann zu besiegen, wenn die Machtverhältnisse verändert werden und Kleinbauern in Afrika die Kontrolle über die Nahrungsmittelproduktion erhalten.

Eine wachsende globale Bewegung ruft die Regierungen dazu auf, den Kleinbauern und einer ökologischen Landwirtschaft den Vorrang vor der Agroindustrie zu geben, damit die Kleinbauern selber bestimmen können, was sie anpflanzen wollen, damit sie ihr Saatgut untereinander tauschen und auf starken lokalen Märkten verkaufen können. (Ende/IPS/kb/2015)

* Haidee Swanby ist Forscherin am 'African Centre for Biodiversity' (ACB), einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz im südafrikanischen Johannesburg. Die Arbeit des ACB konzentriert sich darauf, die strukturellen Ungleichheiten in den Nahrungs- und Agrarsystemen in Afrika aufzudecken und für Nahrungssouveränität zu werben.

* Mariann Bassey Orovwuje ist Anwältin und Umweltaktivistin, die sich für die Menschen- und Nahrungsrechte einsetzt. Sie ist zudem für das Nahrungssouveränitätsprogramm von 'Environmental Rights Action/Friends of the Earth Nigeria' (ERA/FoEN) zuständig und koordiniert die FoE-Kampagne für das afrikanische Nahrungssouveränitätsprogramm.


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/03/opinion-manipulate-and-mislead-how-gmos-are-infiltrating-africa/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2015

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