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ARTENRAUB/054: Jamaika - Papageieneier in Kuchenschachteln geschmuggelt, Tierschützer schlagen Alarm (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. März 2012

Jamaika: Papageieneier in Kuchenschachteln geschmuggelt - Tierschützer schlagen Alarm

von Zadie Neufville

Jamaika-Amazone - Bild: © Ajani Francis/IPS

Jamaika-Amazone
Bild: © Ajani Francis/IPS

Kingston, 14. März (IPS) - Die Neuigkeit aus dem Wiener Tiergarten Schönbrunn hat die Behörden in Jamaika schockiert. 45 Papageien einer bedrohten Art schlüpften aus Eiern, die in Rumkuchenschachteln von der Insel geschmuggelt wurden.

Die 23 Jamaika- und 22 noch selteneren Rotspiegelamazonen waren aus insgesamt 74 Eiern ausgebrütet worden, die österreichische Touristen mit nach Hause nahmen. Beide Spezies gelten als vom Aussterben bedroht.

Umweltschützer befürchten, dass die jamaikanischen Behörden angesichts der steigenden Nachfrage nach exotischen Tieren nicht mehr in der Lage sind, die natürlichen Ressourcen des Karibikstaates zu schützen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass seltene Tiere in Jamaika Urlaubern zum Verkauf angeboten werden.

"Mit einheimischen Arten wird reger Handel betrieben", sagte die Zoologin Karlene Craig IPS. "Unsere Vögel sind gefragte Haustiere. Die Rotspiegelamazone ist weniger aggressiv und laut als andere Papageien. Sie spricht außerdem viel und ist daher unterhaltsam."

Nicht nur Ziervögel, sondern auch andere Tiere sind in Jamaika offenbar eine begehrte Beute von Schmugglern geworden. Die Umweltbehörde NEPA räumte kürzlich ein, vertrauliche Informationen über den illegalen Tierhandel erhalten zu haben. Man werde die Fahndungen verstärken und die Allgemeinheit für den Wert der Artenvielfalt sensibilisieren, hieß es.

Eine Sondereinheit der Polizei ist dafür zuständig, die Einhaltung der Umweltgesetze zu überwachen. Eine weitere Waffe im Kampf gegen den Tierschmuggel ist der Bericht zur Lage der Umwelt aus dem Jahr 2010, der einen Überblick über den Zustand des Naturerbes der Insel gibt. NEPA zufolge hilft der Report außerdem dabei, die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu verwalten.


Meeresschildkröten besser geschützt als früher

Zum Schutz der Biodiversität sind zahlreiche weitere Programme aufgelegt worden. Das 'Sea Turtle Monitoring Project', das brütende Meeresschildkröten auf der Insel schützen soll, wird gemeinsam von NEPA und nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt.

Nahe der bei Touristen beliebten Stadt Negril haben die Mitglieder der 'Bluefields Bay Fischermen's Friendly Society' durch ihre zehnjährige Arbeit Schildkrötenjägern das Handwerk legen können. "In der Vergangenheit haben wir häufig Panzer getöteter Schildkröten vom Strand aufgesammelt", sagte der Sprecher der Vereinigung, Wolde Cristos. "Im vergangenen Jahr und dieses Jahr haben wir aber noch keine toten Schildkröten gefunden. Wir haben außerdem 40 Nester geschützt und 1.500 Baby-Schildkröten zum Meer geleitet."

Trotz dieser Initiativen ist Jamaika auf dem 'Environmental Performance Index' stark abgesunken. 2008 belegte das Land noch Rang 54 von 149 Staaten, rutschte 2011 auf den 89. Platz von 163 Ländern ab. 2012 liegt Jamaika an 63. Stelle von 132 Ländern.

Byron Wilson von der 'University of the West Indies' (UWI) sieht die Probleme dadurch verschärft, dass viele Jamaikaner wenig Umweltbewusstsein zeigen. Der Leiter des 'Iguana Headstart and Management Project' nannte Inkompetenz, die Zerstörung von Habitaten durch illegalen Holzschlag und Kohleverbrennung sowie Korruption und eine mangelnde Anwendung der Gesetze als einige der Hauptbedrohungen für wild lebende Tiere.

In 15 Jahren hat die Organisation erreicht, dass die Zahl der brütenden weiblichen Leguane von sechs auf 33 gestiegen ist. Baby-Echsen werden im 'Hope Zoo' der Hauptstadt Kingston aufgezogen, bis sie selbst Raubtiere abwehren können.

Dennoch befürchten Beobachter, dass Leguane Schmugglern in die Hände gefallen sind. Craig ist besorgt darüber, dass Echsen nicht nur Zoos in den USA zugeführt wurden, sondern sehr seltene Spezies auch gegessen wurden.


Immer mehr private Zoos

Unabhängigen Berichten zufolge gibt es immer mehr private Menagerien. Eine wachsende Zahl von Touristen ordere Exemplare seltener Arten, hieß es. Die Bestelllisten umfassten oftmals Echte Karett-, Lederrücken- und Schmuckschildkröten sowie die jamaikanische Boa und Krokodile, die alle unter Naturschutz stehen. Die Karibentaube ist besonders bei wohlhabenden Einheimischen begehrt.

Jamaikanische Aktivisten beobachten auch einen zunehmenden Tierhandel im Inland. Dafür werden unter anderem die Ernährungsgewohnheiten kürzlich eingewanderter Chinesen verantwortlich gemacht. An manchen Stränden werden tote Haie angeschwemmt, denen die Flossen fehlen.

Craig und Wilson kritisieren, dass zu wenig auf die Einhaltung der Gesetze geachtet werde. "Die Wildhüter überwachen nur die Randzonen und Straßen in Naturschutzgebieten", erklärte Wilson. Für den Anstieg des Tierschmuggels macht er auch die zunehmende Korruption verantwortlich.

Auf der Skala der Länder mit endemischen Tierarten wird Jamaika auf Platz 5 eingeordnet. 37 jamaikanische Spezies stehen allerdings auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN). 52 Tierarten und 209 Pflanzenspezies werden als gefährdet eingestuft. Die Insel befindet sich außerdem auf dem fünften Rang unter den Ländern mit vom Aussterben bedrohten Arten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.iucn.org/
http://bluefieldsbayfishers.wordpress.com/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107043

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2012