WWF Magazin, Ausgabe 04/2024
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature
Projekt
König ohne Reich
von Dr. Kathrin Bendixen, WWF
Algerien: kein Löwe. Burundi: Population erloschen. Libanon, Marokko, Tunesien, Eritrea, Gambia und viele mehr: In all diesen Ländern lebt kein einziger Löwe mehr. Gab es vor hundert Jahren noch etwa 200.000 Löwen auf der Erde, sind es heute weniger als 25.000.
Löwen sind atemberaubende Geschöpfe - und das Sinnbild für Afrikas
Tierwelt. Allein das ist Grund genug, sie zu schützen. Doch sie sind
noch viel mehr: Löwen sind eine Schlüsselart mit erheblichem Einfluss
auf ihren Lebensraum. An der Spitze des Nahrungsnetzes regulieren sie
die Bestände anderer Arten und tragen zu gesunden Populationen bei.
Ähnlich wie Haie als "Gesundheitspolizei" der Meere sorgen Löwen für
stabile Ökosysteme. "Wo sie fehlen, verändern sich in einer
Dominoreaktion die Bestände zahlreicher anderer Arten. Das wiederum
beeinflusst die Zusammensetzung von Pflanzengesellschaften", erklärt
Dr. William-Georges Crosmary, Projektmanager beim WWF. "Damit könnten
Ökosysteme auch ihre Fähigkeit zur Kohlenstoffspeicherung verlieren,
mit der sie die Auswirkungen des Klimawandels abpuffern."
Ein Vergleich der historischen und heutigen Verbreitungsgebiete macht klar: Etwa 90 Prozent seines ehemaligen Areals hat der Löwe bereits verloren. Und dieser Trend beschleunigt sich. Aktuelle Prognosen besagen, dass die Löwenbestände in den nächsten zwei Jahrzehnten um weitere 50 Prozent zurückgehen könnten. Die Gründe für den Artenschwund sind in etwa die gleichen wie überall auf der Welt: Menschliche Siedlungen dehnen sich stetig aus. Die Viehherden werden größer, die Konflikte mit den Menschen häufen sich. So verlieren die Löwen immer mehr Lebensraum und einzelne Populationen werden isoliert. Gleichzeitig verschlechtert sich der Zustand der verbliebenen Lebensräume. Wilderei, illegaler Handel und nicht zuletzt der Klimawandel tun ein Übriges. Die Verantwortung dafür tragen wir Menschen - und wir sind es auch, die jetzt handeln müssen. Schutzgebiete sind ein Teil der Lösung, reichen aber bei Weitem nicht aus, um die Zukunft der Löwen zu sichern. Nur etwa 56 Prozent ihres heutigen Verbreitungsgebiets befinden sich innerhalb von Nationalparks und geschützten Flächen, der Rest liegt auf kommunalem Land und in ländlichen Gebieten.
Die Konflikte zwischen Menschen und Löwen zu lösen oder zu verhindern, ist ein zentraler Baustein der Arbeit des WWF. Konflikte entstehen, weil Menschen und Löwen gezwungenermaßen immer enger aneinanderrücken. Die Folgen: Vieh wird gerissen, Menschenleben sind in Gefahr, Löwen werden aus Rache getötet. Was ist die Lösung? "Die Menschen wollen Sicherheit für ihre Familien und ihr Vieh. Dafür müssen sie wissen, wo sich Löwen aufhalten", sagt William Crosmary. Kamerafallen und GPS- Senderdaten zum Beispiel geben Aufschluss darüber, wo sich Löwenrudel aufhalten, wohin junge Männchen abwandern und an welchen Stellen sie in die Nähe von Siedlungen gelangen. Die Gemeinden stellen Löwenwächter:innen oder Gemeindescouts, die die Bewegungen von Löwen im Blick haben und frühzeitig warnen. Bei all diesen Maßnahmen arbeitet der WWF vor Ort erfolgreich mit erfahrenen Partnerorganisationen zusammen - so wie auch beim Training der Löwenwächter:innen und der Finanzierung von Gehältern und Arbeitsmaterialien.
Der beste Schutz für das Vieh ist es, gar nicht erst in Gefahr zu geraten. Dafür sorgen löwensichere Kraals. Das sind Umfriedungen, in denen das Vieh bei Nacht untergebracht wird. Kraals gibt es in zwei Varianten. Einmal als permanente Einzäunung, die so stabil ist, dass es für einen Löwen sehr schwer wird, dieses Hindernis zu überwinden. Für Viehherden fernab der Siedlungen eignet sich die mobile Variante mit blickdichten Planen. "Es ist überraschend, wie gut die Kraals funktionieren. Wenn der Löwe nicht sehen kann, was sich auf der anderen Seite des Zauns verbirgt, versucht er erst gar nicht, das Hindernis zu überwinden - auch wenn es dahinter verdächtig gut nach Beute riecht." Der vom WWF und von anderen Partnern finanzierte Bau von fast 400 löwensicheren Kraals sowie die Einführung der mobilen Variante haben in Konflikt-Hotspots der Sambesi-Region in Namibia die Zahl der durch Löwen getöteten Rinder um 80 Prozent gesenkt. "In der Folge gab es fast keine Vergeltungsschläge mehr gegen Löwen", berichtet William Crosmary.
Wenn es gelingt, das Leben mit den Löwen für die Menschen attraktiver
zu machen als ohne Löwen, dann eröffnen sich weitere Perspektiven:
Pilotprojekte des WWF in Namibia zum Beispiel erproben derzeit die
Idee der Wildlife Credits. Mit diesem ausgeklügelten System sollen
Gemeinden finanziell belohnt werden, wenn sie sich nachweislich für
die Löwen auf ihrem Gemeindeland einsetzen. Der WWF unterstützt
Partnerorganisationen bei der Einführung des Systems und beim
Monitoring der Beutegreifer-Populationen. Finanziert werden die
Credits unter anderem durch Veranstalter für nachhaltigen Tourismus.
Namibia und Botswana, Sambia, Simbabwe, Tansania und Kenia - in diesen
und vielen weiteren Ländern gibt es noch überlebensfähige
Löwenpopulationen. Es braucht Anreize, die den Menschen zeigen, welche
Vorteile sie vom Zusammenleben mit den Löwen haben. Gelingt das, haben
die Löwen eine Zukunft. Expert:innen schätzen, dass die
Löwenpopulation wieder auf 85000 Tiere ansteigen könnte und die Löwen
auch an Orte zurückkehren könnten, aus denen sie vor Jahrzehnten
verschwunden sind.
weitere Informationen (WWF Website):
Vier Frauen, vier Projekte, ein Ziel: Ganzheitlicher Löwenschutz
Sie engagieren sich - unterstützt vom WWF - in Botswana, Namibia,
Tansania und Simbabwe: Vier Forscherinnen mit ihren Projekten zum
Schutz der Löwen...
https://www.wwf.de/themen-projekte/bedrohte-tier-und-pflanzenarten/loewen/ganzheitlicher-loewenschutz-vier-frauen-vier-projekte
*
Quelle:
WWF Magazin 04/2024, Seite 26-20
Herausgeber:
WWF Deutschland
Reinhardtstraße 18, 10117 Berlin
Tel.: 030/311 777 700
E-Mail: info@wwf.de
Internet: www.wwf.de
Die Zeitschrift für Förderinnen und Förderer des WWF Deutschland
erscheint vierteljährlich
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 22. August 2025
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