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ASIEN/001: Hoffnung für Tiger und Tapir - Großprojekt Harapan in Indonesien (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/10
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Hoffnung für Tiger und Tapir
Das neue Großprojekt Harapan in Indonesien

Von Annika Natus


"Wo Leben ist, ist Hoffnung", sagt ein Sprichwort. Es gibt mindestens einen Ort, wo dieses Sprichwort auch umgekehrt zutrifft: "Wo Hoffnung ist, ist Leben". Die Rede ist vom Harapan-Regenwald auf Sumatra, in dem zahlreiche vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten leben.

"Harapan" bedeutet "Hoffnung" auf Indonesisch. Der Name für das zukunftsweisende Pilotprojekt zum Schutz eines der artenreichsten Wälder der Welt ist mit Bedacht gewählt. Nicht nur die rund 100 Projektmitarbeiter vor Ort, sondern auch Naturschützer auf der ganzen Welt schauen hoffnungsfroh auf das 1000 Quadratkilometer große Gebiet in den Provinzen Süd-Sumatra und Jambi auf der indonesischen Insel Sumatra. Denn ist dieses Projekt erfolgreich, könnte es als Modell zum Schutz von weiteren 24 Millionen Hektar sogenanntem Produktions- Tropenwald in Indonesien dienen, die zurzeit weder aktiv bewirtschaftet noch geschützt werden. Der NABU unterstützt das Projekt durch Mittelbeschaffung, technische Beratung und die Kommunikation mit politischen Entscheidungsträgern.


Wiederaufbau statt Abholzung

Schnelle Entscheidungen sind gefragt, denn in erschreckendem Tempo verschwindet der Wald in Indonesien: Noch im Jahr 1900 umfassten die Trockenniederungsregenwälder auf Sumatra etwa 16 Millionen Hektar. Heute sind davon nur noch 400.000 bis 600.000 Hektar übrig. Auch im Harapan-Regenwald fällten die ehemaligen Inhaber der forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte noch bis zum Jahr 2007 Bäume, um das wertvolle Holz zu verkaufen. Es besteht kaum Zweifel daran, dass Harapan ohne die Zusammenarbeit von Naturschutzorganisationen und dem indonesischen Forstministerium über kurz oder lang komplett zerstört worden wäre - durch illegale Abholzung oder durch die legale Umwandlung in Ackerflächen, Palmöl- oder Holzplantagen für die Papier- und Zellstoffindustrie.

Als die Naturschutzorganisationen Burung Indonesia, der britische BirdLife-Partner Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) sowie BirdLife International sich Harapan annahmen, war das Gebiet zudem akut bedroht durch Waldbrände und Wilderei. Doch in unzähligen Gesprächen und komplexen Verhandlungen gelang eine Sensation: Zusammen mit dem indonesischen Forstministerium wurde ein neues Modell zur Bewirtschaftung des Waldes geschaffen: eine neuartige Forstlizenz für den indonesischen Produktionswald.

Was sperrig klingt, ist beim näheren Hinsehen überaus pragmatisch und bietet eine Alternative zu der vormaligen Umweltzerstörung. Zuvor waren die Inhaber der Nutzungsrechte verpflichtet, den Produktionswald abzuholzen. Die neue Lizenz erlaubt erstmals ein Waldmanagement, das auf die Wiederherstellung der Ökosysteme und auf Waldschutz ausgerichtet ist. Der Harapan-Regenwald ist das erste und bislang einzige Gebiet, das diese neue Forstlizenz erhalten hat. Das Modell jedoch ist so erfolgversprechend, dass einige andere Organisationen schon beim Forstministerium Anträge für weitere Lizenzen dieser Art für weitere Waldgebiete gestellt haben.


Elefanten und Höckerstörche

Naturschutzorganisationen aus der ganzen Welt kommen nun zur Hilfe, um diese Schatzkiste der Artenvielfalt für die Zukunft zu bewahren. Seltene Tiere wie der Asiatische Elefant, der Schabrackentapir, der Rothund und der als seltenste Storchenart der Welt bekannte Höckerstorch leben in Harapan. Längst nicht alle Tier- und Pflanzenarten sind bislang bestimmt worden. Doch wurden schon mehr als 290 Vogelarten entdeckt, und jüngst machten Wissenschaftler gleich zwei sensationelle Funde: Sie entdeckten in Harapan eine neue Schmetterlingsart für Sumatra und mit Hopea mengerawan eine endemische Pflanzenart, die zuletzt vor vielen Jahren beschrieben worden war. Auch etwa 20 Sumatra-Tiger, von denen weltweit nur noch 100 bis 300 Tiere in freier Wildbahn leben, haben ihr Zuhause im Harapan- Regenwald. Ungewöhnlich ist dieser Artenreichtum für Indonesien freilich nicht. Da sich dort noch mehr als zehn Prozent des weltweiten Regenwaldes befinden, ist das Land eines der biologisch vielfältigsten Länder der Erde.

Wirtschaftlich ausgebeutete Gebiete wie Harapan sind keine Primärwälder mehr, keine völlig unberührte Urwälder also. Dennoch ist es erstaunlich, wie viele Tiere und Pflanzen dort standhalten konnten. Als Lebensraum hat dieser Wald noch immer einen enorm hohen Wert und kann mit fürsorglicher Pflege restauriert werden, so dass er sich wieder zu einer hervorragenden Lebensstätte für Tiere und Pflanzen entwickelt. Zwar regeneriert sich der Wald auch ohne menschliches Zutun zu einem gewissen Grad, dennoch müssen zusätzlich auch Bäume gepflanzt werden, um ihn so weit wie möglich in seinen Urzustand vor Beginn der Abholzungen zurückzuversetzen. Dies geschieht nun in einem Ausmaß, wie es in anderen tropischen Wäldern bislang kaum versucht wurde, denn den Naturschützern ist bewusst, dass auch das Überleben der indigenen Bevölkerung entscheidend von dem Wald und seinen Erzeugnissen abhängt.


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Langfristiger Millionenaufwand

Die Arbeit im Harapan-Regenwald ist ein langfristiges Engagement der Naturschutzverbände, da die Waldlizenz für bis zu 100 Jahre gültig ist. Die laufenden Kosten sind beträchtlich: Sie betragen zurzeit mehr als zwei Millionen US-Dollar jährlich. Mit 7,5 Millionen Euro hat jüngst das deutsche Umweltministerium (BMU) über die KfW-Entwicklungsbank im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) der Bundesregierung einen wesentlichen Teil des Finanzbedarfes beigesteuert.

Um den Regenwald zu verwalten, haben Burung Indonesia, RSPB und BirdLife International die gemeinnützige Stiftung "Yayasan Konservasi Ekosistem Hutan Indonesia", kurz Yayasan KEHI, gegründet. In vier Jahren, wenn die Förderung durch die KfW ausläuft, soll sie den langfristigen Schutz des Regenwaldes gewährleisten. Dazu soll ein Treuhänderfonds aufgebaut und mit bis zu 40 Millionen US-Dollar kapitalisiert werden, um mit dem Gewinn der Anlage die Kosten langfristig zu decken. Dies ist eine monumentale Aufgabe, doch die Hoffnung auf das Gelingen des Projektes verbindet Kräfte und Kontinente.

Ausführliche Projektinfos in der Online-Ausgabe


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
• Sumatra-Tiger
• Von einer kleinen Forschungsstation aus wird die Entwicklung
   der Tier- und Pflanzenwelt im Harapan-Regenwald dokumentiert


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/10, S. 22-23
(Text in der Internet-Fassung)
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1500, Fax: 030/284984-2500
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2010