Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

ASIEN/011: Indonesien. Ungeschützt und rechtlos - Arbeiterinnen auf Palmölplantagen (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 106/3.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

tropenwald
Ungeschützt und rechtlos

Von Vinka Siregar


Drei Viertel aller Arbeitskräfte auf Palmöl-Plantagen sind Frauen. Die Unternehmen missachten den Gesundheits- und Arbeitsschutz und profitieren von ihrer schwachen sozialen Stellung.

Die größten Palmöl-Plantagen der Welt liegen in Indonesien. Auch als Palmölproduzent hat Indonesien Malaysia inzwischen überholt und ist damit weltweit an erster Stelle. Nach Daten der indonesischen NGO Sawit Watch steigerte sich die Anbaufläche für Ölpalmen von 5,6 Mio. Hektar (2006) auf 8 Mio. Hektar (2009). Aufgrund dieser rasanten Expansion steht den Indigenen immer weniger Land für den Eigenanbau zur Verfügung, so dass sie sich ihren Lebensunterhalt als PlantagenarbeiterInnen verdienen müssen. Dieser Wandel hat auch Auswirkungen auf das soziale Leben.


Gesundheitsrisiko Palmöl-Plantage

Frauen spielen als Arbeitskräfte auf Palmöl-Plantagen eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Unternehmen bevorzugen weibliche Arbeitskräfte, weil sie fleißiger und zuverlässiger sind, aber auch, weil sie weniger aufmucken. Arbeiten, die vor allem von Frauen verrichtet werden, sind Sprühen von Pestiziden, Düngen, Beschneiden und Bestäuben. Viele dieser Arbeiten sind gesundheitsschädigend, da gefährliche Chemikalien eingesetzt werden. Der allgemeine Gesundheitszustand der Arbeiterinnen ist durchgehend schlecht. Die meisten haben morgens nach dem Aufstehen Atemschwierigkeiten und nach der Arbeit Kopfschmerzen. Häufig müssen sie sich übergeben, viele husten Blut.

Der Arbeitsschutz auf den Palmöl-Plantagen erfüllt keine internationalen Standards. Alle weiblichen Arbeitskräfte leiden unter chronischen Krankheiten, teilweise mit Todesfolge. Parsia, eine Sprüherin, die seit acht Jahren auf der Plantage des Unternehmens Sacfindo arbeitet, hat durch den kontinuierlichen Kontakt mit Pestiziden eine Allergie entwickelt. Dieses Risiko tragen alle Sprüherinnen.

Bei der Blütenbestäubung muss die Arbeiterin die mit Chemikalien versetzten Pollen mit dem Mund ansaugen und mit Hilfe eines Schlauchs direkt in die Blüte pusten. Als Arbeitsgerät benutzt sie eine Säuglingsflasche mit einem Schlauch. Es besteht die Gefahr, dass sie den Pollenstaub samt Chemikalien einatmet oder verschluckt und damit ihre Lungen schädigt. Die Sprüherinnen tragen einen mit Pestiziden gefüllten 22Liter-Kanister auf dem Rücken. Die in Europa und Amerika verbotenen Pestizide sind teils mit Wasser verdünnt, teils verwendet man sie unverdünnt. Besonders bei unverdünnten Pestiziden leiden die Sprüherinnen unter Atemschwierigkeiten, Hautirritationen und brennende Augen. Der Geruch der Chemikalien haftet ihrem Körper tagelang an. Früher haben die Frauen die Pestizide per Hand abgepumpt. Heute müssen sie zum Versprühen nur noch auf einen Knopf drücken. Der Nachteil ist allerdings, dass die Pestizide meist hochkonzentriert vorliegen und die Frauen dem feinen Pestizidnebel stärker ausgesetzt sind.

Unabhängig von der Spritzmethode sind Gesundheit und Sicherheit der Sprüherinnen gefährdet, da ihnen keine Schutzbekleidung wie Masken, Schutzbrillen und Handschuhe zur Verfügung steht. Sie tragen höchstens Gummistiefel. Die Chemikalien fließen in die Stiefel und führen zu Verätzungen.

Es ist tragisch, dass die Palmölunternehmen keine Schulungen zur Handhabung der Pestizide und zum Gesundheitsschutz der Sprüherinnen durchführen. Außerdem müssen die Arbeiterinnen ihre Erkrankungen selbst behandeln. Diese "Selbstmedikation" beschränkt sich auf rezeptfreie Schmerzmittel, die sie von ihrem eigenen Geld in kleinen Läden oder Kiosken kaufen müssen.

Darüber hinaus werden den Arbeiterinnen zuerkannte Rechte oft nicht bewilligt. Beispielsweise senken Palmölunternehmen willkürlich den gesetzlichen Mutterschutz von drei auf zwei Monate oder kürzen ohne Begründung den Lohn. Wenn die Arbeiterinnen ihre Rechte einfordern, wird ihnen häufig mit Entlassung gedroht. Weibliche Arbeitskräfte berichten von alltäglichen Sanktionen, Einschüchterungen und menschenunwürdiger Behandlung durch die Vorarbeiter, bis hin zu sexuellen Belästigungen.


Ansätze zur Lösung der Probleme?

Gerade auf dem Land, in Dörfern und auf Plantagen werden die Rechte der Frauen nur mangelhaft geschützt. Zwar existieren Regierungsprogramme für Frauenrechte, doch werden diese nicht ernsthaft umgesetzt. Obwohl es hier erste Erfolge gibt, können die Frauen auch an den Projekten indonesischer NGOs häufig nicht teilnehmen, weil ihre Familien sie unter Druck setzen. Abgesehen von gezieltem Druck der Männer hindert ihre traditionell schwache soziale Stellung die Frauen daran aktiv für ihre Rechte einzutreten. Viele Frauen haben bisher nicht den Mut sich von alten ungeschriebenen Gesetzen und Traditionen zu lösen, nach denen sie nicht reden und ihre Ansichten nicht äußern dürfen.

Eine meiner Interviewpartnerinnen, eine Grundschullehrerin, die nicht namentlich genannt sein möchte, ist über die Lage der Plantagenarbeiterinnen bestürzt. Viele Frauen wollen ihren Mann unterstützen und zum Lebensunterhalt beitragen, wissen aber nicht welche Möglichkeiten es außer der Plantagenarbeit gibt. Die meisten Männer bringen ihre Frauen und Kinder mit auf die Plantage, um ihr Arbeitssoll erfüllen zu können. Die Unternehmen akzeptieren dies stillschweigend, weil sie diese "Freiwilligen" nicht bezahlen müssen.

Doch es gibt auch Lichtblicke. Die Lehrerin ist überzeugt, dass Frauen auch auf andere Weise zum Einkommen der Familie beitragen können. "Frauen müssen selbständig sein und ihre Rechte kennen und sie bekommen". Sie hat deshalb selbst ein kleines Unternehmen zur Produktion von Tempe (fermentierte Sojabohnen) gegründet. Sie beschäftigt drei Frauen aus ihrem Dorf, die bestätigen, dass dieses für sie gewagte Projekt ihnen Unabhängigkeit und Zufriedenheit verschafft.

Der Mut dieser Lehrerin könnte andere motivieren, für die Rechte aller Frauen zu kämpfen. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die Situation der Arbeiterinnen auf den Palmöl-Plantagen verbessert werden muss, weil sie das Gros der Arbeitskräfte stellen und eine wichtige Rolle bei der Produktion von Palmöl spielen. Dazu muss es einen gesetzlichen Schutz ihrer Rechte geben und dieser auch durchgesetzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die verschiedenen Akteure zusammenarbeiten: staatliche Stellen, NGOs, aber auch führende Persönlichkeiten der lokalen Gesellschaft und nicht zuletzt die Frauen selbst.

Vinka Siregar hat im Rahmen ihrer Diplomarbeit über die Folgen der Palmölexpansion auf Kleinbauern in Indonesien geforscht. Sie absolvierte ein Praktikum bei Watch Indonesia!, www.watchindonesia.org


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Akutes Gesundheitsrisiko für die Sprüherinnen - hier auf einer Plantage in Kalimantan
In der Mehrzahl arbeiten Frauen auf den indonesischen Palmöl-Plantagen. Ihre Rechte stehen zwar im Regierungsprogramm, werden aber nicht ernsthaft umgesetzt

Anmerkung der SB-Redaktion:

in Wood Magazin-Schwerpunkt zum Thema Palmöl im Schattenblick unter
Infopool → Umwelt → Landwirtschaft →
ANBAU/121: Raubbau für Palmöl, Indonesien - Der Palmöl-Hype (ROBIN WOOD-Magazin)
ANBAU/122: Raubbau für Palmöl, Indonesien - Palmöl heizt dem Klima ein (ROBIN WOOD-Magazin)
ANBAU/123: Raubbau für Palmöl, Indonesien - Im Würgegriff der Palmöl- Mafia (ROBIN WOOD-Magazin)
ANBAU/124: Raubbau für Palmöl, Indonesien - Grüne Monotonie (ROBIN WOOD-Magazin)
ANBAU/125: Raubbau für Palmöl, Indonesien - Wilmar... schneller, größer, weiter (ROBIN WOOD-Magazin)

sowie ein weiterer Artikel aus dieser Ausgabe unter:
Infopool → Umwelt → Industrie →
INITIATIVE/281: Palmöl - Stoppt Unilevers schmierige Geschäfte mit Rama (ROBIN WOOD-Magazin)


*


Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 106/3.2010, S. 20-21
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
Rosa-Luxemburg-Str. 24, 16303 Schwedt
Tel.: 03332/2520-10, Fax: 03332/2520-11
E-Mail: magazin@robinwood.de

Magazin zu beziehen über:
Robin Wood e.V. Bremen, Geschäftsstelle
Postfach 10 21 22, 28021 Bremen
Tel.: 0421/59 828-8, Tel.: 0421/59 828-72
E-Mail: info@robinwood.de
Internet: www.robinwood.de

Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand
Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins
ist im Mitgliedsbeitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2010