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DESERTIFIKATION/009: Vietnam - Küstenerosion bedroht Mensch und Natur (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. November 2012

Vietnam: Küstenerosion bedroht Mensch und Natur

von Thuy Binh


Küstenbewohner sichern ihre Häuser mit Steinen und Sandsäcken - Bild: © Thuy Binh/IPS

Küstenbewohner sichern ihre Häuser mit Steinen und Sandsäcken
Bild: © Thuy Binh/IPS

An Bien, 27. November (IPS) - Viele Familien im Südwesten Vietnams sind im vergangenen Jahrzehnt mindestens alle zwei Jahre einmal aus ihren Häusern vertrieben worden. Der Grund waren nicht wirtschaftliche Turbulenzen oder politische Unruhen, sondern extreme Wetterbedingungen, die die Küstenerosion vorantreiben.

Die Bewohner des Küstenbezirks An Bien mussten wiederholt vor starken Stürmen und ansteigendem Meeresspiegel fliehen. Durch diese Naturphänomene haben sie zunehmend Land verloren. "Jedes Jahr spülen die Wellen etwa drei bis vier Meter Land weg", sagt ein 47-jähriger Fischer aus der Gemeinde Tay Yen. "Unsere Familie musste fünf Mal umziehen, und unser neues Haus liegt vier Meter vom Wasser entfernt."

Offensichtlich ist das nicht weit genug. Die Fußböden sind bereits vom Meerwasser durchweicht. Ein Baum, der sich früher im Vorgarten des Fischers befand, ragt nun aus den Fluten hervor. Wenn er mehr Geld hätte, würde er umziehen, erklärt der Mann, der seit 20 Jahren in dem Ort wohnt.

Die Tatsache, dass es vielen Küstengemeinden in dem südostasiatischen Land nicht besser geht, ist lediglich ein schwacher Trost. Auch im Mekong-Delta sind zahlreiche Menschen in einer ähnlichen Notlage. Über die zentrale Küstenregion und das Mekong-Delta fegen seit Langem Taifune hinweg, die in den vergangenen Jahren immer heftiger geworden sind. Durch diese Stürme und den ansteigenden Meerespegel werden die Küstengebiete zunehmend bedroht.


Vietnam laut Weltbank durch Meeresspiegelanstieg besonders stark bedroht

Die Weltbank stellte in einem vor zwei Jahren veröffentlichten Bericht fest, dass Vietnam längere Taifune und Flutperioden erlebt und die Stürme Kurs auf neue Gebiete an der Küste nehmen. Vietnam zähle zu den fünf Ländern der Welt, die am stärksten vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht seien, geht aus dem Report hervor. Untersuchungen zufolge hat sich der Wasserpegel zwischen 1993 und 2008 um jährlich drei Millimeter erhöht.

Als einen der Gründe für diese Entwicklung nennt der Bericht die fortschreitende Küstenerosion. In manchen Gebieten verschwinden auf diese Weise jährlich etwa fünf bis zehn Meter Land. In anderen Zonen betragen die Verluste sogar einen Kilometer im Jahr. Der Anstieg des Pegels wird voraussichtlich dazu führen, dass die Wasseradern im Küstenbereich zunehmend versalzen und es häufiger zu Überschwemmungen kommt.

"Fünf von sechs kleinen Dörfern in Tay Yen sind durch den Wasseranstieg direkt gefährdet", sagt der Vizevorsitzende der Gemeinde, Tran Van Giang. Viele Gebiete in der Provinz Kien Giang, etwa 250 Kilometer von Ho-Chi-Min-Stadt entfernt, erleben zurzeit, dass jährlich 25 Meter ihrer Küstenstreifen erodieren. Experten schätzen, dass bereits ein Drittel der Küste durch Erdrutsche zerstört wurde.

Auch weite Teile der Mangrovenwälder in der Provinz sind durch Erosion vernichtet worden. Ein Vertreter der lokalen Umweltbehörde berichtet vom Verlust der Waldgürtel. Auch Beamte der Provinz Binh Dinh im südlichen Zentrum Vietnams sind über die Folgen der Erosion besorgt.

"Jedes Jahr werden mindestens zwei bis drei Häuserreihen - 80 bis 90 Gebäude - weggespült" sagt Do Van Sang, der Direktor des Zentrums für Landentwicklung in der Provinz. Die Behörde ist zuständig für die Umsiedlung von Menschen in hochgefährdeten und betroffenen Gebieten in Binh Dinh. Vor Ort getroffene Maßnahmen und die Anstrengungen der Anwohner reichten allein nicht aus, erklärt er.

Pham Van Hung, der das Volkskomitee in einer der Küstengemeinden in Binh Dinh leitet, sieht die zunehmend heftigen Stürme als Hauptgrund für die Beschädigung und den Verlust von Eigentum. "Seit 2000 hat es in der Gegend starke Fluten gegeben. Bei Stürmen wurden 1998 und 2001 52 Häuser vollständig zerstört."

Andere Experten betrachten den Schwund der Mangrovenwälder als Hauptursache für die zunehmenden Schäden. Laut Le Thi Huong, die seit 30 Jahren nahe dem Mündungstrichter des Mai Huong in Kien Giang lebt, befanden sich zudem die Mangrovenwälder vor ihrem Haus einst in drei Kilometern Entfernung zur Küste. Inzwischen ist das Meer nur noch ein paar Hundert Meter von dem ausgedünnten Wald entfernt.


GIZ-Pilotprojekt im Südwesten Vietnams

Die großen Mangrovenbäume stehen schon längst nicht mehr. "Durch die Erosion stürzen nun weitere Bäume um", berichtet Huong. Einige Anwohner hoffen dennoch, dass die Projekte zur Wiederaufforstung der Mangroven Wirkung zeigen. In dem Dorf Vam Ray im Bezirk Hon Dat in Kien Giang wächst ein Mangrovenwald, der im Rahmen eines Pilotprojekts der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) angelegt wurde.

Mangrovenwälder gelten seit Langem als effizientes Mittel im Kampf gegen Erosion. Nach Angaben der GIZ kann ein solcher Wald "die Stärke der Wellen um 50 bis 67 Prozent reduzieren". Das GIZ-Projekt ist nicht das erste dieser Art in Kien Giang. Die vietnamesische Regierung führt dort bereits seit zehn Jahren Wiederaufforstungsprojekte durch. Die Erfolgsquote liegt bei 50 Prozent.

Um bei dem Pilotprojekt bessere Ergebnisse zu erzielen, entschied die GIZ, sich vor allem auf die Kontrolle der Wellen und des Schlamms zu konzentrieren. Nguyen Huu Hoa, der Leiter der Behörde für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in An Bien, ist davon überzeugt, dass das GIZ-Projekt auch an anderen Stellen umgesetzt werden sollte. "Die Einheimischen können sich dann selbst darum kümmern."

Andere Experten zeigen sich jedoch wegen der hohen Projektkosten skeptisch. Der stellvertretende Direktor der Behörde für Wissenschaft und Technologie in Kien Giang, Phung Van Thanh, meint zudem, dass ein solches Vorhaben in Gebieten mit starker Erosion nicht mehr praktikabel sei. An dem Ort, an dem die GIZ den Mangrovenwald gepflanzt habe, betrage die Bodenerosion nur zehn Meter jährlich. In anderen Gebieten in der Provinz sei sie dagegen mehr als doppelt so hoch. Außerdem werde der vier Hektar breite Mangrovenwald der GIZ größeren Stürmen kaum trotzen können. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.giz.de/de/weltweit/357.html
http://www.ipsnews.net/2012/11/coastal-erosion-reaches-alarming-levels-in-vietnam/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012