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ENERGIE/069: Mikrofinanzierte Solarenergie für Entwicklungsländer (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Dezentrale Energieinfrastruktur
Mikrofinanzierte Solarenergie für Entwicklungsländer

von Lisa Schwarz und Thomas Duveau



Rund ein Drittel der Weltbevölkerung hat bis heute keinen Zugang zu zuverlässigen Stromquellen. Gleichzeitig steigt der weltweite Bedarf an Elektrizität auch in abgelegenen Regionen. Das Berliner Unternehmen Mobisol hat ein sogenanntes Solar Home System inklusive Finanzierung und Garantie entwickelt, dass Solarenergie auch für Haushalte mit Niedrigeinkommen in Ländern des subsaharischen Afrikas erschwinglich macht und dabei eine dezentrale Strominfrastruktur schafft, die den kostspieligen und langwierigen Netzausbau überflüssig macht.


Zugang zu Strom wurde immer wieder als das fehlende Millennium-Entwicklungsziel beschrieben, ohne das andere Ziele wie Gesundheitsvorsorge, Grundbildung und Reduktion von Armut und Hunger nicht erreicht werden können. Weltweit haben etwa 1,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zur Stromversorgung. Ihr Tag beginnt faktisch mit der Morgendämmerung und endet mit Sonnenuntergang; und sie decken ihren Energiebedarf vorwiegend mit gesundheitsschädlichen, umweltverschmutzenden und teuren fossilen Energiequellen. Allein durch den Einsatz von Kerosinlampen werden weltweit jährlich etwa 70 Millionen Tonnen CO2-Emissionen ausgestoßen. Das Einatmen des Rauches von Petroleumlampen führt zu gravierenden gesundheitlichen Problemen, offene Flammen im Haus stellen potenzielle Brandherde dar, und zum Aufladen elektronischer Geräte wie Mobiltelefone müssen weite Wege zu Diesel-Generatoren oder Batterien zurückgelegt werden.

Energiearmut als Hemmfaktor
Eine netzgebundene Energieinfrastruktur ist in vielen Entwicklungsländern, gerade im subsaharischen Afrika, nur rudimentär vorhanden. Wo dies der Fall ist, können die bestehenden Produktionskapazitäten die wachsende Energienachfrage nicht zuverlässig befriedigen. Nach Angaben der Weltbank haben weniger als 25 Prozent der Haushalte im subsaharischen Afrika Zugang zum Stromnetz - im ländlichen Raum sind es unter 10 Prozent. In Ostafrika lebt etwa 70 Prozent der Bevölkerung auf dem Lande.

Zu weit die Entfernungen, zu verstreut die Siedlungen und zu abgeschnitten von Lobbygruppen sind ihre Bewohner, als dass hier die zeitnahe Bereitstellung von staatlichen Stromnetzen realistisch wäre. Die Kosten des Netzausbaus, die technischen Herausforderungen bei Installation und Wartung des Netzes sowie die fehlenden Erzeugungskapazitäten machen eine erfolgreiche Elektrifizierung auf der Basis von Netzausbau (on-grid) immer unwahrscheinlicher. Mit starken Sonneneinstrahlungswerten sind die dezentral gelegenen, ländlichen Gebiete des subsaharischen Afrikas hingegen wie geschaffen für kleinere, dezentrale Solarsysteme. Allerdings haben sich in der Vergangenheit zwei Hauptprobleme bei der Bereitstellung ergeben: Einerseits die Finanzierung der Systeme, andererseits deren Wartung und Instandhaltung, und somit die Nachhaltigkeit der Technik.

Mikrofinanzierung über das Handy
Das Berliner Unternehmen Mobisol begegnet diesen Problemen mit einer innovativen Strategie. Es hat sogenannte Solar Home Systeme entwickelt, die aufgrund einer Mikrofinanzierung auch für Großteile der »base of the economic pyramid« (BoP) erschwinglich sind - jene etwa 4 Mrd. Menschen also, die von weniger als 2-3 USD am Tag leben. Die Preise von Solartechnik fielen in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent. Dennoch können es sich ärmere Haushalte nicht leisten, Solaranlagen bar zu bezahlen. Mobisols mikrofinanziertes Bezahlsystem hingegen ermöglicht Kunden die Anschaffung einer hochwertigen Solaranlage. Die Kunden finanzieren die Anlagen über eine Laufzeit von 36 Monaten, wobei die monatlichen Raten per SMS übers Handy abbezahlt werden - Zugang zum Mobilfunknetz hat heute ein Großteil der afrikanischen Bevölkerung, auch auf dem Lande. So können selbst Kunden ohne eigenes Bankkonto das System erwerben und Familienmitglieder von anderen Orten aus zur Finanzierung beitragen. Die Raten orientieren sich an den vorherigen Ausgaben für fossile Brennstoffe. Nach Abzahlung gehört die Anlage dem Kunden. Mit dem kleinsten System für etwa sieben Euro im Monat können mehrere Räume beleuchtet, ein Radio betrieben und einige Handys aufgeladen werden. Mit den größeren Anlagen für bis zu 32 Euro pro Monat lassen sich auch Laptop, Fernseher und Kühlschrank oder kleine Geschäfte betreiben.

Nachhaltigkeit durch umfassenden Kundendienst
Mit langen Garantiezeiten, klaren Informationen und umfassendem Kundendienst hat es Mobisol geschafft, dass die Kunden seinen Angeboten vertrauen. Zudem ist die Nachhaltigkeit der Technik gewährleistet. Dazu verfolgt das Unternehmen einen zweigleisigen Ansatz: Einerseits baut es in den Projektländern unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort ein Netzwerk gut ausgebildeter und zertifizierter Servicetechniker auf. Andererseits wurde eine innovative Softwareunterstützung für Wartungsprozesse und Kundendienst entwickelt.

Mobisol bietet seine Solarsysteme mit einer Garantie von drei Jahren für die Batterie und zwanzig Jahren für das Panel an. Hinzu kommt ein Service-Paket inklusive Wartung für drei Jahre. Herzstück der Systeme vor Ort ist ein Solarregler mit integriertem GSM-Modem, über das die technischen Daten des Panels, der Batterie und des Verbrauchs alle 15 Minuten in eine web-basierten Datenbank übermittelt, überprüft und gespeichert werden. So können Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Anhand der Daten können lokale Techniker beispielsweise ermitteln, ob ein Panel verschmutzt oder die Batterie übernutzt ist. Der Befund wird dem Kunden telefonisch mitgeteilt, ohne dass sofort eine umständliche Anreise notwendig wäre. Über die Datenbank kann das System auch im Fall eines Diebstahls automatisch gesperrt werden, oder es können automatische SMS mit Wartungsinformationen versandt werden.

Sozioökonomische Chancen durch ländliche Elektrifizierung
Mobisol wurde 2010 gegründet und hat bisher über 3.000 Anlagen in Tansania, Kenia, Ghana und Ruanda installiert. Eine der Kundinnen von Mobisol ist Neema Ayubu. Sie lebt in Maji ya Chai, einer fruchtbaren Hügellandschaft außerhalb der Stadt Arusha in Tansania. Die Mutter von sechs Kindern lebt mit ihrer 11-jährigen Enkelin und ihrem jüngsten Sohn. Ihr ältester Sohn ist im Elektronikhandel in der Wirtschaftsmetropole Daressalam tätig und überweist monatlich die Raten für ihr 200 Wp System über den Handy-Überweisungsdienst M-Pesa.

Mit dem Solarsystem kann die Familie das gesamte Haus beleuchten sowie eine Stereoanlage, ein Radio und einen Fernseher betreiben. Für Neema sind die hellen LED-Lichter das Wichtigste - die Kinder können nun abends unbehelligt von den giftigen Dämpfen der Petroleumlampen ihre Hausaufgaben machen, während Neema ihre Papierarbeit erledigt. Alle fühlen sich sicherer, seit ihr Haus nachts beleuchtet ist. Sie erwägt auch den Kauf eines Kühlschranks - eine Investition, die sie sich leisten kann, seit sie angefangen hat, für Mobisol als zertifizierte Marketing-Agentin zu arbeiten.

Bis heute hat Neema zwölf Mobisol Solar Home Systeme verkauft. Die meisten ihrer Kunden sind Bauern und Viehhirten und leben in verstreut liegenden Siedlungen - es sind Haushalte, die vermutlich nie an das nationale Stromnetz angeschlossen werden. Sie sind froh über Mobisols Ratenmodell, ohne dass sie sich die Anlage nicht leisten können. Über ein Drittel der Kunden nutzt das System für kleine Geschäftsmodelle, deren Einkünfte dann die monatlichen Raten abdecken. Mit von Mobisol zusätzlich vertriebenen Business-Paketen betreiben sie Handyaufladestationen oder einen Friseursalon - oder sie bieten gekühlte Getränke für die Nachbarschaft an.

Afrikas Energieversorgung kann größtenteils dezentral erfolgen
Die Elektrifizierung ländlicher Gebiete ist einer der Schlüsselfaktoren für sozioökonomische Entwicklung und kann in einem gewissen Umfang auch der Landflucht in überfüllte Städte Einhalt bieten. Alle Haushalte kann jedoch auch Mobisols Modell nicht erreichen. Die Ärmsten der Armen leben in einfachsten Hütten aus Lehm und Stroh, in Slums oder Flüchtlingslagern und können auch minimale monatliche Raten nicht entrichten. Hier müsste der Staat - oder eine regionale, nationale oder globale Solidargemeinschaft - einspringen und sicherstellen, dass auch sie Zugang zu essentiellen Grundrechten und Gütern bekommen.

Dabei kann der steigende Energiebedarf des globalen Südens größtenteils über dezentrale erneuerbare Energien befriedigt werden. Elektrifizierungsstrategien werden zunehmend unabhängig vom Ausbau des Stromnetzes, also off-grid geplant, zum Beispiel mit Solar Home Systemen. Elektrifizierungsziele können so unter Umständen sehr viel schneller erreicht werden, als durch die schwierige, kostspielige und langwierige Bereitstellung einer Netzinfrastruktur. Der Zugang zu Mobilfunk hat die Installation einer Festnetzinfrastruktur überflüssig gemacht. Mit dem Zugang zu mobilen Zahlungssystemen erübrigt sich die klassische Bankverbindung. Analog ersetzen dezentrale Solar Home Systeme netzgebundene Infrastrukturen. Darüber hinaus wirkt sich der dezentrale Zugang zu Strom wesentlich positiver auf lokale Wirtschaftskreisläufe und -netzwerke aus. Lokale Infrastrukturen werden somit gestärkt.

Der Beitrag von off-grid Lösungen zur Elektrifizierung zeigt, dass »Entwicklung« nicht eine Wiederholung der Wachstumsprozesse der Industrieländer darstellen muss. Innovative Technologien zur dezentralen Versorgung mit erneuerbarer Energie können anstelle von umweltverschmutzenden fossilen Brennstoffen oder risikoreicher Nuklearenergie eingesetzt werden. Die Fehler, die der globale Norden in punkto Energieversorgung im letzten Jahrhundert gemacht hat, müssen in den aufstrebenden Ökonomien der Nationen des Südens nicht wiederholt werden. Hier kann auch Europa von Afrika lernen.


Lisa Schwarz verantwortet bei Mobisol die externe Kommunikation. Thomas Duveau leitet bei Mobisol den Bereich Business Development.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014, Seite 12-13
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2014