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GLOBAL/037: Expertenrat Biodiversität & Ökosystemdienstleistungen - Warnung von Wissenschaftlern (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressemitteilung, 5. August 2011

Nicht mehr wissenschaftliches, sondern politisch relevantes Wissen für Biodiversität erforderlich!
Offener Brief von Wissenschaftlern zu IPBES in SCIENCE erschienen

Von Tilo Arnhold


Washington. In einem offenen Brief an SCIENCE warnen 28 Wissenschaftler davor, den künftigen globalen Experten-Rat für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen zu sehr an bereits bestehende Gremien wie dem Millennium Assessment oder dem Weltklimarat IPCC anzulehnen und auf rein wissenschaftliche Abschätzungen zu beschränken. Um tatsächlich Entscheidungen 'an der Basis' zu erreichen und zu motivieren, könnten die bereits verfügbaren Modelle nicht einfach für den IPBES-Prozess (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) eins zu eins übernommen werden, schreiben die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazin SCIENCE. Die Erweiterung des wissenschaftlich fundierten Wissens zu den Prozessen, die die biologische Vielfalt weltweit bedrohen, sei zwar wichtig, aber die Ziele des künftigen Biodiversitätsrates sollten weiter gesetzt werden und vor allem Prozesse zum Aufbau von lokalen Kapazitäten stärken.

Die UN-Mitgliedsländer hatten sich im Juni 2010 im südkoreanischen Busan auf die Einrichtung eines neuen internationalen Wissenschaftlergremiums für Biodiversität geeinigt. Im Dezember hatte die UN-Generalversammlung der Gründung des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) zugestimmt. Mit diesem zwischenstaatlichen UN-Ausschuss soll ein neues Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ins Leben gerufen werden. Die konkrete Ausgestaltung ist genauso wie die Finanzierung und der Sitz des neuen Gremiums noch Gegenstand zwischenstaatlicher Verhandlungen. Um den Sitz des Sekretariates von IPBES bewirbt sich auch Deutschland, das Bonn vorgeschlagen hat, wo bereits verschiedenste UN-Organisationen vertreten sind. Eine Entscheidung dazu soll Anfang 2012 fallen.

Mit ihrem offenen Brief reagieren die Wissenschaftler auf einen Artikel, der im März in SCIENCE erschienen war und in dem vier Wissenschaftler Optionen für die Ausgestaltung eines neuen Gremiums diskutieren. Im Mai 2011 trafen sich international renommierte Experten aus Wissenschaft und Politik am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), um zu diskutieren, ob der Weltklimarat in der Tat als ein Vorbild für Politikberatung in anderen Bereichen wie Biodiversität und Ernährungssicherheit dienen kann und welche Alternativen bestehen (http://www.ufz.de/index.php?en=21365). Aus Sicht der Gruppe um Prof. Mike Hulme von der University of East Anglia/Norwich ist es wichtig, Politikberatung nicht auf rein wissenschaftliche Analysen und Bewertungen zu beschränken, sondern auch lokales Wissen einzubeziehen, da sich Veränderungen in der Biodiversität oft zuerst lokal bemerkbar machen und es Jahre dauern kann, bis dieses Wissen in globale Berichte einfließt. "Um das Wissen von lokalen Gruppen und indigenen Völkern mit zu nutzen, reicht es nicht, ausschließlich ein neues Gremium zu schaffen, sondern es sollten das bereits vorhandene Wissen und bestehende Netzwerke aus Wissenschaft, Politik und Akteuren enger verknüpft werden", erläutert Prof. Christoph Görg vom UFZ. Und seine Kollegin Dr. Silke Beck, die den IPCC sozialwissenschaftlich untersucht hat, ergänzt: "Ein neuartiges, dezentrales Netzwerk kann nicht einfach die traditionellen wissenschaftlichen Verfahren übernehmen, sondern erfordert auch neue Formen der Abstimmung und Qualitätskontrolle, die stärker den Bedürfnissen seiner Adressaten Rechnung tragen, offen und transparent und damit auch glaubwürdiger sind."

Görg, Beck und andere UFZ-Wissenschaftler sprechen sich bereits seit mehreren Jahren für die Einrichtung eines neuartigen Gremiums aus, um Experten weltweit zu mobilisieren und Wissen zur Erhaltung der Biodiversität bereit zu stellen. Ein Treffen von 30 internationalen Experten im Oktober 2006 am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung war hierfür ein wichtiger Beitrag im Prozess, der zur Etablierung von IPBES geführt hat.

Tilo Arnhold
http://www.ufz.de/index.php?de=640


Publikationen:

Mike Hulme et al. (2011): I
PBES - beyond science assessments. SCIENCE,
http://www.sciencemag.org/content/current

C. Perrings et al. (2011): The Biodiversity and Ecosystem Services Science-Policy Interface.
SCIENCE Vol. 331 no. 6021 pp. 1139-1140. DOI: 10.1126/science.1202400
http://www.sciencemag.org/content/331/6021/1139.summary

Weitere fachliche Informationen:
Dr. Silke Beck, Prof. Christoph Görg, Dr. Axel Paulsch
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1733, -1628, -1650
http://www.ufz.de/index.php?de=5770
http://www.ufz.de/index.php?de=4986
http://www.ufz.de/index.php?de=18511
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635
http://www.ufz.de/index.php?de=640
sowie
Sebastian Tilch (NeFo-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1062
http://www.biodiversity.de/index.php/de/fuer-presse-medien/medienkontakt


Weiterführende Links:

BMBF-Projekt: Nested Networks: Neue Formen der Governance der globalen Umweltforschung (NESNET): http://www.ufz.de/index.php?de=19865

Offizielle IPBES-Webseite: http://ipbes.net/

IPBES - Welche Rolle spielt Deutschland und seine Forschung künftig im "Weltbiodiversitätsrat"? NeFo organisierte am 7. /8. Juli 2011 in Bonn einen Workshop zur Rolle deutscher Expertise in IPBES:
http://biodiversity.de/index.php/de/biodiversitaet/biodiversitaet-international/ipbes/ipbes-workshop

Hintergrundinfos zu IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services):
http://www.biodiversity.de/index.php/de/biodiversitaet/biodiversitaet-international/ipbes

Wie kann das internationale wissenschaftliche Beratungsgremium IPBES zur Rettung der biologischen Vielfalt beitragen? NeFo-Interview mit Prof. Christoph Görg:
http://www.biodiversity.de/index.php?option=com_content&view=article&id=745%3Ainterview- goerg&catid=114&Itemid=355&lang=de
http://www.biodiv-network.de/upload/papers/Veranstaltungen/Prsentation_Grg.pdf

Ergebnisse von Busan: http://www.unep.org/pdf/SMT_Agenda_Item_5-Busan_Outcome.pdf

Leipzig Workshop Recommendations for a Knowledge-Policy Interface for Biodiversity Governance:
http://www.ufz.de/data/leipzig_recom_final4614.pdf

Wissenschaftler fordern bessere Vernetzung (Pressemitteilung vom 11. Oktober 2006):
http://www.ufz.de/index.php?de=10436

Die biologische Vielfalt der Welt braucht eine bessere Lobby (Pressemitteilung vom 26. September 2006):
http://www.ufz.de/index.php?de=10382


Die Biodiversitätsforschung in Deutschland ist auf zahlreiche Institutionen wie Hochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen und Ressortforschung bis hin zu Naturschutzverbänden und Firmen verteilt. Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, ein Projekt im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland, möchte der Forschungscommunity deshalb eine gemeinsame institutionsunabhängige Kommunikationsstruktur und -kultur anbieten.
Mehr dazu erfahren Sie unter: http://www.biodiversity.de/

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 1000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
http://www.ufz.de/

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 17 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).
http://www.helmholtz.de


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Quelle:
UFZ-Pressemitteilung, 05.08.2011
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tilo Arnhold
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2011