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GLOBAL/109: Wasser, Energie und Ernährungssicherheit - Warum der Nexus-Ansatz ignoriert wird (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Zusammenhang zwischen Wasser, Energie und Ernährungssicherheit
Warum der Nexus-Ansatz im Rio-Prozess und in der Post-2015-Agenda ignoriert wird

von The People's Coalition on Food Sovereignty,



Im Jahr 2013 organisierten das deutsche Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die zweite Konferenz innerhalb von drei Jahren über den Nexus-Ansatz und mit dem Versuch diesen für die Bereiche Wasser, Energie und Ernährungssicherheit als eine wichtige Dimension der globalen Agenda zu positionieren. Ziel war, Politikkohärenz und Verbindungen zwischen unterschiedlichen politischen Ebenen und Sektoren herzustellen, um Herausforderungen zu bewältigen, die die Verteilung knapper Ressourcen mit sich bringt. Theoretisch ist es eine gute Idee, zusammenhängende Lösungen für unsere dringlichsten globalen Probleme zu finden. In der Praxis wurde der Nexus-Ansatz jedoch auf dem Rio+20-Gipfel 2012 nicht verabschiedet und auch im Prozess der Post-2015-Agenda sucht man ihn vergeblich.


Ein aktueller Trend in großen Top-Down-Politikempfehlungen besteht darin, Ressourcenkrisen heraufzubeschwören, die ihren Ursprung im Bevölkerungswachstum, im Raubbau an natürlichen Ressourcen, der Schädigung der Ökosystemdienstleistungen und im Klimawandel haben.


Falsche Prämisse: Ressourcenknappheit bei Land, Energie und Wasser
Auf der Nexus-Konferenz in Bonn 2011 reihte man sich hierein ein, und präsentierte folgendes Szenario: Um Ernährungssicherheit zu gewährleisten, müsste bis 2050 die landwirtschaftliche Produktion weltweit um 70 Prozent gesteigert und die landwirtschaftliche Anbaufläche um 10 Prozent erweitert werden. Nahrungsmittelknappheit wird demnach als Argument benutzt, um die Intensivierung der Nahrungsmittelproduktion durch Großunternehmen im Agrarbereich, Gentechnik und industrielle Dünge- und Bewässerungsmethoden zu rechtfertigen.(1) In Wirklichkeit hat die Nahrungsmittelproduktion weltweit in den letzten 50 Jahren das Bevölkerungswachstum jedoch überholt. Folglich müssen andere Faktoren als Knappheit eine Rolle in der weltweiten Ernährungsunsicherheit spielen, wie beispielsweise das Aufkommen der neoliberalen Globalisierung, die zu einer Zunahme von Spekulationen im Agrarbereich geführt hat. Diese führte zum umfangreichen Erwerb von landwirtschaftlich genutzten Flächen durch ausländische Unternehmen, nicht nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren, der Erweiterung von Ackerfläche zur Nutzung für andere Zwecke als für den menschlichen Verbrauch und instabilen Nahrungsmittelmärkten aufgrund von Rohstoffspekulation.

Dieselbe Sichtweise kommt im Hinblick auf eine sichere Wasserversorgung zum Ausdruck. Im Rahmen der Bonner Konferenz von 2011 wurde behauptet, dass eine Verknappung der Trinkwasserressourcen drohe. Dieses alarmierende Szenario wurde aus der McKinsey & Co-Studie übernommen, die von der Wasserinitiative des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum Water Initiative) benutzt wurde.(2) Es gab jedoch keinerlei Diskussion darüber, dass mit Wasser weltweit Geschäfte im Wert von 400 Milliarden US-Dollar gemacht werden. Dieses Geschäft wird von einer Handvoll europäischer, transnationaler Unternehmen und Konsortien kontrolliert. Mit dabei sind die französischen Multis Vivendi, Suez Lyonnaise und SAUR sowie die britischen Unternehmen Thames Water, Anglia Water und United Utilities.(3) Internationale Finanzinstitutionen und transnationale Konzerne benutzen die drohende Wasserkrise als Rechtfertigung, die Privatisierung und Kommerzialisierung im Wassersektor weiter voranzutreiben, oft unter dem Etikett »öffentlich-private Partnerschaften« (public-private partnerships, PPP).(4)

Und schließlich wurde im Hinblick auf Energiesicherheit in den Bonner Szenarien von 2011 die Prognose aufgestellt, dass die Energienachfrage weltweit bis 2030 um 40 Prozent steigen werde. Energie wird derzeit zwar vor allem aus nicht erneuerbaren Ressourcen gewonnen, insbesondere aus fossilen Brennstoffen, es wurde jedoch auch prognostiziert, dass der prozentuale Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch in naher Zukunft stark zunehmen werde.


Vorgeschlagene Lösung: die Green Economy
Scheinbar wird der Nexus-Ansatz als ein Argument benutzt in der Strategie, weltweit den Übergang zu einer Green Economy zu vollziehen. Deren Befürworter argumentieren, dass im Zuge der Green Economy die Wachstumsmuster durch effizienten Ressourcenverbrauch und mehr politische Kohärenz nachhaltiger gestaltet würden. Dies war auf dem Rio+20-Gipfel im Juni 2012 ein zentrales Thema.

Bei zivilgesellschaftlichen Gruppen und sogar einigen Regierungen findet dieser Ansatz wenig Unterstützung. Sie argumentieren, dass die Green Economy die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung nicht angemessen berücksichtige. Insgesamt könne sich durch die Green Economy die Ungleichheit innerhalb von und zwischen Ländern durchaus noch verstärken, ohne dass vom Pfad der unausweichlichen, ökologischen Katastrophe abgewichen werde, so IBON International, eine zivilgesellschaftliche Organisation aus dem Süden.(5)

Die Green Economy beruht auf der Annahme, dass große Unternehmen, welche den überwiegenden Anteil des weltweiten Kapitals besitzen, eine Führungsrolle übernehmen. Wie man im Fall sogenannter »grüner Landwirtschaft« (green agriculture) beobachten konnte, ist das eine gefährliche Annahme. Kleinbauern werden ermutigt, »verstärkt grüne Landwirtschaft zu betreiben und dabei mit den großen Agrarunternehmen zusammenzuarbeiten«. Die weltweit führenden 40 Agrarunternehmen würden dann Investitionsentscheidungen treffen, die den Charakter »grüner und nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken« definieren.(6) Solche Schritte haben der Landwirtschaft vor Ort oft mehr geschadet als genutzt.

Das Green Economy-Paradigma begünstigt des Weiteren die Kommerzialisierung von Lösungen im Hinblick auf den Klimawandel. Dabei werden Kohlenstoffmärkte stark gefördert, welche allerdings die globalen Treibhausgasemissionen nicht wirklich reduzieren und die Verantwortung zur Reduzierung von Emissionen stattdessen von einer Instanz auf eine andere abwälzen. IBON warnt davor, dass Kohlenstoffmärkte sich wie Finanzderivate und Termingeschäfte verhalten könnten, welche in der Finanzkrise 2008 eine große Rolle spielten. So ist das Neuland einer blühenden Green Economy nur ein neuer Weg, die Ungleichheit der globalen Nord-Süd-Beziehungen aufrechtzuerhalten.


Rio 2012 und die Post-2015-Agenda: Kein Nexus in Sicht
Auf dem Rio+20-Gipfel sprach sich neben Organisationen der Zivilgesellschaft auch die Gruppe der 77 und China nachdrücklich dagegen aus, das Konzept der Green Economy als Rahmen für nachhaltige Entwicklung zu verwenden. Es gelang der G77 und China erfolgreich zu verhindern, dass die Idee einer Green Economy vorgeschriebenes Leitbild wurde, das spezielle Belastungen oder Rechtfertigungen für restriktive Handelsmaßnahmen beinhaltet hätte. Die Gruppe behauptete, dass eine Green Economy nur einer von vielen Ansätzen wäre und kein primär neues Konzept(7) und erklärte, dass politische Maßnahmen hin zu einer Green Economy im Kontext nationaler Strategien für nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung gesehen werden müssten.(8)

Die Green Economy wird als scheinheilige Taktik der Industrieländer kritisiert, ihrer kränkelnden Wirtschaft wieder auf die Füße helfen zu wollen, indem sie sich die Technologie und den Transfer von Dienstleistungen zu Nutze machten, welche die Länder im Süden benötigten, um ihre Politik vor Ort »grüner« zu gestalten. Die Länder im Norden wären im Gegenzug allerdings nicht gewillt, ähnliche Verpflichtungen einzugehen. Claudia Salerno, Delegierte aus Venezuela, nannte das Konzept der Green Economy eine »Maske für Kapitalismus« und ein »neokoloniales Instrument« und berief sich darauf, dass jedes Land das souveräne Recht habe, über sein eigenes Leitbild für nachhaltige Entwicklung zu entscheiden.(9)

Die Weigerung der Staaten des globalen Südens, das Konzept der Green Economy zu übernehmen, wirkt sich auch auf den Nexus-Ansatz aus, der im selben Rahmen abgehandelt wurde. Im Schlussdokument zu Rio+20 »Die Zukunft, die wir wollen« ist nirgendwo eine Spur des Nexus-Ansatzes zu finden. Wasser-, Ernährungs- und Energiethemen werden nun in unterschiedlichen Abschnitten der Post-2015-Entwicklungsagenda der UN behandelt und die Offene Arbeitsgruppe der UN-Generalversammlung (OWG) zur Erstellung von Zielen für eine nachhaltige Entwicklung diskutiert weiterhin getrennt über politische Empfehlungen in den drei Bereichen.


NGO-Stimmen finden in den NexusInitiativen kein Gehör
Zivilgesellschaftliche Organisationen (Civil Society Organisations, CSOs) sind eigenständige Akteure im Bereich Entwicklung und arbeiten gemeinsam daran, soziale Solidarität und Dienstleistungsangebote zu gewährleisten, um den Armen und marginalisierten Gruppen zu mehr Teilhabe zu verhelfen. In verschiedenen Initiativen zum Nexus-Ansatz, basierend auf Abschlussdokumenten und politischen Empfehlungen, werden CSOs jedoch nur symbolisch am Diskussionsprozess beteiligt. Positionen der CSOs in separaten internationalen Prozessen zu Wasser, Energie und Ernährungssicherheit spiegeln sich in den Nexus-Initiativen nicht wider.

Die Konferenz von BMZ/BMU im Jahr 2013 war auf Teilnehmer aus Regierungen, dem Privatsektor und von Konsumenten-Plattformen ausgerichtet. Es gab zwar CSO-Teilnehmer bei der Veranstaltung, nur sehr wenige kamen jedoch aus Basis-Organisationen oder nahmen eine kritische Sichtweise zur existierenden Politik in den Bereichen Wasser, Energie und Ernährungssicherheit ein. Ursula Eid, Vizevorsitzende des Advisory Board on Water and Sanitation des UN-Generalsekretärs, vertrat gar die Ansicht, dass CSOs ihren Schwerpunkt auf thematische Fragen legen und daher keine ganzheitliche Sicht auf globale Probleme hätten. Sie schloss sich damit den Ausführungen von Johan Kuylenstierna, dem Exekutivdirektor des Stockholm Environment Institute an, die Beteiligung von Aktivisten an Diskussionen brächte manchmal nur »viele radikale Ideen, aber sehr wenige Erkenntnisse« hervor.

Oxfam International erwähnte während der Konferenz 2011 in Bonn, dass Hunger und Armut in erster Linie auf die langjährige Vernachlässigung der Rechte von Kleinbauern zurückgeführt werden könnten - eine Situation, die durch die zunehmende Kontrolle lokaler und internationaler Eliten über Land, Wasser und andere Ressourcen noch verschärft werde.(10) Oxfam forderte alle Regierungen auf, mehr Anreize und Unterstützung - einschließlich Forschung -, zu bieten, um Bauern dabei zu unterstützen, ihre agrarökologische Produktion zu steigern. Solche Beiträge wurden in der Zusammenfassung der Bonner Konferenz 2011 jedoch nicht berücksichtigt. Ebenso auffällig war, dass der Hinweis auf Agrarökologie in den politischen Empfehlungen nach der Konferenz weggelassen wurde.


Starke Rolle von Unternehmen
Derweil werden große Unternehmen in den Nexus-Ansatz einbezogen. Die Nexus-Initiativen des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum, WEF) beispielsweise wurden von Peter Brabeck-Letmathe, dem früheren Nestlé-Vorstandsvorsitzender geleitet, der die Meinung vertritt, die Antwort auf die globalen Wasserprobleme liege in der Privatisierung und im Verkauf von Wasser. Das widerspricht eindeutig der Anschauung, dass Zugang zu Wasser sowohl ein öffentliches als auch ein Menschenrecht ist.(11) Offensichtlich wird der Nexus-Ansatz vor allem von Konzernen und anderen Elite-Stakeholdern gestaltet, die allesamt Eigeninteressen haben, von Wasser, Nahrungsmitteln und Energieressourcen zu profitieren. Diese Lücke in der Einbeziehung aller Akteure untergräbt nicht nur die Rolle von CSOs in der Entwicklungszusammenarbeit, sondern isoliert den Nexus-Ansatz auch von demokratischen Prozessen.

Dass die Green Economy und der Nexus-Ansatz beim Rio+20-Gipfel und in den Post-2015-Prozessen nicht stärker positioniert werden konnten, zeigt eindeutig, wie losgelöst diese Konzepte von der Position der Entwicklungsländer sind. Solange der Nexus-Ansatz nur innerhalb des WEF, der Weltbank und der Ministerien der Länder im Norden diskutiert wird, sind seine künftige Entwicklung und konkrete Anwendung stark eingeschränkt. Der Nexus-Ansatz ist ein äußerst innovatives, politisches Werkzeug, aber ohne Unterstützung durch seine wahren Akteure, wird er weiterhin nur auf dem Papier existieren.


The People's Coaliton on Food Souvereignty ist ein Netzwerk aus Graswurzel-Gruppen von Kleinbauern und -produzenten sowie NGOs.



Anmerkungen

(1) Stockholm Environment Institute, Understanding the Nexus, Hintergrundpapier für die Bonner Nexus-Konferenz 2011

(2) World Economic Forum Water Initiative, Water Security - The Water, Food, Energy and Climate Nexus, 2011.

(3) Celine Tan, Third World Network, The Water Crisis: Analysis and Proposals, TWN Briefings for WSSD No.16 at
http://www.twnside.org.sg/title/jb16.htm

(4) IBON International, Commodification and Commercialization of Water - IBON Module 2.

(5) IBON International, IBON Policy Brief, Green Economy: Gain or Pain for the Earth's Poor at
http://iboninternational.org/resources/policy_briefs/114#sthash.eVwvIeuP.dpuf

(6) IBON International, IBON Policy Brief, Green Economy: Gain or Pain for the Earth's Poor at
http://iboninternational.org/resources/policy_briefs/114#sthash.eVwvIeuP.dpuf

(7) EQUIPO EDITORIAL, Overview of outcome and negotiations of »green economy,« 2014 Road logs Rio+20 at
http://roadlogs.rio20.net/overview-of-outcome-andnegotiations-of-%E2%80%9Cgreeneconomy%E2%80%9D/

(8) Celine Tan, Third World Network, The Water Crisis: Analysis and Proposals, TWN Briefings for WSSD No.16 at
http://www.twnside.org.sg/title/jb16.htm

(9) Timothy Herrmann, G77 PUSHES BACK AT RIO +20: NEGOTIATIONS EXTENDED, UN News Service, at
http://www.turtlebayandbeyond.org/2012/economics/g77-pushes-back-at-rio-20-negotiationsextended/

(10) Oxfam International, Growing Access: Ensuring food for all in a resourceconstrained world, für die Konferenz in Bonn 2011: The Water, Energy and Food Security Nexus, November 2011.

(11) Kevin Samson, The Privatization of Water: Nestlé Denies that Water is a Fundamental Human Right, Global Research, December 14, 2013 at
http://www.globalresearch.ca/the-privatisationof-water-nestle-denies-that-water-is-afundamental-human-right/5332238



Mehr Informationen unter:
www.foodsov.org


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014, Seite 22-24
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 177 593, Fax: 030/678 177 580
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2014