Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KATASTROPHEN/067: Folgen von Fukushima: Weitere Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 636-637 / 27. Jahrgang, 4. Juli 2013

Folgen von Fukushima
Weitere Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen gefunden

von Thomas Dersee



Shun'ichi YAMASHITA durch Hokuto HOSHI ersetzt

In Fukushima wurde inzwischen bei 12 Personen unter 18 Jahren Schilddrüsenkrebs festgestellt und in weiteren 16 Fällen bestehe Verdacht darauf, hat das Komitee für die Untersuchung der Gesundheit der Einwohner der Präfektur Fukushima am 5. Juni 2013 bekanntgegeben. Das meldeten japanische Nachrichtenagenturen und Zeitungen am selben und die Online-Ausgabe der Zeitung Mainichi Shimbun am folgenden Tag. Dabei handelt sich um Ergebnisse der ersten Untersuchung von circa 174.000 Kindern und Jugendlichen. Die Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen, die zur Zeit der Reaktorenkatastrophe unter 18 Jahre alt waren, beträgt allerdings 360.000.

Es gibt zudem Kinder, die aus der Präfektur Fukushima zum Beispiel nach Okinawa geflüchtet sind, und die auch bereits wegen Schilddrüsenkrebs operiert werden mußten. Diese Erkrankten werden in der japanischen Zählung der Präfektur Fukushima nicht mitgezählt, die nur die dort verbliebenen Kinder umfaßt. Die tatsächliche Zahl von Schilddrüsenkrebserkrankten ist also noch größer. Aussagen von japanischen Kinderärzten zufolge soll inzwischen auch ein Ansteigen bei der Zahl der Leukämieerkrankungen festzustellen sein.

Das Untersuchungskomitee der Präfektur Fukushima, das die Strahlenfolgen durch den Reaktorunfall von Fukushima Daiichi untersucht, hatte am 5. Juni 2013 eine weitere Sitzung abgehalten. Dabei wurde berichtet, dass die Zahl der Personen, bei denen Schilddrüsenkrebs festgestellt wurde, seit der ersten Bekanntgabe im Februar 2013 von 3 auf 12 gestiegen sei und darüber hinaus 16 weitere Krebsverdachtsfälle festgestellt worden seien.

Die Sitzung des Untersuchungskomitees begann mit der Wahl eines neuen Vorsitzenden als Nachfolger von Shun'ichi YAMASHITA (ursprünglich von der Universität Nagasaki), weil dieser für seine Öffentlichkeitsarbeit kritisiert worden war. Einstimmig wurde Hokuto HOSHI, ein Vorstandsmitglied des Ärzteverbandes der Präfektur Fukushima, zum neuen Vorsitzenden gewählt. Hoshi betonte in der Rede zu seinem Amtsantritt, er wolle "das Vertrauen der Einwohner" zurückgewinnen, verkündete jedoch ebenso wie zuvor Yamashita, daß "zum jetzigen Zeitpunkt" diese Zahlen seiner Erkenntnis zufolge "kein deutliches Indiz" dafür seien, dass die Fälle auf Folgen radioaktiver Strahlung zurückzuführen sind.

Die meisten Komiteemitglieder leugneten ebenfalls erneut einen Zusammenhang zwischen diesen Schilddrüsenkrebsfällen und der Reaktorenkatastrophe. Denn nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 sei erst nach vier Jahren vermehrt Schilddrüsenkrebs gefunden worden, wurde behauptet. Tatsächlich gibt es für eine solche Behauptung keine Belege. Denn die damalige Sowjetregierung hatte seinerzeit ihren Ärzten untersagt, eine Beziehung zwischen auftretenden Erkrankungen und der Strahlenexposition nach der Katstrophe herzustellen. Die russische Statistik beginnt deshalb erst 5 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe.(*)

Neu hinzugekommene Komiteemitglieder wiesen den Berichten zufolge darauf hin, daß "die Zentralregierung in anderen Präfekturen eine Untersuchung größeren Maßstabs veranlassen sollte", da es bisher keine anderen Untersuchungsergebnisse gebe, die mit diesen Ergebnissen in Fukushima verglichen werden könnten.

"Ich bin überrascht und hätte mir nicht vorgestellt, dass von circa 170.000 untersuchten Personen 40 bis 50 Prozent in ihren Schilddrüsen Zysten haben", faßte Kazuo SHIMIZU, Professor an der Medizinischen Hochschule Nihon und neues Mitglied des Untersuchungskomitees, auf einer Pressekonferenz nach der Sitzung seine Eindrücke zusammen und fügte hinzu: "Es spielt dabei wohl eine Rolle, dass es bisher keine so groß angelegte Untersuchung mit Kindern gab".

Das japanische Umweltministerium hatte zwischen November 2012 und März 2013 in drei anderen Präfekturen - in Aomori, Yamanashi und Nagasaki - bei insgesamt 4.365 Personen Schilddüsenuntersuchungen durchgeführt. Das Ergebnis: Das Verhältnis der gefundenen Zysten und Knoten sei "fast gleich" wie in der Präfektur Fukushima.

Professor Shimizu forderte dennoch, diese Zahl der untersuchten Personen reiche nicht aus. Die Zentralregierung solle die Untersuchung in größerem Umfang durchführen. Der zuständige Angestellte des Umweltministeriums wies darauf hin, daß freiwillige Untersuchungen außerhalb des Unfallortes nur begrenzt möglich seien, und daß "zur Zeit keine weiteren Untersuchungen beabsichtigt" seien, was bei einigen Komiteemitgliedern dem Bericht zufolge Unzufriedenheit hervorrief.

Andere Komiteemitglieder behaupteten zwar auch, so die Berichte, dass "die Schilddrüsenkrebsfälle, die jetzt gefunden worden sind, schon vor dem Reaktorunfall vorhanden" gewesen sein könnten. Dennoch räumten sie ein, dass die Zusammenhänge zwischen dem Zustand der Schilddrüsen und der Strahlendosis untersucht werden müßten, weil das kommende Jahr bereits das vierte Jahr nach dem Unfall sein werde.

Ebenso wurde konstatiert, daß zwischen dem für Experten selbstverständlichen Wissen und dem Bewußtsein bei der Bevölkerung eine tiefe Kluft bestehe. So sollen über 60 Prozent der Einwohner in der Präfektur Fukushima auf Fragen nach den Folgen der Verstrahlung für kommende Generationen geantwortet haben, diese seien "erheblich" bis "sehr erheblich". Dazu bemerkten die Komiteemitglieder: In Hiroshima, Nagasaki und Tschernobyl gehe man davon aus, dass genetische Folgen "nicht vorhanden" seien. Die Einwohner irrten sich "ungemein". Shuji SHIMIZU, Betriebswirtschafts-Professor an der Universität Fukushima, der zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungskomitees gewählt worden war und der anmerkte, er sei der einzige Sozialwissenschaftler unter den Komiteemitgliedern, verwies mahnend darauf, daß man "die Jahresdosis von 100 Millisievert als Maßstab für die Sicherheit benutze, obwohl die Präfektur-Bewohner dies anders empfinden. Da möchte man doch das als selbstverständlich geltende Expertenwissen bezweifeln."

(*)
vergl. Strahlentelex 628-629 v. 07.03.2013,
www.strahlentelex.de/Stx_13_628-629_S04-05.pdf



Nachrichtenagentur Kyodo:
http://www.47news.jp/CN/201306/CN2013060401002544.html
Asahi Shimbun, Abendausgabe vom 5.6.2013.

www.asahi.com/national/update/0605/TKY201306050073.html
Mainichi Shimbun Online, 6.6.2012, 14:45 Uhr:
http://headlines.yahoo.co.jp/hl?a=20130606-00000134-mailol07&p=1


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_13_636-637_S07-08.pdf

*

Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Juli 2013, Seite 7-8
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2012