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KATASTROPHEN/112: Vanuatu - Schleppender Wiederaufbau nach Jahrhundertsturm 'Pam' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. April 2015

Vanuatu: Schleppender Wiederaufbau nach Jahrhundertsturm 'Pam'

von Catherine Wilson


Bild: © Internationale Organisation für Migration (IOM)

Elendsviertel in Port Vila, der Hauptstadt von Vanuatu
Bild: © Internationale Organisation für Migration (IOM)

Canberra, Australien, 15. April (IPS) - Der schwere Tropensturm 'Pam', der Mitte März den südpazifischen Inselstaat Vanuatu heimsuchte, hat das Leid der Menschen in den informellen Armensiedlungen der Hauptstadt Port Vila weiter verschärft. Die Orkanböen, die eine Geschwindigkeit von bis zu 340 Stundenkilometern erreichten, und sintflutartige Niederschläge zerstörten Hütten und spärliche Infrastrukturen und überschwemmten die unbefestigten Straßen.

"Der Sturm hat 80 Prozent der Menschen meines Stadtteils getroffen", berichtet Joel, Einwohner eines der armen Viertel von Port Vila. Sein Haus sei schwer beschädigt worden. "Wir haben zwar genug zu essen, aber die Wasserqualität ist sehr schlecht."


Dutzende Menschen noch immer in Notunterkünften

Andere Bewohner der Stadt mussten miterleben, wie ihre Häuser vollständig eingerissen und weggespült wurden. Nach Erkenntnissen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) leben noch immer 50 Menschen in behelfsmäßigen Unterkünften und warten auf den Wiederaufbau ihrer Hütten. Ihre Lebensmittel-, Wasser- und Sanitärversorgung ist mangelhaft.

Im mehr aus 80 Inseln bestehenden Vanuatu, das nordöstlich von Australien liegt, leben rund 265.000 Menschen. Fast 166.000 - 63 Prozent der Bevölkerung - leiden unter den Folgen von Pam. Die schlimmste Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes forderte elf Todesopfer.

Das Zentrum von Port Vila an der südwestlichen Küste der Insel Efate ist den Wetterunbilden und Überschwemmungen besonders schutzlos ausgeliefert. Schätzungsweise 30 bis 40 Prozent der etwa 44.000 Stadtbewohner leben in Slumsiedlungen wie Freswota und Seaside. Die Unterkünfte erfüllen keine Mindeststandards und sind überfüllt. Zudem ist nicht einmal für die grundlegenden Dienstleistungen gesorgt. Mit 18 Prozent liegt die Armutsrate in Port Vila deutlich über dem Durchschnitt in den ländlichen Gebieten von zehn Prozent.


Kostspieliger Wiederaufbau

Wie Peter Korisa von der nationalen Katastrophenschutzbehörde erklärt, ist das Ausmaß der Zerstörung in der Stadt und ihren Außenbezirken "riesig". Auch Brücken und Straßen seien beschädigt. "Der Wiederaufbau wird also teuer werden."

Frido Herinckx, Leiter des Unterstützungsteams des Internationalen Roten Kreuz in Vanuatu, berichtet, dass in der ersten Woche nach dem Sturm 4.000 bis 5.000 Menschen in 43 Notunterkünften in Port Vila versorgt werden mussten.

UN-Sprecher Stéphane Dujarric kritisierte kürzlich, dass von den 30 Millionen US-Dollar, die die Weltorganisation an Hilfe angemahnt hat, erst 36 Prozent zugesagt wurden. 111.000 Menschen seien ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Zerstörung von etwa 90 Prozent der Ernten lasse zudem Schlimmes für die von der Landwirtschaft abhängigen Inselbewohner befürchten.

Der größte Teil der Bevölkerung des Pazifikstaates lebt in ländlichen Gebieten. Allerdings schreitet die Urbanisierung mit einer Rate von vier Prozent sehr rasch voran. Die Behörden kommen mit dem Bau neuer Wohneinheiten nicht nach. Derzeit lebt etwa ein Viertel der Bewohner von Vanuatu in Städten. Bis zum Jahr 2050 wird der Anteil voraussichtlich auf 53 Prozent ansteigen.


Riskante Lage am 'Pazifischen Feuerring'

Der Inselentwicklungsstaat liegt im sogenannten 'Pazifischen Feuerring' - einem Vulkangürtel, der den Pazifischen Ozean von drei Seiten umschließt - und außerdem in einer tropischen Klimazone südlich des Äquators. Die Wirbelsturmsaison dauert von November bis April. Vanuatu ist aufgrund dieser Faktoren stark durch Erdbeben, Vulkanausbrüche, Stürme und Tsunamis gefährdet.

In den vergangenen 25 Jahren fegten mindestens 20 verheerende Zyklone über die Inselgruppe. Erst 2014 hatte der Wirbelsturm 'Lusi' 20.000 Menschen in den nördlichen und zentral gelegenen Provinzen unmittelbar betroffen. Dörfer und Anbauflächen wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Laut den Vereinten Nationen sind 63,6 Prozent der Bevölkerung von Vanuatu von Naturkatastrophen bedroht. Damit hält das Land weltweit einen traurigen Rekord. Die schwierige Situation der Menschen in den Städten wird durch den prekären Zustand von 27 Prozent der Wohngebäude verschärft. Der Bau unwetterresistenter Häuser ist kostspielig. Viele Geringverdiener haben zudem keine Chance, an Darlehen zu kommen.

In der Siedlung Freswota, in der zwischen 7.000 und 8.000 Menschen leben, erklärt Stammeshäuptling Kalanga Sawia, dass die Regierung zwar alle in Wohnungen unterbringen wolle, jedoch aus finanziellen Gründen nur die Grundstücke bereitstellen könne. Das sei der Grund für den Bau einfacher Holz- und Wellblechhütten.


Stromversorgung erreicht nicht alle

Die Strom- und Wasserversorgung war laut Herinckx nach der Katastrophe unterbrochen. "Inzwischen sind die grundlegenden Dienstleistungen wieder auf Vorsturm-Niveau, das jedoch auch nicht optimal war."

Die Bewohner der Siedlung 'Freswota 2' haben zwar momentan Zugang zu Trinkwasser, doch nur die Hälfte zu Strom. Im gesamten Land haben gerade einmal 28 Prozent der Bevölkerung Vanuatus Strom und 64 Prozent Zugang zu Sanitäranlagen.

Angesichts der von Naturkatastrophen ausgehenden Gefahren arbeitet die Regierung verstärkt an Präventionsmaßnahmen. Vor neun Jahren war Vanuatu der erste Pazifikstaat, der Katastrophenmanagement in die nationale Planung aufnahm. Seit 2013 gibt es in Port Vila ein HighTech-Zentrum, das rund um die Uhr besetzt ist, um frühzeitig vor Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüchen zu warnen.

Vor Pam konnten mehr als 80 Prozent der Bevölkerung durch SMS gewarnt werden. Als eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt hat Vanuatu jedoch Katastrophen solchen Ausmaßes nur wenig entgegenzusetzen. (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/04/cyclone-pam-worsens-hardship-in-port-vilas-urban-settlements/

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IPS-Tagesdienst vom 15. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2015

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