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KLIMA/046: Cancun - Ein Resümee des Klimagipfels in Mexiko 2010 (Germanwatch)


Germanwatch - 15. Dezember 2010 / Hintergrundpapier

Cancun legt Grundlage für eine Aufwärtsspirale im internationalen Klimaschutz - jetzt ist die EU am Zug

Ein Resümee des Klimagipfels in Mexiko 2010


Inhalt

Zusammenfassung

2 Was ist in Cancún erreicht worden?

3 Aufwärtsspirale in Gang gebracht
  3.1 Deutschland und die EU sind jetzt am Zug: ihr Beitrag zu den dynamisierenden Elemente

4 Beim nächsten Klimagipfel in Durban (Südafrika): Langfristziel, Emissions-Peak, Rechtsform,
  Langfristfinanzierung und Schlupflöcher
  4.1 Rechtliche Form
  4.2 Langfristfinanzierung
  4.3 Das Schließen der Schlupflöcher

5 Einige Einzelergebnisse von Cancún
  5.1 Finanzierung
  5.2 Anpassung an den Klimawandel
  5.3 Schutz des Regenwaldes
  5.4 Termin für den nächsten Klimagipfel


*


Zusammenfassung

Der 16. Klimagipfel in Mexiko (29.11.-10.12.2010) hat mit den Cancún-Abkommen ein respektables Ergebnis erreicht.

Die mexikanische Präsidentschaft unter Leitung der Außenministerin Patricia Espinosa hat sehr gute Arbeit geleistet und mit Weitsicht und guter Kommunikation die überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft in einen nach vorne weisenden Konsens geführt. Dass es wegen des alleinigen Gegenvotums von Bolivien keine Einstimmigkeit gab, dürfte wegen der großzügigen Interpretation des "UN-Konsensus" nicht zu Problemen führen. Inhaltlich weist der Protest Boliviens eher symbolisch auf die nach wie vor unzureichende Ambition im Klimaprozess hin.

Man kann vielleicht sagen, dass mit Cancun die großen Schwellenländer ein Stück weit den Lead im globalen Verhandlungsprozess übernommen haben. Nach Mexiko tragen nämlich Südafrika (nächster Klimagipfel 2011) und Brasilien (Rio-plus-20-Gipfel 2012) zentrale Verantwortung als Gastgeber der nächsten wichtigen Gipfel.

Bereits in Kopenhagen zeichnete sich ab, dass der Ansatz des großen Wurfes in Form eines umfassenden Top-Down-Ansatzes im internationalen Klimaschutz auf absehbare Zeit gescheitert ist. Definitiv für die darauf folgenden Jahre wurde dies dadurch, dass sich die USA mit dem Scheitern des ihres Klimagesetzes selbst ins Abseits der internationalen Klimapolitik gestellt haben. In Cancún wurde jetzt eine strategische Neuausrichtung der internationalen Klimapolitik gewagt. Dieser besteht einerseits in der Kombination von Bottom-Up- mit Top-Down-Ansätzen. (Man versucht weiter globale Ziele in einem rechtlich verbindlichen Abkommen zu vereinbaren und drängt darauf, dass die nationalen Ziele dementsprechend nachgebessert werden. Man ist aber schon zur Vereinbarung der nachgebesserten Ziele darauf angewiesen, dass national, regional und plurilateral konstruktive Dynamik von unten ernsteht.) Und andererseits im schrittweisem Aufbau einer Aufwärtsspirale.

Das Comeback der internationalen Klimapolitik in Cancún kann als Grundlage dazu dienen, um international eine solche Aufwärtsspirale in Gang zu setzen. Ein solcher Erfolg war nicht nur notwendig, um neue Impulse für den Klimaschutz zu setzen. Sondern auch, um - nach dem Biodiversitätsgipfel von Nagoya im Oktober 2010 - ein zweites Mal die Handlungsfähigkeit der UN unter Beweis zu stellen. Der Erfolg von Cancún wird rückblickend allerdings maßgeblich davon abhängen, ob die intendierte Aufwärtsspirale tatsächlich in Gang gekommen ist. Alle Welt schaut dabei auf die - neben den USA - größten Klimamächte China und EU. Wird die EU im kommenden Jahr ohne Wenn und Aber ein 30%-Emissionsreduktionsziel bis 2020 (gegenüber 1990) beschließen? Wird Deutschland aufgrund der Cancún-Abkommen den Sperrvermerk im Sonderhaushalt für die internationale Klimafinanzierung auflösen? Wird China im kommenden Fünfjahresplan im März 2011 das bisher schon angekündigte Handlungspaket - zum Beispiel durch die Einführung eines Emissionshandelssystems - und die Ziele - etwa für Erneuerbare Energien - nachbessern? Wenn sich diese beiden Giganten bewegen, wäre dies das Signal, dass der Nachbesserungsprozess für die jetzt deutlich zu schwachen Ziele tatsächlich in Gang kommt. Jetzt steuern wir auf eine Temperaturerhöhung von 4 Grad Celsius zu. Mehr als 2 Grad - so die Cancún-Abkommen, sollten es aber nicht sein. Bis 2015 soll sogar geprüft werden, ob eine Verschärfung auf 1,5 Grad notwendig ist. Im kommenden Jahr soll darüberhinaus festgelegt werden, wann der Scheitelpunkt für die globalen Emissionen erreicht werden soll und welches globale Reduktionsziel man sich für 2050 setzt.


2 Was ist in Cancún erreicht worden?

Zunächst ein Blick auf die Errungenschaften von Cancún:

• Es ist gelungen, erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das Zwei-Grad-Limit als die Messlatte für die angestrebten Klimaschutzaktivitäten zu verankern.

• Es ist gelungen, einige große Klimaschutzpakete zu verabschieden, die eigentlich schon in Kopenhagen hätten verabschiedet werden sollen:

• Ein Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels.

Ein Paket zum Schutz des Regenwaldes.
Ein Paket zur Technologiekooperation.
Ein Fonds (Green Climate Fund), der im ausgewogenen Verhältnis Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll. Dessen Leitungsgremium ("Board") wird zur Hälfte von Industrie- und zur Hälfte von Entwicklungsländern besetzt

• Es ist gelungen, die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Staaten, die diese im sogenannten Kopenhagen-Akkord nach Kopenhagen eingereicht hatten, mit der Einbettung in eine formale UN-Entscheidung in einem ersten Schritt zu integrieren. Das erhöht z.B. den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischem Widerstand zuhause, bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestätigten nationalen Ziel zu bleiben, die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken. Eine Entscheidung des US Court Of Appeals in Washington machte praktisch zeitgleich mit dem Ende von Cancún den Weg frei für die ersten CO2-Standards in den USA. Die Unternehmen mit dem größten CO2-Ausstoß sowie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern, die auf dem Weg zu den notwendigen Reduktionen einen wichtigen Beitrag spielen können.

• Es ist in beiden Cancún-Abkommen (als Ergebnis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten, dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel gegenüber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls. Die zunächst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele, die in den kommenden Jahren angehoben werden sollen. Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Überprüfung ("Review") u.a. dazu geben, mit welcher Strategie die verbleibende Lücke zum Zwei-Grad-Limit geschlossen werden kann.

• Das Zwischenergebnis für die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird für die Industrieländer noch konkreter. Diese sollen ihre Ziele so nachbessern, dass dies im Durchschnitt 25-40% Reduktion bis 2020 gegenüber 1990 ergibt. (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an, um den Temperaturanstieg mit 50% Wahrscheinlichkeit auf weniger als zwei Grad begrenzen zu können.)

• Alle Industrieländer haben sich in Cancún verpflichtet, "Low-Carbon Development Plans" (Pläne für eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesellschaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln - allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe;

• Im Bereich Langfrist-Finanzierung wurde die Verpflichtung der Industrieländer bestätigt, bis zum Jahr 2020 die Finanzierung für Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen, allerdings ohne einen konkreten Prozess vorzuschlagen , wie entsprechende Instrumente zu diskutieren sind.

• Der Bericht der von Ban Ki Moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfinanzierung (AGF) wurde von der Konferenz angenommen.[1]

• Im Gegenzug werden die Schwellen- und Entwicklungsländer aufgefordert, Low-Carbon-Development-Strategien oder -Pläne einzureichen. Diese sollen zeigen, was das Land ohnehin für den Klimaschutz tut, und für welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitäten es internationale Unterstützung (Finanzen, Technologie, Capacity Building) braucht. Es wird ein internationales Register aufgebaut, das das "Matching" erleichtert zwischen konkreten Anfragen (mit geschätzten Kosten und Emissionsreduktionen) und dem dafür bestimmten Teil der internationalen Finanzströme.

• China hat schließlich auf der Basis eines Vorschlags von Indien den Weg zur notwendigen Transparenz der Klimaschutzaktivitäten in Schwellenländern frei gemacht in der Frage der internationalen Überprüfung der nationalen Klimaschutzaktivitäten. Die Aktivitäten werden zwar national gemessen, berichtet und verifiziert, aber anhand von unter der Konvention vereinbarten Richtlinien. Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht vorgelegt.

• Beinahe gescheitert wäre der Gipfel von Cancún an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll. Ein Kompromiss, basierend auf "konstruktiver Zweideutigkeit", hat hier den Weg frei gemacht. Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls so zügig zu Ende, dass keine Lücke nach dem Auslaufen der ersten Verpflichtungsperiode (2012) entsteht. Es bleibt aber zunächst offen, ob die Reduktionsziele dann tatsächlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden, oder ob die Verhandlungsergebnisse in einem größeren gemeinsamen Rahmenabkommen, an dem auch die Schwellenländer sowie die USA teilnehmen, festgeschrieben werden.

• Es wurde sichergestellt, dass die Kyoto-Marktmechanismen Clean Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI) auch nach dem Jahr 2012 weiter bestehen werden - unabhängig davon, ob es eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls geben wird.

• Als hätte der CDM nicht ohnehin genug Probleme, hat man allerdings auf starken Druck insbesondere von Saudi Arabien hin beschlossen, dass es bald grundsätzlich möglich sein soll, CCS-Projekte durch den CDM zu finanzieren. Dies ist unsinnig. Es kann nicht Sinn eines Mechanismus für "saubere" Entwicklung sein, dass etwa in der EU Kohlekraftwerke länger laufen dürfen, weil in anderen Regionen der Welt neue Kohlekraftwerke (mit CCS) finanziell unterstützt werden. Es liegt nun am Druck der NGO und den vom Executive Board des CDM festzulegenden Methodologien, ob dieses Problem für die Zeit bis 2020 begrenzt werden kann.(Danach sollte der CDM grundsätzlicher überprüft werden.). Zudem wurde entschieden, dass bei der Klimakonferenz in Durban die Etablierung neuer Marktmechanismen bzw. von Nicht-Marktmechanismen beraten werden soll.


3 Aufwärtsspirale in Gang gebracht

Cancún hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfüllt. Damit wurde in Mexiko die Grundlage für eine dynamisierende Aufwärtsspirale gelegt. Zunächst ging es darum, ein Mindestfundament einzuziehen, um die bei den Industrieländern sichtbare Abwärtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen. Dies wurde in Cancún geleistet und soll in Durban (2011) ergänzt werden. (Phase eins.) Zugleich wurden die nächsten Spiraldrehungen nach oben vorgezeichnet. Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen, gehört zu den aufwärtstreibenden dynamisierenden Elementen (Phase zwei). Bis 2015 soll durch einen Reviewprozess die dann noch verbleibende Lücke zum Zwei-Grad-Limit bestimmt werden und der Klimagipfel dann - basierend auf dem Review - die angemessenen Aktionen beschließen (Phase drei). Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veröffentlichung des nächsten IPCC-Berichtes, der sehr wahrscheinlich - dies zeichnet sich in der peer-reviewten Literatur ab - die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdrücklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusätzliches politisches Momentum schaffen wird. Er wird u.a. vermutlich eine Zusammenfassung des neuen Sachstands zur Meeresversauerung durch CO2, ihren Konsequenzen und den daraus abzuleitenden Handlungsnotwendigkeiten geben.

Die drei Phasen der angestrebten Aufwärtsspirale des internationalen Klimaschutzes - Abb.: Germanwatch

Die drei Phasen der angestrebten Aufwärtsspirale des internationalen Klimaschutzes
Abb.: Germanwatch


Die drei Phasen der angestrebten Aufwärtsspirale des internationalen Klimaschutzes

3.1 Deutschland und die EU sind jetzt am Zug: ihr Beitrag zu den dynamisierenden Elemente

Warum aber sollen die Staaten bereit sein, 2013-15 die notwendigen Ziele zum Einhalten des Zwei-Grad-Limits auf den Tisch zu legen, wenn sie heute dazu nicht bereit sind? Die Antwort ist eine Dreifache:

• Erstens weil immer mehr Staaten erkennen, dass der massive Ausbau von Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien der eigenen Energiesicherheit dient, in Zeiten von Peak Oil (also der Überschreitung des Ölfördermaximums und damit deutlich zunehmender Öl-Verknappung) eine "Versicherung" gegen hohe oder schwankende Energiepreise darstellt, der regionalen Wertschöpfung dient und zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft.

• Zweitens, weil jetzt von UN-Seite ein formaler Reviewprozess eingeleitet wird, auf dessen Basis die Lücke zwischen dem Zwei-Grad-Limit und den jetzigen unzureichenden Minimalzielen, die zu einem Temperaturanstieg von etwa 3,2 Grad führen würden (wenn es gelingt, große Schlupflöcher zu verhindern) bleiben bzw. werden), bis 2015 geschlossen werden soll. Bei dem Review sollte auch das Anspruchsniveau der Langfristfinanzierung für Anpassung und Regenwaldschutz überprüft werden.

• Drittens, weil sich immer mehr Vorreiterkoalitionen zwischen Staaten bilden, die gemeinsam in Fragen des Klima- oder Regenwaldschutzes vorangehen wollen. Die jetzt in Cancún angelegte Kombination von Rahmensetzungen für Low-Carbon-Development-Strategien in Entwicklungs- bzw. Schwellenländern und die Ko-Finanzierung aus Industrieländern kann ein guter Ansatzpunkt für solche Win-Win-Koalitonen sein.

So soll also eine Bottom-Up-Strategie die Top-Down-Strategie der internationalen Verhandlungen ergänzen. Spätestens seitdem sich die USA mit der Zwischenwahl im November diesen Jahres selbst ins Abseits der internationalen Klimadiplomatie gestellt haben, war klar: Der Versuch im internationalen Konsens im notwendigen Ausmaß eine Top-Down-Strategie zum Erreichen des Zwei-Grad-Limits zu beschließen, ist inzwischen zum Scheitern verurteilt. Kann aber die Kombination mit einer Bottom-Up-Strategie hier dieses Defizit beseitigen?

Hier schaut alle Welt auf die anderen beiden großen Klima-Mächte - auf China und die EU.

Es beginnt sich abzuzeichnen, dass China im März 2012 im neuen 5-Jahresplan durch entsprechende Maßnahmenpakete - etwa die Einführung eines nationalen Emissionshandels - die Glaubwürdigkeit der Umsetzung der bisher versprochenen Ziele weiter steigern wird. Darüber hinaus wird das Land vermutlich einzelne Ziele - etwa das Aufwachsziel für Erneuerbare Energien - noch ambitionierter setzen. Auch mehren sich die Anzeichen, dass China aufgrund des sehr schnellen Anstiegs der Erneuerbaren Energien schon in den nächsten zwei Jahren das Tempo des Zubaus von Kohlekraftwerken halbieren wird. Damit würde die massive Klimaschutzpolitik der letzten Jahre beginnen, ernsthaft den Aufwärtstrend der Emissionszunahme zu verändern. Damit geht China möglicherweise in der nationalen Politik über die Zusagen von Kopenhagen hinaus. Es ist aber unklar, wie weit China diese Fortschritte in die Verhandlungen einbringen wird. Aus verhandlungsstrategischer Sicht will das Land bislang dort nur dann nachlegen, wenn sich auch die USA bewegen - was nach den jüngsten US-Wahlen nicht zu erwarten ist.

Umso mehr richten sich die Blicke auf die EU, die andere große Klimamacht, die auch international nun das erste Signal setzen muss. Jetzt ist der Zeitpunkt für die EU gekommen, ihr Reduktionsziel ohne Wenn und Aber auf 30% zu erhöhen. Insbesondere Deutschland, Großbritannien und Frankreich sind jetzt gefragt, durch eine kluge Strategie das 30-Prozentziel in der EU durchzusetzen. Das ist auch die Grundlage für einen intensiven bilateralen Dialog der EU mit China.

Auch sollte der deutsche Bundestag nun auf der Grundlage der "Cancún Agreements" auch den Sperrvermerk im Sonderhaushalt für den internationalen Klimaschutz aufheben. Dieser war extra gemacht worden, um Druck zu erzeugen, damit die anderen Staaten sich in Cancún bewegen und es zu einer gemeinsamen Vereinbarung aller kommt. Nachdem die Cancún Agrements vereinbart worden sind, sollte konsequenterweise das Signal gesendet werden, dass man bereit ist, Vorreiter im Klima- und Regenwaldschutz sowie bei Anpassungsstrategien in den Entwicklungsländern finanziell, technologisch und beim Aufbau von Handlungskapazitäten zu unterstützen. Dies wäre das notwendige Signal für die im Vorfeld des nächsten Klimagipfels von Durban international in den Vordergrund rückende Debatte um Langfristfinanzierung. Und es wäre die Ansage, dass man bereit ist, die Rahmenbedingungen für die notwendigen privaten Investitionen voranzutreiben.

Der schnell wachsende Teil der Industrie und Finanzwirtschaft, die die Chancen der "großen Transformation" nutzen wollen, fordert diese Rahmenbedingungen ein. So heißt es in der Presserklärung der Munich Re zum Ausgang von Cancún: "Wir werden unsere Energieversorgung in den nächsten Jahrzehnten weitgehend umstellen müssen von der Nutzung fossiler Energieträger auf erneuerbare Energien. Der weltweite Umbau der Energieversorgung wird erhebliche Anstrengungen erfordern, aber auch immense Chancen eröffnen für Länder und Unternehmen, die sich rechtzeitig darauf einstellen. In dieser Hinsicht hat Cancún neben den offiziellen Verhandlungen einige sehr ermutigende Zeichen gesetzt. So hat der 'World Climate Summit', eine parallele Veranstaltung mit mehr als 600 Teilnehmern verschiedener Unternehmen, ein klares Signal ausgesandt: Große Teile der Wirtschaft fordern in Sachen Klimaschutz von der Politik unterstützende politische Rahmenbedingungen."[2]

Deutschland und die EU sollten sich sehr aktiv an der Etablierung von Vorreiterkoalitionen beteiligen, die bereit sind, über die Minimalziele von Kopenhagen und Cancún hinauszugehen. Regionale Schwerpunkte dafür könnten Südafrika, China, Südkorea, Indien, Brasilien, die Region des Mittleren Ostens und Nordafrikas (MENA) oder die Vereinigten Arabischen Emirate sein - alles Länder, wo jüngst eine deutlich gesteigerte Klimaschutzaktivität zu registrieren ist.

Darüber hinaus sollte Deutschland Kooperationen mit den besonders verletzlichen Länder eingehen, die zum Teil bereits ambitionierte Anpassungsstrategien oder Klimaschutzziele beschlossen haben. Eine solche Unterstützung ist moralisch wichtig. Aber sie kann auch zentral sein, um konstruktive Dynamik bei den weiteren Verhandlungen zu erzeugen.


4 Beim nächsten Klimagipfel in Durban (Südafrika): Langfristziel, Emissions-Peak, Rechtsform, Langfristfinanzierung und Schlupflöcher

Für den nächsten Klimagipfel Ende 2011 rücken nun drei zentrale Fragestellungen in den Vordergrund. Zum einen soll das Gesamtziel weiter konkretisiert werden. Welches globale Reduktionsziel setzt sich die Staatengemeinschaft für 2050? Wann soll der Scheitelpunkt des globalen Emissionsanstiegs erreicht sein (dieser entscheidet maßgeblich darüber, welcher Temperaturanstieg sich noch vermeiden lässt)? Darüber hinaus stehen drei weitere konkrete Fragen im Zentrum: Erstens die der rechtlichen Form für das letztlich zu vereinbarende Abkommen. Zweitens die der Langfristfinanzierung. Drittens die Frage, wie die jetzt noch möglichen Schlupflöcher geschlossen werden können.


4.1 Rechtliche Form

Eine der größten Herausforderungen wird es werden, sich in Durban auf die angemessene völkerrechtliche Form zu verständigen. Die Situation ist kurios. Eigentlich wollen alle zentralen Akteure, dass das bzw. die angestrebte(n) Abkommen rechtlich verbindlich ist bzw. sind. Zugleich aber haben fast alle Staaten bestimmte Erfordernisse an die Form der rechtlichen Verbindlichkeit. Die einen drängen auf Vergleichbarkeit der rechtlichen Form der Abkommen bzw. des Abkommens, die anderen geradezu spiegelbildlich auf Differenzierung.

Die Industrieländer im Kyoto-Protokoll fordern von den USA und - mit gewissen Abstufungen - von den Schwellenländern ein vergleichbares rechtlich verbindliches Abkommen. Japan, Kanada und Russland wollen sogar keine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls unterschreiben, wenn die USA (und China) nicht dabei sind.

Für die USA kommt ein Abkommen, das allzu stark an das Kyoto-Protokoll erinnert, aus innenpolitischen Gründen nicht in Frage. Zugleich ist mehr als fraglich, ob jemals ein rechtlich verbindliches Abkommen mit zwei Drittel Mehrheit im Senat ratifiziert werden kann. Die US-Regierung hält das allenfalls für möglich, wenn sich auch China in dasselbe rechtlich verbindliche Abkommen hinein begibt.

Die großen Schwellenländer drängen hingegen darauf, dass sie, wegen ihrer viel geringeren historischen Verantwortung für den Treibhauseffekt, wegen des immer noch deutlich niedrigeren Pro-Kopf-Ausstoßes, wegen der erst im Aufbau befindlichen Monitoring-Systeme - ihre Verpflichtungen in einem anderen Abkommen mit abgestufter Verbindlichkeit verankern.

Die kleinen Inselstaaten (AOSIS) wiederum drängen - um ihre Existenz zu sichern - darauf, dass sowohl Industrie- als auch Schwellenländer in gleicher Weise ambitioniert in Verpflichtungen eingebunden sind. Auf den ersten Blick erscheint es unmöglich, die Anliegen von Vergleichbarkeit und Differenzierung unter einen Hut zu bekommen. Doch das ändert sich, wenn man genauer hinschaut. Von was reden wir denn eigentlich, wenn wir von einem rechtlich verbindlichen Abkommen sprechen:

• Es wird ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen beschlossen.

• Die Sprache ist verbindlich (z.B. man "muss" statt man "soll").

• Die Verpflichtungen sind spezifisch genug ausgedrückt, so dass man auch präzise weiß, wann ein Land seine Verpflichtungen nicht erfüllt. (Die Verpflichtungen für Industrieländer in der Klimarahmenkonvention waren nicht spezifisch genug ausgedrückt und deshalb ohne große Wirkung, bevor dann zusätzlich das Kyoto-Protokoll beschlossen wurde und in Kraft trat. Auch viele der Kopenhagen- Selbstverpflichtungen sind nicht spezifisch genug, sodass sie noch "nachgearbeitet" werden müssen.)

• Es gibt ein Anrechnungs-System ("Accounting"), das sicher stellt, dass eine Tonne CO2 im einen Land oder Sektor einer Tonne CO2 im anderen Land oder Sektor entspricht. (Dies gibt es im Kyoto-Protokoll).

• Die Umsetzung der Verpflichtungen wird national gemessen, berichtet und verifiziert. (Wurde in Cancún beschlossen).

• Die nationalen Berichte werden international gecheckt. (Wurde in Cancún beschlossen).

• Es gibt ein Anreiz- und Sanktionssystem, das die Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass die Ziele bzw. Verpflichtungen tatsächlich umgesetzt werden.

• Es ist eindeutig geregelt, wie ein Land dem Abkommen beitreten kann. Kann es dies nur durch eine Ratifizierung oder auch auf dem Weg eines Quasi-Beitritts durch die rechtlich verbindliche Umsetzung zuhause (evtl. mit dem Zusatz, dass es nur mit 60% der Stimmen des Parlamentes rückgängig gemacht werden kann)?

Es wird durch diese Darstellung zumindest klar, dass es durchaus möglich ist, ein und dasselbe rechtlich verbindliche Abkommen so zu gestalten, dass es in Bezug auf die rechtliche Verbindlichkeit gemäß der verschiedenen Einzelpunkte unterschiedliche Ansprüche an verschiedene Partner stellt. Noch mehr Flexibilität hat man, wenn man zwei verschiedene Abkommen (2. Verpflichtungsperiode Kyoto / Abkommen unter der Konvention) beschließt.

Es gilt in den nächsten 12 Monaten ein solches Kompromisspaket zu schnüren. Alle sollen rechtlich verbindlich gebunden werden, aber doch auch differenziert.


4.2 Langfristfinanzierung

Die Industrieländer haben in Cancún ihre Zusage von Kopenhagen erneuert, ansteigend bis 2020 pro Jahr 100 Milliarden Dollar zu mobilisieren, um in Entwicklungs- und Schwellenländern Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung zu finanzieren. Damit sollen deren Niedrigemissions- sowie Anpassungsstrategien unterstützt werden. An dieser Zusage hängt die Glaubwürdigkeit der Industriestaaten und des internationalen Prozesses. Insbesondere im Klimaschutzbereich ist das Ziel, dieses Geld mit der möglichst großen Hebelwirkung in Bezug auf private Finanzströme einzusetzen. Ein Teil des Geldes soll durch den in Cancún etablierten Green Fund abfließen.

Kurz vor Cancun hat eine hochrangige, vom UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eingesetzte Arbeitsgruppe (AGF) Vorschläge vorgelegt, wie dieses Geld mobilisiert werden könnte. Dieser Report soll zusammen mit anderen Studien die Grundlage der Verhandlungen dazu sein, welche Geldquellen hier ausgeschöpft werden.

Angesichts der Budgetkrise in den Industriestaaten ist klar, dass ein großer Teil des Geldes durch innovative Finanzinstrumente aufgebracht werden muss. Der AGF-Report hat als aussichtsreichsten Weg Abgaben (bzw. den Einbezug in den Emissionshandel) des internationalen Flug- und Schiffverkehrs vorgeschlagen.

In Cancún sind die Verhandlungen dazu leider noch nicht weiter gekommen. Es wurden lediglich - wie jedes Jahr - die Organisationen der internationalen Seefahrt (IMO) und des internationalen zivilen Flugverkehrs (ICAO) aufgefordert, auch im kommenden Jahr über den Stand der Dinge zu berichten. Die ICAO interpretiert die Situation, dass in den Cancún-Abkommen nichts zum Thema Flugverkehr gesagt wird, so, dass die ICAO, basierend auf den Beschlüssen ihrer kürzlich stattgefundenen Versammlung einfach weiter vor sich hin wursteln kann (die ICAO tagt nur alle drei Jahre). Seit Kyoto (1997) ist dabei nichts Messbares herausgekommen. Es grenzt schon an Frechheit, dass die ICAO in einer offiziellen Eingabe zu einer Verhandlungsgruppe auf dem Klimagipfel argumentiert hatte, "der Sektor des internationalen Flugverkehrs sollte nicht als einziger die Klimaschutz-Gelder für alle anderen Sektoren aufbringen." Dabei sind der internationale Flug- und Schiffverkehr die einzigen Sektoren, die im Kyoto-Protokoll sowie in den Selbstverpflichtungen von Kopenhagen nicht mit Klimaschutzpflichten belegt worden sind.

Das Grundproblem, das gelöst werden muss, ist wie das Grundprinzip der Klimarahmenkonvention ("Gemeinsame aber differenzierte Verantwortung") mit dem Grundprinzip der ICAO (Nicht-Diskriminierungs-Gebot) in Übereinstimmung gebracht werden kann. Es gilt in den nächsten Monaten Schlüsselakteure in verschiedenen Regionen der Welt zu identifizieren und sich mit diesen strategisch abzustimmen. In den drei Runden der Vorverhandlungen für Durban gilt es dieses Thema auf die Agenda zu setzen. Das entsprechende Mandat für die Klärung der Finanzierung im Bereich des Regenwaldschutzes könnte hierfür das Einfallstor sein. Zugleich sollten große Anstrengungen gemacht werden, das Thema Langfristfinanzierung - und insbesondere die Finanzierung durch den internationalen Flug- und Schiffsverkehr - auf die Agenda des G20-Gipfels Mitte des Jahres zu setzen. Dieser sollte Empfehlungen für Beschlüsse zu den Geldquellen sowohl beim UN High-Level Dialogue on Development Finance (26.9.2011, im Kontext der UN-Generalversammlung), in Durban (2011) als auch für den Rio-plus-20-Gipfel in Brasilien (Mai 2012) geben. In Durban sollten Grundsatzbeschlüsse für die Quellen getroffen werden, die nach dem Verursacherprinzip zur Finanzierung beitragen sollen (wie der internationale Flug- und Schiffsverkehr oder Auktionierung im Rahmen des Emissionshandels.)


4.3 Das Schließen der Schlupflöcher

Ein wichtiger Durchbruch in Cancún war es, dass ein Prozess gestartet wurde, die potenziellen Klimaschutz-Schlupflöcher zu schließen. Daran hängt die gesamte Integrität des in Cancún beschlossenen Klimaschutzes. Alleine durch die sogenannte "heiße Luft" (überschüssige Emissionszertifikate durch deutlich zu schwach angesetzte Emissionsziele) und durch die Wälderregeln in den Industrieländern könnte die Wirkung der Ziele um etwa 2 Milliarden Tonnen CO2 verringert werden. Dies würde dazu führen, dass die Industrieländer ihre Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 zwar auf dem Papier um 12 bis 18% reduzieren würden, in der wirklichen Welt aber nur um 2%. Es ist daher zentral, dass die beschlossene Arbeit zur Reduktion der Schlupflöcher wirklich erfolgreich ist.


5 Einige Einzelergebnisse von Cancún

5.1 Finanzierung

Schnellstartfinanzierung: Die gemachten Zusagen und die Pflicht einer jährlichen Berichterstattung wurden festgeschrieben, allerdings ohne spezifische Berichtsregeln. Diese Regeln und gemeinsamen Definitionen müssen für die Berichterstattung der langfristigen Finanzierung unbedingt geschaffen werden.

Höhe und Quellen der langfristigen Finanzierung: Die Zusage von 100 Milliarden Dollar jährlicher Unterstützung aus dem Copenhagen Accord wurde festgeschrieben und der Bericht der AGF wird zur Kenntnis genommen. Allerdings ist noch kein Prozess zur Langfristfinanzierung innerhalb von UNFCCC beschlossen worden. Das Thema muss im nächsten Jahr in anderen Gremien diskutiert werden (G20, MEF) und dann ein konkreter Arbeitsplan innerhalb der UNFCCC in Südafrika beschlossen werden.

Neuer "Green Climate Fund": Hier gibt es sehr gute und gute Aspekte, aber auch einige, die hätten besser formuliert werden können.


Sehr gut ist:

1) Fonds wird in Cancún etabliert, also nicht verschoben.

2) Das Kommittee, das den Fonds bis Durban ausarbeiten wird, ist mit einer Mehrheit von Entwicklungsländern besetzt. Es hat eine lange Liste von Aufgaben für das nächste Jahr aufgetragen bekommen (eventuell etwas zu viele Aufgaben). Leider gelang es weder hier noch im letztendlichen Board des Fonds eine gleichberechtigte Teilnahme von nichtstaatlichen Akteuren durchzusetzen.

Gut:

1) Man hat sich auf einen Text zum Board, zum Trustee/Treuhänder sowie zum Sekretariat geeinigt. Besonders die Frage des Trustees war sehr kritisch und insbesondere die potentielle Rolle der Weltbank dabei. Die Aufgabe des Trustees wurde sehr stark auf die finanzielle Verwaltung der Mittel beschränkt.

Weniger gut:

1) Die Weltbank wurde als Übergangs-Trustee für die ersten 3 Jahre bestimmt. Im Anschluss wird es eine Überprüfung/Review geben, die aber - so die Erfahrungen der Vergangenheit - in aller Regel nicht zu einer grundlegenden institutionellen Änderung führen. Hier wäre es aus diversen Gründen besser, eine offene Ausschreibung zu veranstalten.

2) Der Fonds selbst wurde als ein Betreiber des Finanzmechanismus' der Konvention definiert - seine Rolle zur COP (Vertragsstaatenkonferenz) ist bei der bestehenden Textpassage noch offen und lässt Spielraum für eine nur sehr lose Beziehung (wie beim GEF) oder aber eine starke Verbindung. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn das Board des Fonds den Fonds betreibt, da dies klarere Entscheidungsstrukturen impliziert. Außerdem wäre eine klare enge Beziehung zur COP wünschenswert gewesen, um den Einfluss der Vertragsstaaten auf die grundlegenden Prinzipien des Fonds (nicht die technische Abwicklung) sicherzustellen.

Fazit: Die Ergebnisse hinsichtlich des Fonds sind insgesamt als Erfolg zu bewerten. Bei den Themen Finanzierungsquellen und Transparenz der Berichterstattung müssen nächstes Jahr unbedingt Fortschritte erzielt werden.


5.2 Anpassung an den Klimawandel

Zentrales Ergebnis im Bereich Anpassung war die Verabschiedung des "Cancun Adaptation Framework". Dieses Rahmenwerk beinhaltet zahlreiche Aspekte, die die Behandlung des Themas Anpassung in Bezug zur Konvention insgesamt deutlich stärkt und stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Kopenhagen-Akkord dar. Dieser beinhaltete, außer der Finanzierung von Anpassung, keine konkreten Entscheidungen. (Allerdings hätte das meiste schon in Kopenhagen verabschiedet werden können, wenn es dort eine bessere COP-Präsidentschaft gegeben hätte. Der Text lag weitgehend schon dort vor.) Zu den Inhalten des neuen Rahmenwerks gehören u.a. gemeinsame Prinzipien, eine Auflistung von Aktivitäten, die als eine Art gemeinsame Definition von Anpassung verstanden werden kann, oder auch die Stärkung von regionalen Zentren.

Über das ganze Jahr hindurch und auch in Cancún hatten sich die Anpassungsverhandlungen auf wenige, teils sehr kontroverse Themen konzentriert. Insgesamt ist es nun zu einer Einigung gekommen, die den Entwicklungsländern, insbesondere den besonders verletzlichen kleinen Inselstaaten und den ärmsten Entwicklungsländern (Least Developed Countries, LDCs), deutlich entgegenkommt.

So wurde unter anderem beschlossen, aufbauend auf dem existierenden Prozess der Nationalen Anpassungs-Aktionsprogramme (NAPAs), die Anpassungsplanungsprozesse der LDCs explizit hinsichtlich längerfristig angelegter Strategien zu unterstützen. Damit ist gesichert, dass den LDCs hier eine besondere institutionelle Unterstützung im UNFCCC-Prozess zugute kommt und das Thema auf der Agenda bleibt.

Weiterhin wurde die Einrichtung eines so genannten "Anpassungs-Komitees" beschlossen. Dieses hat das Ziel, für eine größere Kohärenz der Behandlung von Anpassung im UNFCCC-Rahmen zu sorgen, indem es zum Beispiel Wissen und Erfahrung einzelner Länder zusammenträgt und daraus Empfehlungen für den Verhandlungsprozess ableitet. Zwar gibt es bereits das wissenschaftlich orientierte Nairobi-Arbeitsprogramm zu Auswirkungen, Anpassung und Vulnerabilität unter der Konvention. Dies stellt aber nur einen sehr losen Arbeitszusammenhang dar und hat kein Mandat, direkt Empfehlungen an den politischen Prozess zu formulieren. Die Details der Zusammensetzung des Komitees und seiner genauen Arbeitsweise werden erst im Jahr 2011 verhandelt werden, doch mit diesem Grundsatzbeschluss konnten sich die Entwicklungsländer nach langen Diskussionen durchsetzen.

Ein besonders kontroverses und vor allem von den kleinen Inselstaaten vorangetriebenes Thema war die Auseinandersetzung mit Schäden und Verlusten aus den Konsequenzen des Klimawandels, die trotz aktiver Anpassung nicht zu vermeiden sind. Dazu gehören vor allem extreme Wetterereignisse, aber auch der vorhersagbare und für viele Inseln existenziell bedrohliche Meeresspiegelanstieg. Aus Angst vor möglichen Kompensationsforderungen hatten sich insbesondere die USA lange einer offenen Debatte über den Umgang mit diesem Thema verwehrt. Die EU war hier in letzter Zeit zumindest aktiver auf die kleinen Inselstaaten (AOSIS) zugegangen. Die ursprüngliche Forderung von AOSIS, einen internationalen Mechanismus unter UNFCCC zu etablieren, um sicherzustellen, dass dazu auch konkret gehandelt und nicht nur geforscht wird, wurde zwar nicht erfüllt. Aber die Einigung auf ein Arbeitsprogramm unter UNFCCC, das bis zur COP18 im Jahr 2012 Empfehlungen erarbeiten soll, muss als großer Erfolg für die Inselstaaten gewertet werden. Es ist damit gesichert, dass dieses Thema auf der Agenda bleibt. Themen des Arbeitsprogramms werden u.a. die mögliche Entwicklung einer Klimarisiko-Versicherungsfazilität zu Wetterkatastrophen sowie die Förderung von Risikoreduzierung und Mikroversicherung sein. Auch Ansätze zum Umgang mit Rehabilitationsmaßnahmen der Folgen des Meeresspiegelanstiegs stellen ein wichtiges Element dar.

Das vierte große Thema, das durch seine Nichtberücksichtigung im Anpassungsbereich gelöst wurde, ist das der Anpassung an die so genannten "Response Measures". Dies bezeichnet die Anpassung an Emissionsvermeidungspolitiken und ist besonders den OPEC-Staaten wie Saudi-Arabien ein Anliegen. Die unglückliche Verknüpfung der Anpassung an die Klimafolgen mit der Anpassung an "Response Measures" in der Konvention hat seit Jahren ernsthafte Bemühungen zur Klimafolgenanpassung ausgebremst, da insbesondere Saudi-Arabien immer wieder für sich reklamiert hat, bei Unterstützung für Klimaanpassung auch für Einnahmeausfälle aus Ölexporten infolge von Klimaschutz kompensiert werden zu wollen. Die grundsätzliche Verknüpfung des Anpassungsthemas mit dem Thema des Ausgleichs von Verlusten der Exportnationen fossiler Energien war im Kopenhagen-Akkord leider bestätigt worden. Nach langen, zähen Verhandlungen gelang es schließlich doch noch, eine Referenz zu "Response Measures" im Anpassungstext zu vermeiden. Dies ist für die Interessen der besonders verletzlichen Entwicklungsländer von ganz zentraler Bedeutung. Damit dürfte es gelingen, dass die Verhandlungen um Anpassung für die besonders verletzlichen Menschen nicht länger in "Geiselhaft" der erdölexportierenden Staaten genommen werden.

Allerdings wird die Umsetzung und weitere Ausgestaltung dieses "Cancún Adaptation Framework" nur dann wirklich wirksam werden, wenn es mit einer entsprechenden, deutlich höheren finanziellen Unterstützung durch die Industrieländer und auch innovative Finanzierungsquellen einhergeht (siehe obiges Kapitel zu Finanzierung).


5.3 Schutz des Regenwaldes

• Im festgelegten Ziel wird festgehalten, den Entwaldungstrend zu stoppen und sogar umzukehren. Es wird verknüpft mit der Reduktion der Wald-Emissionen und dem Stopp des Biodiversitäts-Verlustes.

• Das Ziel bezieht sich auf die Waldbedeckung, aber auch - und das ist wichtiger - auf den Kohlenstoffverlust des Waldes. Letzteres ist bedeutend, weil in Ökosystemen mit hoher Biodiversität in der Regel der meiste Kohlenstoff gebunden ist.

• Die direkte Referenz auf das Zwei-Grad-Limit ist in der letzten Fassung des Textes weggefallen; dies scheint aber weniger relevant, da das gesamte Cancún-Abkommen unter dieses Ziel gesetzt wurde.

• Schutzklauseln für die Biodiversität und indigene Völker sind in akzeptabler Form aufgenommen. Es wurde ein starker Arbeitsplan beschlossen, der die Festlegung von ökologischen und sozialen Anforderungen an den Schutz der Wälder auf dem Klimagipfel in Durban spezifizieren soll.

• Eine wichtige Fußnote begrenzt das Risiko, das sich aus der größten Schwachstelle des Kapitels zum Regenwald ergibt. Danach ist ein Monitoring der Waldemissionen des gesamten Landes notwendig, wenn für subnationalen Waldschutz Geld fließen soll.

Damit kann das Risiko begrenzt werden, dass ein Teil des Regenwaldes geschützt wird, aber in anderen Regionen des Landes (umso heftiger) weiter abgeholzt wird.

• Der Schutz des Regenwaldes soll in drei Phasen stattfinden. Für die ersten zwei Phasen wurde die Finanzierung vorgeklärt. Die Frage, ob der Schutz des Regenwaldes durch den Emissionshandel oder durch Fondslösungen gewährleistet werden soll, soll im kommenden Jahr im Zusammenhang mit der Frage der Langfristfinanzierung beschlossen werden.

Verhandlungen zum Thema Anpassung an den Klimawandel: Rahmensetzungen nach Cancun 2010 (Cancun Adaption Framework). Übersicht über Verhandlungsorganisation und Finanzierung - Abb.: Germanwatch

Verhandlungen zum Thema Anpassung an den Klimawandel:
Rahmensetzungen nach Cancun 2010
(Cancun Adaption Framework)
Abb.: Germanwatch

5.4 Termin für den nächsten Klimagipfel

Der nächste Klimagipfel wird in Durban, Südafrika, vom 28. November bis zum 9. Dezember stattfinden. Der Ort für den darauf folgenden Klimagipfel - Südkorea und Quatar sind im Gespräch - soll im März 2011 entschieden werden. Von Bedeutung wird auf jeden Fall auch der Rio-plus-20-Gipfel in Brasilien im Jahre 2012 sein.


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Impressum
Autor: Christoph Bals
unter Mitarbeit von Katrin Enting, Kristin Gerber, Sven Harmeling, Gerold Kier, Klaus Milke und Manfred Treber
Redaktion: Gerold Kier


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Stand: 15.12.2010

Bestellnr.: 10-2-15
ISBN 978-3-939846-75-8

Diese Publikation kann im Internet abgerufen werden unter: www.germanwatch.org/klima/c16k.htm

Diese Veröffentlichung wurde mit Unterstützung der Europäischen Union und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erstellt. Für den Inhalt dieser Veröffentlichung ist allein Germanwatch verantwortlich. Der Inhalt kann in keiner Weise als Standpunkt der Zuschussgeber angesehen werden.


[1] Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe www.germanwatch.org/kliko/ks46.htm

[2] Munich Re Presseerklärung 13.12.2010: Die Tür zu einem globalen Klimaabkommen ist wieder offen. Dr. Torsten Jeworrek, Vorstand für Rückversicherung Munich Re, zum Weltklimagipfel in Cancún. www.munichre.com/de/media_relations/company_news/2010/2010-12- 13_company_news.aspx


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Quelle:
Hintergrundpapier, 15.12.2010
Ein Resümee des Klimagipfels in Mexiko 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Dezember 2010