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KLIMA/216: Kolumbien - Klimaanpassungsprogramm legitimiert umstrittene Infrastrukturprojekte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Januar 2013

Kolumbien: Klimaanpassungsprogramm legitimiert Infrastrukturprojekte - Fischer tauschen Protestnatur gegen Arbeitsplätze

von Helda Martínez


Bild: © Helda Martínez/IPS

Verlassener Strand in Cartagena de Indias
Bild: © Helda Martínez/IPS

Cartagena de Indias, Kolumbien, 23. Januar (IPS) - Die ersten Bauarbeiten im Rahmen des Klimaanpassungsprogramms in der kolumbianischen Küstenstadt Cartagena de Indias haben begonnen. In das Programm wurden auch Vorhaben integriert, die ursprünglich nichts mit der Klimaanpassung zu tun hatten. Die Proteste gegen dagegen sind fast vollständig verhallt, da die Bauarbeiten für die Infrastrukturprojekte eine große Anzahl an Arbeitsplätzen schaffen.

Klimatologen gehen davon aus, dass aufgrund der globalen Erderwärmung der Meeresspiegel jedes Jahr um zwei bis fünf Millimeter ansteigt. Vor der Küste von Cartagena de Indias ist er bereits um 15 bis 22 Zentimeter höher als vor 100 Jahren. Bis 2100 wird mit weiteren 80 Zentimetern Anstieg gerechnet.

"Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Cartagena de Indias bereits seit acht Jahren sichtbar", berichtet der Biologe Francisco Castillo, der für das städtische Planungssekretariat als Berater tätig ist. "Wir erleben stärkere Regenfälle, mehr Hurrikans, schwere Überschwemmungen und bis dahin unbekannte Hitzewellen."

Bereits 2004 hatte die Stadt daher den Plan zur 'Integration von Klimaanpassungsprogrammen in die Stadtplanung von Cartagena de Indias' entwickelt. Mit dem Projekt soll zum einen verhindert werden, dass Extremwetterereignisse häufiger auftreten, zum anderen, dass diese negative Auswirkungen auf die Bewohner der Stadt und die Umwelt haben. Unterstützt wird der Anpassungsplan unter anderem vom Institut für Meeres- und Küstenforschung und der Allianz für Klima und Entwicklung.


Folgen von Extremwetterereignissen abfedern

Zum Programm gehören Infrastrukturprojekte, die die Sicherheit der Stadt in Zeiten des Klimawandels gewährleisten sollen. Erste Bauarbeiten wurden bereits begonnen. Nun sollen Dämme hinzukommen, mehrere Flutbrecher sowie zwei Schutzmauern. Geplant ist außerdem ein riesiges Abwasserrohr, das 30 kleinere Rohre ersetzen soll.

Rund eine Million Menschen leben in der Stadt am Karibischen Meer im nordkolumbianischen Departement Bolívar. Sie zieht sich über fast 50 Kilometer entlang der Küste und lebt deshalb vor allem vom Tourismus. Doch auch die chemische Industrie ist hier angesiedelt.

Cartagena de Indias ist ein beliebtes Reiseziel für Besucher aus aller Welt. Die Stadt hat ihren Platz in Kunst und Literatur, wurde in den Büchern des kolumbianischen Autors Gabriel García Márquez beschrieben und ist auf Bildern des Malers Alejandro Obregón zu sehen. Doch ist nicht alles Gold, was in dem Küstenort glänzt. So geht die Schere zwischen Arm und Reich in Cartagenas de Indias weit auseinander. Neben einer kleinen reichen Elite leben hier vor allem arme Menschen. Und die sind auf der Suche nach Arbeit.

"Die neuen Bauvorhaben bringen Geld in die Stadt und vor allem Arbeitsplätze", sagt Castillo. "Das Angebot nehmen die Bewohner gerne an, weil sie sich eine Verbesserung ihrer Lebensqualität erhoffen." Viele der Bauarbeiter waren bisher Fischer. Sie müssen das neue Handwerk erst erlernen, bekommen dafür aber eine feste Arbeitsstelle für in der Regel vier Jahre sowie ein festes Einkommen.


Arbeit statt Protest

Die festen Stellen haben die Kritik vieler Fischer verstummen lassen. Sieben Jahre lang hatten sie dagegen protestiert, dass das neue Abwasserrohr gebaut wird. Inzwischen helfen viele beim Bau der Abwasseranlage mit. Nicht so der 54-jährige Ramiro Ramírez. Er will den Kampf gegen die Projekte fortführen. "Ich kenne das Meer und weiß, wie die Strömungen die Fäkalien wieder zurück an die Küste treiben werden", sagt er. Auch den Geruch werde man nicht ertragen können.

Der Bau der Abwasseranlage war bereits 1996 geplant. Um die Durchführung zu sichern, wurde das Projekt schließlich in das Klimaanpassungsprogramm integriert. Das Rohr soll einen Durchmesser von zwei Metern haben und 4.321 Meter lang werden. Davon sollen 2.566 Meter unter dem Meeresboden entlang geführt werden. Zuvor wurden die Abwässer direkt vor der Küste ins Meer eingeleitet, was zu einem massiven Fischsterben geführt hatte.

"Um den Schaden zu verringern, den die Rückstände der Fäkalien verursacht haben, muss der Meeresgrund gesäubert werden", sagt der Fischer Eduardo Jiménez, der davon ausgeht, dass das Problem mit der neuen Abwasseranlage nicht wieder auftreten wird.

Ramírez ist anderer Ansicht: "Die Fäkalien werden mit Chemie behandelt, das schadet den Fischen auch." Er sorgt sich darüber hinaus um die menschliche Gesundheit. "Auch Rückstände aus dem städtischen Krankenhaus sollen über das Abwasserrohr entsorgt werden."

Ganz Unrecht habe Ramírez nicht, lenkt der Biologe Castillo ein. Doch die Abwässer würden 1,8 Kilometer vor der Küste ins Meer eingeleitet. Dort seien sie dem Meer überlassen, das mit seinen Salzen und Bakterien das Abwasser reinige. (Ende/IPS/jt/2013)


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IPS-Tagesdienst vom 23. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2013