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LATEINAMERIKA/084: Kuba - Straffreiheit verseucht Quibú-Fluss (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Januar 2014

Kuba: Straffreiheit verseucht Quibú-Fluss

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Müll verschandelt das kubanische Hauptstadtviertel El Náutico
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 13. Januar (IPS) - El Náutico ist ein malerisches Viertel im Westen der kubanischen Hauptstadt Havanna - doch nur solange der Blick zum Fluss Quimbú versperrt ist. Näherkommenden bietet sich hier, im Mündungsgebiet des Stroms, ein trostloses Bild: Abfälle, wohin das Auge blickt. Hinzu kommt der Geruch nach Kloake. "Der Unrat sammelt sich hier, stinkt und zieht Ratten an", erklärt María Angélica Suárez, eine Bewohnerin.

"An der Flussmündung gab es schon immer viel Müll", berichtet die 69-jährige Rentnerin. "Doch inzwischen hat sich die Lage weiter verschlechtert." Sie und ihre Nachbarn führen die Verschmutzung und Verwahrlosung ihres Lebensraums vor allem auf fehlende Kontrollen und Verstöße gegen geltende Umweltauflagen zurück.

"Der flussabwärts getriebene Abfall bildet hier große Inseln oder lagert sich auf der anderen Seite des Quibú ab", kritisiert Suárez, die zu den etwa 1.200 Stadtteilbewohnern im Westen Havannas gehört. "Ich könnte heulen, wenn ich sehe, wie dieser Unrat unsere Aussicht verschandelt."

Suárez lebt genau dort, wo sich der zwölf Kilometer lange und aus der Verschmelzung der Ströme Auditor und Quiebra Hacha hervorgegangene Fluss ins Meer ergießt. Bevor er das Viertel El Náutico erreicht, durchfließt er die armen Viertel am Außenrand Havannas. In der Hauptstadt leben 2,1 Millionen der insgesamt 11,2 Millionen Kubaner.


Fließende Müllhalde

Auf dem Weg zum Meer wird der Quibú von weiteren Bächen gespeist, die die Fest- und Flüssigabfälle aus Dörfern, Städten und Armenvierteln in vier Hauptstadtbezirken mit sich bringen, die schon 2008 in einer gemeinsamen Studie europäischer und lateinamerikanischer Universitäten für die Verseuchung des Mündungsgebietes hauptverantwortlich gemacht wurden.

Auch die Manuel-Martínez-Prieto-Zuckerfabrik, Pharmaunternehmen, Krankenhäuser und Landwirtschaft fordern ihr Tribut, obwohl es einen Abwasseroxidationsteich und eine Kläranlage gibt.

Wie Raquel Duarte, eine weitere Bewohnerin von El Náutico, erläutert, ist das Müllproblem immer dann besonders akut, wenn es lange Zeit nicht geregnet hat. Dann verkommt der Fluss zu einem kraftlosen Rinnsal, das die vielen Flaschen, Plastiktüten, Autoreifen und anderen Rückstände nicht mehr ins Meer befördern kann.

Wie die 57-Jährige erklärt, nutzen die zuständigen Stellen zwar den niedrigen Wasserstand häufig dazu, das Gestrüpp an den Ufern zurückzuschneiden und das Flussbecken bisweilen mit Baggern zu reinigen. Doch solange die Menschen ihre Abfälle weiterhin in Bächen und Flüssen entsorgten, werde das Problem fortbestehen.

"Obwohl ich meine Wohnung sauber halte, hatte ich schon Ratten", meint Duarte. "Sie kommen von dahinten", sagt sie und zeigt auf das gegenüberliegende unbebaute Ufergebiet.

"Was geschieht mit den Müllverursachern? Werden sie bestraft? Werden sie nicht", kritisiert eine weitere Nachbarin, die ihren Namen nicht nennen will. Doch Ángel Alfonso, Leiter der Umweltbehörde der nordwestlich von Havanna gelegenen Provinz Matanzas, führt das Problem in erster Linie auf die fehlende Koordinierung der unterschiedlichen Mechanismen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität zurück.

"Es fehlt an Personal und Finanzmitteln", betont er. In seiner Provinz gebe es nur drei auf Umweltvergehen spezialisierte Inspektoren. Um aber das seit 1997 geltende Dekret 200 umsetzen zu können, bildet sein Team derzeit zwei weitere Mitarbeiter aus. Die Regelung sieht Geldstrafen von bis zu 90 US-Dollar für diejenigen vor, die Müll in den Ufer- und Küstengebieten abladen. Wer Giftmüll in der Natur entsorgt, muss sich auf eine Strafe von 200 Dollar gefasst machen.


Strafrechtliche Verfolgung als Form der Prävention gefordert

"Die Verantwortlichen müssen die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen", unterstreicht der Behördenvertreter, der für eine Ausweitung der Umweltvergehen plädiert. Die Juristen Alcides F. Antanze und Rafael Batista empfahlen in einem im Februar letzten Jahres in der argentinischen Zeitschrift 'Pensamiento Pena' erschienenen Beitrag, Umweltsünder in dem karibischen Inselstaat auch strafrechtlich zu verfolgen.

Nach Ansicht der beiden Rechtswissenschaftler an der Universität von Granma, 730 Kilometer von Havanna entfernt, müssten im Sinne der Prävention Umweltvergehen zu einem Strafrechtsbestand werden.

Das kubanische Parlament hat im Oktober letzten Jahres damit begonnen, das Strafrecht von 1987 und das Gesetz für Strafrechtsverfahren von 1977 mit Blick auf einen wirksameren Umweltschutz zu reformieren.

Die Bewohner des Viertels El Náutico bringen die Verschmutzung des Quibú-Mündungsgebiet aber auch mit der Verbreiterung des Flusses im Anschluss an eine Überschwemmung des Viertels am 23. Mai 2006 in Verbindung. Seither hat der Quibú an Kraft eingebüßt, was ebenso dazu führt, dass mehr Müll hängenbleibt.

Suárez hatte 2007 einen Brief, Fotos und 47 Unterschriften mit der Bitte an die Stadtverwaltung geschickt, etwas gegen die Verschmutzung des Deltas zu unternehmen. Daraufhin wurde ihnen die alljährliche Säuberung des Mündungsgebiets zugesagt. Doch das Versprechen wird nicht immer eingehalten.

Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

An der Säuberung des Quibú-Mündungsgebiets beteiligen sich auch Kinder
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

"Besser wäre es ohnehin dafür zu sorgen, dass weniger Müll in den Fluss gelangt und dass die Säuberungsaktionen systematischer durchgeführt werden", meint Suárez. Die mehrmals im Jahr stattfindenden Freiwilligeneinsätze des in El Náutico gegründeten 'Acualina-Umweltbildungsprogramms' seien eher symbolischer Natur. An der Bürgerinitiative beteiligten sich Kinder, Jugendliche und Erwachsende. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/01/la-impunidad-ensucia-el-rio-quibu-en-la-habana/
http://www.ipsnews.net/2014/01/impunity-stinks-havanas-quibu-river/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2014