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MEER/033: China - Küstengewässer verseucht, schnelles Wachstum hat hohen Preis (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Juni 2011

China: Küstengewässer verseucht - Schnelles Wachstum hat hohen Preis

Von Mitch Moxley


Peking, 22. Juni (IPS) - Das rasche Wirtschaftswachstum in China hat den Meeresgebieten der Volksrepublik seinen Stempel aufgedrückt: Das Wasser ist über weite Strecken verseucht, die Unterwasserwelt nachhaltig geschädigt.

Wie die staatliche Meeresbehörde SOA berichtet, sind 48.000 Quadratkilometer der Hoheitsgewässer der Volksrepublik stark verunreinigt. Dies entspricht etwa der Hälfte aller chinesischen Meeresgebiete. Im vergangenen Jahr waren erst knapp 30.000 Quadratkilometer betroffen. Von den 18 von SOA kontrollierten Meeresgebieten befinden sich 14 in einem kritischen Zustand.

Nach 30 Jahren ungebremsten Wachstums überrundete China im vergangenen Jahr Japan und rückte zur weltweit zweitgrößten Wirtschaftsmacht auf. Dadurch hat sich der Lebensstandrad Zehntausender Chinesen verbessert. Diese Entwicklung hat aber auch eine Kehrseite: Das Reich der Mitte ist inzwischen eines der am stärksten verschmutzten Länder der Erde.

Die großen Städte an der Küste entsorgen ihren Industrie- und Hausmüll meist ungeklärt im Meer. 2009 entsprach die Wasserqualität in den Küstenregionen auf einer Fläche von 147.000 Quadratkilometern nicht mehr dem Reinheitsstandard, wie SOA bereits im vergangenen Jahr herausgefunden hatte. Im Vergleich zu 2008 entspricht dies einer Verschlechterung von 7,3 Prozent. In 337 von 457 Mündungsarmen wurde ein erhöhter Verschmutzungsgrad festgestellt. Wie SOA in einem neuen Bericht für 2010 betont, sind 86 Prozent der Flussmündungen, Buchten, Feuchtgebiete, Korallenriffe und Algenvorkommen in keinem gesunden Zustand mehr.


Ökosysteme durch Landgewinnung und neue Staudämme bedroht

In China erstrecken sich Mündungs- und Küstenfeuchtgebiete über eine Fläche von insgesamt rund fünf Millionen Hektar. Seit den neunziger Jahren sind diese wichtigen Ökosysteme durch Landgewinnung und Staudämme gefährdet. Jedes Jahr verschwinden im Durchschnitt 20.000 Hektar der meeresnahen Feuchtgebiete. 2008 betrug die Fläche des neugewonnenen Landes 13.380 Quadratkilometer. In den neunziger Jahren waren es laut einem Bericht erst rund 8.000 Quadratkilometer gewesen.

Auch die zunehmende Belastung durch Erdöl, Pestizide und andere Schadstoffe setzen den Meeresökosystemen erheblich zu, wie staatliche Medien berichteten. Schalentiere, die auf hoher See gefangen wurden, enthielten übermäßig viele schädliche Substanzen wie Blei, Kadmium und das Insektizid DDT. Die bei den Meerestieren festgestellten Bleiwerte lagen 50 Prozent über dem Normalwert, während Kadmium und DDT den Durchschnittswert um 40 Prozent überstiegen.

Blei kann in höheren Mengen das Nervensystem des Menschen schädigen sowie Anomalien im Blut und im Gehirn verursachen. DDT wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO als "moderat schädliches" Pestizid eingestuft.

In den chinesischen Küstengewässern wurde dem SOA-Report zufolge im vergangenen Jahr 68 Mal die durch Abwasser verursachte Algenblüte beobachtet. 14.700 Quadratkilometer Wasser waren davon betroffen, 3,4 Mal mehr als in den neunziger Jahren.

Yu Rencheng von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften warnte im Gespräch mit IPS vor der Gefahr der Algenblüte für die Fischbestände. Schwer verunreinigt sind unter anderem das Gelbe Meer, die Buchten von Liaodong, Bohal Laizhou und Hangzhou sowie die Mündungsbecken des Jangtse und des Perlflusses.


Abwässer, Müll und leckgeschlagene Schiffe

Zu den Schadstoffen, die in hoher Konzentration aufgetreten sind, gehören Stickstoff, Phosphat und Erdöl. Wie Yu erklärte, ist der Grad der Verschmutzung vor allem in den Regionen bedenklich, die ein rapides Wirtschaftswachstum erlebt haben. Neben den ins Meer geleiteten Abwässern und Abfällen sind auch leckgeschlagene Schiffe für die zunehmende Kontaminierung des Wassers verantwortlich.

Zwischen 1998 und 2008 wurden 733 Schiffshavarien in den chinesischen Hoheitsgewässern registriert. Wie aus offiziellen Statistiken hervorgeht, verursachten sie hohe wirtschaftliche Verluste und gravierende Umweltschäden.

In den neunziger Jahren versuchte die Regierung, die Verschmutzung der größten ins Meer mündenden Flüsse zu begrenzen. Auf nationaler Ebene wurden neue Gesetze erlassen und die Provinz- und Lokalbehörden angehalten, eigene Schutzmaßnahmen umzusetzen. Seit letztem Jahr sind die Verkehrsbehörden aufgerufen, Notfallpläne zu entwickeln, die bei Schiffsunglücken Anwendung finden sollen. Regierungsbeamten zufolge ist es bis zu einer Lösung des Problems der Meeresverschmutzung jedoch noch ein langer Weg. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2011