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MEER/189: Jamaika - Korallengärten sollen sterbende Riffe wiederbeleben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Juli 2015

Jamaika: Korallengärten sollen sterbende Riffe wiederbeleben

von Zadie Neufville


Bild: © Andrew Ross

Etwa 60 Fragmente von fünf verschiedenen Korallenarten in einer Zuchtstation
Bild: © Andrew Ross

KINGSTON (IPS) - Die Zeit für den Erhalt der Korallenriffe Jamaikas wird knapp. Forscher in dem Karibikstaat nehmen die Dinge deshalb selbst in die Hand und bauen die Riffe vor den Küsten der Insel Stück für Stück wieder auf. Die Behörden betrachten diese Maßnahmen als wichtigen Teil der Anstrengungen des Landes im Kampf gegen den Klimawandel und zur Katastrophenbewältigung.

Vor fünf Jahren begannen Hoteliers auf der Insel 'Korallengärten' anzulegen, um die Tauchgründe für Touristen attraktiver zu gestalten, ihre Grundstücke vor Stürmen zu schützen und die Erosion der Strände einzudämmen. Seit dem vergangenen Jahr erhalten sie Unterstützung vom Zentrum für Meereswissenschaften an der 'University of the West Indies', dem die Internationale Entwicklungsbank IDB für das 'Coral Reef Restoration Project' Finanzmittel in Höhe von 350.000 US-Dollar bereitgestellt hat.

Laut Projektleiter Dale Webber soll erforscht werden, wie sich Korallen vermehren. An mehreren Orten der Insel werden Riffe wieder aufgebaut. Geplant ist zudem ein Erfahrungsaustausch mit anderen karibischen Inselstaaten sowie mit dem IDB-Projekt 'Fragmente der Hoffnung', das in dem zentralamerikanischen Staat Belize durchgeführt wird.


Widerstandsfähige Korallen unter Beobachtung

Die Riffe von Discovery Bay werden bereits seit mehr als 40 Jahren wissenschaftlich untersucht. Dort kommen laut Webber mehrere Spezies schnell und langsam wachsender Korallen vor, die besonders widerstandsfähig sind. "Sie entwickeln sich trotz Krankheiten, globaler Erwärmung, des Anstiegs des Meeresspiegels, Korallenbleiche und des von Menschen hinterlassenen Mülls gut weiter."

Insgesamt etwa 60 Fragmente von fünf verschiedenen Korallenarten sind auf Bäume in einem Korallengarten gesetzt worden. Bei den Spezies handelt es sich um 'Orbicella annularis', 'Orbicella faveolata', 'Siderastrea siderea', 'Acropora palmata' und 'Undaria agaricites'. Wenn die Korallen größer geworden sind, werden sie auf Riffe verpflanzt.

Die Korallenriffe Jamaikas erstrecken sich über mehr als die Hälfte der insgesamt 1.022 Kilometer langen Küste. Im Laufe der Jahre haben ihnen Umweltverschmutzung, Überfischung und eine unsachgemäße Erschließung der Gebiete stark zugesetzt. 1980 wurden sie von dem Wirbelsturm 'Allen' zerstört. Hoffnungen auf eine rasche Erholung der Korallenbänke erwiesen sich als Trugschluss. Extreme Wetterlagen und zunehmendes Ausbleichen infolge des Klimawandels haben Experten gezwungen, nach alternativen Rettungsmethoden zu suchen.


Fatale Korallenbleiche

Nachdem im Jahr 2005 in der Karibikregion eine starke Korallenbleiche zu beobachten war, gingen zahlreiche Korallen ein. Zudem wurde weiterhin viel Sand an den schönsten Stränden der Insel abgetragen. Forscher führen den schlechten Zustand der Riffe zudem auf das massive Seeigelsterben 1982 sowie den fortgesetzten Fang junger Fische und Papageienfische im Umkreis der Korallenbänke zurück.

Den Vorhersagen nach könnte die Region in den kommenden 20 Jahren ihre gesamten Korallen verlieren. Mehreren Berichten zufolge sind lediglich acht Prozent der Korallen in Jamaika erhalten geblieben. Kürzlich veröffentlichte Studien der University of the West Indies gehen allerdings von zwölf bis 20 Prozent aus.

Entlang der nördlichen Küste von Oracabessa in St. Mary bis nach Montego Bay zeigen die Projekte zum Aufbau der Korallenriffe unterschiedlich gute Ergebnisse. Der 'Golden Eye Beach Club', das 'Oracabessa Fish Sanctuary' und der 'Montego Bay Marine Park' experimentieren bereits mit Korallengärten.


Korallengärten müssen von Tauchern gepflegt werden

Diese Arbeit ist höchst aufwendig. Die Gärten werden von Tauchern gepflegt, die unter anderem Algen von den Korallen entfernen müssen. Die Korallenfragmente werden später an den Riffen fixiert. Die Ergebnisse sind aber durchweg ermutigend. Experten sehen diese Projekte als kostspieligen aber sicheren Weg zur Rettung der sterbenden Riffe. In den vergangenen Jahren hat sich der Korallenbestand in Discovery Bay von fünf auf 14 Prozent erhöht. "Wir hoffen, dass das Wachstum bald noch schneller verläuft", sagt Webber, der auch das Zentrum für Meereswissenschaften leitet.

In 'Alligator Head' im Osten der Insel soll der Korallenbestand von derzeit 40 Prozent weiter vergrößert werden. Weitere Korallengärten sind in Portland eingerichtet worden. Das Wachstum der Korallen an beiden Orten soll miteinander verglichen werden.

In dem von einer unabhängigen Organisation betriebenen 'Montego Bay Marine Park' wurden ein künstliches Riff und ein Korallengarten in einem Fischschutzgebiet angelegt. Ein Sprecher des Parks spricht von "bescheidenen Erfolgen". Neu gewachsene Korallen zögen bereits Fische an. Die dichte Besiedlung des Küstengebietes und große Mengen an Abwässern, die ins Meer gelangten, erschweren jedoch eine Bewertung dieser Fortschritte.

Erst kürzlich wurde mit Billigung der Umweltbehörde NEPA ein künstliches Riff nahe dem 'Hotel Sandals Resorts International Negril' angelegt, um die Erosion auf einem bekannten Strandabschnitt aufzuhalten. Der Meeresbiologe Andrew Ross, der das Sandals-Projekt und weitere Vorhaben verantwortet, erklärt, dass im Zeitraum eines Jahres das Wachstum von Korallen beobachtet worden sei. Zudem seien Wellenbrecher angelegt worden, um zu untersuchen, wie die Wogen die Anlagerung von Sand beeinflussen.

In dem Fischerdorf Oracabessa, 16 Kilometer von der Touristenstadt Ocho Rios entfernt, halten Fischer seit dem Jahr 2009 mit Unterstützung von privaten Unternehmen das Riff sauber und setzen dort gesunde Korallen an.

Viele jamaikanische Riffe sind zudem durch Sedimente erodierender Hügelabhänge geschädigt worden. Abwässer aus Landwirtschaft und der Kanalisation führten zu einer Algenblüte.

Der Erhalt der Korallenriffe ist für den Karibikstaat aber nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Hinsicht wichtig. Denn ein Viertel aller Arbeitsplätze sind im Tourismussektor angesiedelt, der dem Land mehr als die Hälfte aller Deviseneinnahmen bringt. Etwa 33.000 Menschen in Jamaika sind direkt im Fischereisektor beschäftigt. In der gesamten Karibikregion bewegen sich die Einkünfte aus Fischfang und Tourismus zwischen fünf Milliarden und elf Milliarden Dollar. (Ende/IPS/ck/14.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/07/jamaicas-coral-gardens-give-new-hope-for-dying-reefs/

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IPS-Tagesdienst vom 14. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2015

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