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PROTEST/069: Vertrieben für Palmöl - Indonesiens UreinwohnerInnen wehren sich (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 120/1.2014

Vertrieben für Palmöl
Indonesiens UreinwohnerInnen wehren sich gegen Landraub und Betrug

von Marianne Klute und Stefanie Hess



30. Dezember 2013: Schüsse krachen durch die Siedlungen der Waldnomaden in Jambi auf Sumatra. Es ist noch früh am Morgen, als bewaffnete Einsatzkräfte von Polizei, Militär und privatem Sicherheitstrupp nach Bungku im Distrikt Batanghari kommen, um die indigenen Suku Anak Dalam in Angst und Schrecken zu versetzen. Die BewohnerInnen haben Angst um ihr Leben, der letzte gewaltsame Übergriff ist erst wenige Tage her.

Brutal hatten die Sicherheitskräfte der Palmölfirma PT Asiatic Persada gemeinsam mit der Polizei von Batanghari am 7. Dezember 2013 die Indigenen aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben. Drei Siedlungen wurden von einem 1.500 Mann starken, bewaffneten Schlägertrupp dem Erdboden gleichgemacht. 290 Häuser, all ihr Besitz, ihre Tiere und Felder wurden bei den mehrtägigen Räumungen zerstört.

Für Ölpalm-Plantagen werden die letzten Waldnomaden Jambis von ihrem traditionellen Land vertrieben. Palmöl ist für Indonesien ein wichtiges Exportprodukt, und viele unserer täglichen Produkte enthalten das konfliktreiche Öl. Das Geschäft mit dem Öl erwirtschaftet gewaltige Profite. Verlierer sind die Menschen und die Natur. Viele Menschen werden aus ihrer Heimat vertrieben, sie werden, ihrer Existenz beraubt, zu Geistern auf ihrem eigenen Land, so der Titel eines Buches von Sawit Watch.

Blutiges Palmöl

Die Suku Anak Dalam sind durch frühere Überfälle traumatisiert. Die Firma PT Asiatic Persada, Tochterfirma des Wilmar-Konzerns, dem größten Palmölhändler der Welt, zerstörte im August 2011 Dutzende von Häusern in mehreren Siedlungen der Indigenen und ging gewaltsam gegen sie vor.

Der Überfall damals war so brutal, dass selbst die Weltbank aufgeschreckt wurde und versuchte in diesem Konflikt zu vermitteln. Das misslang, doch auf Drängen der Regierung von Jambi verpflichtete Wilmar sich, den Indigenen einen Teil des geraubten Landes zurückzugeben. Wilmar aber entzog sich klammheimlich dem Vertrag: PT Asiatic Persada wurde im April 2013 ohne jede Information verkauft. Mit dem Verkauf kam der Verhandlungsprozess zum Erliegen, und die Menschen fühlen sich von Wilmar verraten und betrogen. Die konfliktbehaftete Plantage gehört nun zur Ganda-Gruppe. In enger Verbindung zu Wilmar bleibt sie trotzdem, denn Besitzer der Ganda-Gruppe ist Ganda Sitorus, ein Bruder von Wilmar-Mitgründer Martua Sitorus.

Suku Anak Dalam
"Der Stamm der Kinder des Inneren" sind die letzten Waldnomaden auf Sumatra. Es gibt nur noch ein paar Tausend von ihnen. Vor einer Generation noch lebten sie vollständig im und vom tropischen Regenwald. In den 1980 und 1990er Jahren dezimierten legale und illegale Holzfirmen ihren Lebensraum. Sie erlebten die Vernichtung ihres Waldes, Landraub und Vertreibung. Seit die Palmölindustrie einen Großteil Sumatras in endlose Monokulturen umwandelt, leben viele Suku Anak Dalam inmitten der Plantagen. Nur um dieses letzte von ihnen genutzte Land, auf dem sie Felder angelegt und Häuser gebaut haben, eskaliert der Konflikt mit Wilmar.
Proteste gegen das Landgrabbing

Ein Menschenleben zählt wenig in diesem Kampf um das Agrargeschäft - die Waldnomaden haben Angst, dass sie umgebracht werden. Doch aufgeben können und wollen die Suku Anak Dalam nicht. In ihrer Heimatprovinz Jambi haben sie alles versucht, angefangen von Verhandlungen bis hin zur Besetzung des umkämpften Landes. 2011 protestierten sie in der Hauptstadt Jakarta und verlangten die Rückgabe des Landes. Mehr als einen Monat lang veranstalteten sie Sitzblockaden vor dem Parlament. Zwei der Indigenen kamen im Dezember 2011 auf Einladung von ROBIN WOOD und anderen NGOs nach Hamburg, wo sie bei eisiger Kälte vor Unilever, einem Hauptkunden von Wilmar, protestierten.

Es gab kleine Erfolge: Die Provinzregierung und die Landesbehörde setzten sich zwischenzeitlich für die Suku Anak Dalam ein. Sie verlangten vom Konzern die Rückgabe des Landes und von den Behörden in Jakarta den Entzug der Betriebserlaubnis für die Plantage. Doch getan hat sich nichts.

Spektakulär war 2012 der Marsch der Waldnomaden von Jambi nach Jakarta. Sie brauchten 43 Tage, um die 1000 Kilometer zurückzulegen. Es war der längste Fußmarsch, den Indonesien bisher gesehen hat. Mehrere Monate lang führten sie Sitzaktionen vor dem Forstministerium durch.

Die Waldnomaden waren auch Mitte November 2013 in Medan, wo der RSPO, der Runde Tisch für Nachhaltiges Palmöl, tagte. Der RSPO ist von der Industrie dominiert und der Wilmar-Konzern ist eines der prominenten Mitglieder. Die DemonstrantInnen - außer den Suku Anak Dalam auch 3000 Vertreter indonesischer Umwelt- und Menschenrechts-NGOs und der Arbeiterbewegung - warfen dem RSPO vor, dass die Rechte der indigenen Gemeinschaften nicht geschützt und dass sie von den RSPO-Mitgliedern, wie dem Konzern Wilmar, bestohlen werden. Sie forderten "Stoppt das Landgrabbing" und führten während der Demo den Basale-Ritus auf. Damit werden traditionell böse Geister vertrieben. Die Demo in Medan war die größte Demo in der Geschichte des RSPO.

ROBIN WOOD unterstützt den Kampf der Einheimischen gegen die Palmölmafia, vor allem in Jambi und in Medan.

Palmölexpansion
Die lebensfeindlichen Monokulturen sind in Indonesien seit Beginn des Agrodieselbooms um weit mehr als das Doppelte ausgeweitet worden. Laut der NGO Sawit Watch existierten in Indonesien 2005 über 5,6 Millionen Hektar Ölpalm-Plantagen. Heute sind es fast 13 Millionen Hektar und für weitere 22 Millionen Hektar haben Ölpalmfirmen die Nutzungsgenehmigung. Zusammen entspricht das nahezu der Fläche Deutschlands. Die grünen Wüsten liegen zum Großteil auf Sumatra. Auch in Kalimantan und Papua expandiert die Agroindustrie aggressiv. Nach dem Willen der indonesischen Regierung werden diese Regionen zu Wirtschaftszentren der Palmöl-Industrie ausgebaut.
Wird die Palmöl-Branche grün?

Anfang Dezember 2013 hat Wilmar eine neue Verpflichtungserklärung herausgegeben, die ab 2015 gelten soll. Jahrelange Kampagnen von ROBIN WOOD und weiteren Umweltverbänden, sowie der Druck von Finanziers und Handelspartnern führten zu der Kehrtwende. Die wichtigsten Punkte der Verpflichtung beinhalten den Stopp von Entwaldung, keine Umwandlung von Torfgebieten, den Verzicht auf Brandrodung, die Wahrung von Menschenrechten und die Anerkennung der Rechte der Gemeinschaften. Die neue Erklärung gilt auch für Zulieferfirmen von Wilmar. Immerhin bezieht der Konzern Zweidrittel seines Palmöls von Tochterfirmen und produziert über Joint Ventures wie in Uganda.

Auf dem Papier liest sich die neue Firmenpolitik wie eine Kehrtwende, doch unsere indonesischen Partner denken, dass sie das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt wurde. Skepsis ist angebracht, denn der gewaltsame Überfall auf die Suku Anak Dalam fand nur wenige Tage nach dem Erscheinen der neuen Verpflichtungserklärung statt. Wilmar wirbt mit grünen Slogans, doch was nützt der grüne Anstrich angesichts des Vertragsbruchs an den indigenen Suku Anak Dalam? Diese forderten in Medan: "Wilmar darf sich der Verantwortung nicht entziehen!" Dabei wollen wir sie mit Eurer/Ihrer Hilfe unterstützen.


Marianne Klute und Stefanie Hess, ROBIN WOOD, Tropenwaldreferentin
tropenwald@robinwood.de

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- "Stoppt das Landgrabbing": Im November 2013 protestieren die Waldnomaden in der Hauptstadt Medan gegen die Machenschaften von Wilmar und des Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl

- Die Suku Anak Dalam leben in Angst und Schrecken: Im Dezember 2013 wurden erneut drei ihrer Siedlungen im Auftrag von Palmölfirmen von der Polizei und privaten Schlägertrupps zerstört

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 120/1.2014, Seite 40 - 41
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2014