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RESSOURCEN/064: Bergbau in der Tiefsee (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Bergbau in der Tiefsee
Unbekannte Tiefen, grüne Wirtschaft und eine erneute Ausbeutung des Globalen Südens

von Kai Kaschinski


Am 21. Januar 1982 passierte ein gerade erst Ende November 1981 eingereichter Gesetzentwurf zur "Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus" mit fraktionsübergreifender Zustimmung und ohne jede Debatte den Bundestag. Die Bundesregierung wurde damit ermächtigt, zwischenstaatliche Abkommen mit anderen interessierten Industrieländern zu schließen, um noch vor Inkrafttreten des heute gültigen UN-Seerechtsübereinkommens (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) gemeinsam mit ihren Verbündeten vollendete Tatsachen auf Hoher See zu schaffen. Multinationale Unternehmungen zur Ausbeutung der Tiefseerohstoffe sollten gestartet werden, deren Ansprüche auch noch nach Abschluss des Übereinkommens Bestand haben würden.


Politisch an Bedeutung haben die Tiefseemineralien im Rahmen der sich in den 1970er Jahren anbahnenden Rohstoffkrisen gewonnen. Die Fortschritte in der maritimen Technologie und der Ozeanforschung waren wie die Preissteigerungen für Rohstoffe auf dem Weltmarkt ausschlaggebend für das wirtschaftliche Engagement von Unternehmen in der Tiefsee. Nationale und internationale Konsortien testeten Fördermethoden und gewannen jeweils einige hundert Tonnen Manganknollen. Eines dieser Konsortien war die Ocean Management Incorporated (OMI), die 1978 und 1979 erfolgreich Förderversuche in bis zu 5.000 m Tiefe durchführte. Die Arbeitsgemeinschaft meerestechnisch gewinnbare Rohstoffe (AMR) mit Unternehmen aus Deutschland (Metallgesellschaft AG (heute GEA Group AG), Preussag, Salzgitter AG) arbeitete dabei zusammen mit INCO Limited (Kanada), SEDCO Incorporated (USA) und der DOMCO-Gruppe (Japan). Obwohl sich Industriestaaten wie Deutschland durch den Abbau von Tiefseemineralien eine stärkere Unabhängigkeit von den Rohstoffmärkten versprachen, blieben die Vorhaben jedoch in der Testphase stecken, da sie zunächst als noch zu kostenintensiv analysiert wurden und die rechtlichen Verhältnisse vor Inkrafttreten von UNCLOS als ungeklärt betrachtet wurden.

Tiefseeressourcen werden wieder interessant

Heute, nach Inkrafttreten von UNCLOS, vergibt die auf Basis des Übereinkommens eingerichtete Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) die Lizenzen für die Förderung mineralischer Ressourcen auf und im Meeresboden der Area, dem Gebiet jenseits der den Küstenstaaten zur Nutzung überlassenen und in der Regel 200 Seemeilen weit reichenden Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ), und reglementiert zugleich detailliert die Nutzungsbedingungen. Erst seit kurzer Zeit werden die hart verhandelten Vorgaben für den Tiefseebergbau nun aber auch wieder für konkrete wirtschaftliche Vorhaben relevant. Gut 30 Jahre nach den ersten Testversuchen rücken die mineralischen Ressourcen der Tiefsee wieder in den Blick. Gerne wird in diesem Zusammenhang Jules Verne zitiert mit dem Ausspruch von Kapitän Nemo aus "Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer": "... in den Ozeanen existieren Vorkommen von Zink, Eisen, Silber und Gold, die man wahrscheinlich recht einfach gewinnen kann..." Nautilus Minerals Inc. lautet denn auch der Name des Unternehmens, welches international am weitesten mit seinen Vorbereitungen fortgeschritten ist und nach mehrmaligen Verschiebungen, den Start seines ersten Projektes in den Gewässern Papua Neuguineas für 2017 angekündigt hat. Nautilus will dort die mineralischen Ablagerungen sogenannter Schwarzer Raucher abbauen. Ein Phänomen, das erst 1977 in der Tiefsee entdeckt wurde und in dessen Ablagerungen sich unter anderem ungewöhnlich hohe Anteile von Gold finden lassen.

Deutschlands Förderfläche ist so groß wie Norddeutschland

In Deutschland und der EU haben sich die Anstrengungen zur Förderung des Tiefseebergbaus im Zuge dieser weltweiten Entwicklung ebenfalls wieder verstärkt. 2006 erwarb die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Auftrag der Bundesregierung eine erste Lizenz für Manganknollen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde im Rahmen von UNCLOS. 75.000 Quadratkilometer stehen Deutschland nun im Pazifik zunächst einmal zur Erkundung zur Verfügung. Ein 17. Bundesland mit einer Fläche größer als Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zusammen. 2013 wurde von der BGR ein weiteres Lizenzgebiet von 10.000 Quadratkilometern im Indik bei der IMB erworben.

Global sind derzeit drei Gruppen von Tiefseemineralien von Interesse. Neben den zunächst untersuchten Manganknollen auf den Tiefseeebenen in 3.500 bis 6.500 m Tiefe, sind dies die Sulfiderze in 1.000 bis 4.000 m Tiefe rund um die Schwarzen Raucher und die Erzkrusten an den Seebergen in 1.000 bis 2.500 m Tiefe, den Hotspots der Artenvielfalt auf hoher See. Den Vorbehalten gegen Eingriffe in die sensiblen Ökosysteme stellen die Akteure Beteuerungen entgegen und versprechen verantwortliches Handeln. Der gesamte Diskurs um den Tiefseebergbau klingt seitens der Befürworter wie ein Positionspapier von NGOs. Nautilus Minerals, dessen Hauptanteilseigner die drei Bergbauunternehmen Mawarid Mining LLC (Oman, 28 %) Metalloinvest Holding (Cyprus) Limited (Russland, 20,75 %) und Anglo American plc (Großbritannien/Südafrika, 5,95 %) sind, hat die Kampagne "nautilus cares" aufgelegt. Die Kampagne preist die hohen Umweltschutzstandards, den Einsatz des Unternehmens für Arbeitssicherheit und ökonomische Vorteile für die lokalen Bevölkerungen an.

Tiefseeressourcen als Schlüssel zur Grünen Wirtschaft

Im Allgemeinen wird besonders hervorgehoben die Bedeutung der Vorkommen in der Tiefsee für den hohen Metallbedarf der Grünen Ökonomie und eine alternative Energieproduktion sowie für eine global gerechte Verteilung von Rohstoffen, die sich am europäischen Lebensstandard und Ressourcenverbrauch orientiert. Außerdem werden verschiedene Vorteile gegenüber dem Mineralienabbau an Land behauptet. Die Förderung auf See soll keine Vertreibungen nach sich ziehen und die Engriffstiefe in die Natur weniger weitreichend sein, unter anderem da weniger Abraum entstehen soll und die Fördereinrichtungen mobil sind. Ausgeklammert werden in der Regel die sozialen und ökologischen Probleme, die bei der Verhüttung und Verarbeitung der Erze an Land auftreten können. Wo und wie dieser Teil des Produktionsprozesses stattfinden soll, wird nicht ausgeführt. Vielmehr ist die Entwicklung wirtschaftlicher Verhüttungsverfahren eine der noch ungelösten Fragen, für deren Lösung ein erheblicher Teil der anvisierten Investitionskosten eingeplant ist.

Faktisch ist das Wissen über die Ökologie der Tiefsee bis heute äußerst begrenzt. 2000 wurde deshalb der "Census of Marine Life" gestartet. Über 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 80 Ländern zeigten 2010 mit ihrem ersten Bericht wie unbekannt die Artenvielfalt im Meer bisher noch ist. Das Wissen um die Biodiversität ist eine Basis biologischen Wissens. Das Wissen um die Evolution und Ökologie der Arten und ihrer Biotope baut auf diesen Daten auf. Erst im Anschluss an eine umfassende Beschreibung der marinen Ökosysteme können überprüfbare Aussagen über mögliche Auswirkungen und die Umweltverträglichkeit von gleich welcher Form des Tiefseebergbaus getroffen werden. Davon ist die Forschung jedoch noch weit entfernt. Aktuell sind die Auswirkungen von Bergbauprojekten vor diesem Hintergrund auf absehbare Zeit schlicht uneinschätzbar. Ein Start von Förderungen würde folglich bedeuten, dass aus den Erfahrungen der Umweltpolitik nichts gelernt wurde und auf vorausschauende Ansätze und eine realistische Umweltprüfung verzichtet wird.

Rohstoffabbau vor der Küste

Schon 2011 hat die EU das Deep Sea Minerals Project als Kooperation mit dem Secretariat of the Pacific Community (SPC) initiiert. In diesem strategisch gut konzipierten Projekt unterstützte die EU mit zunächst 4,4 Millionen Euro 15 pazifische Staaten bei der Erschließung und Vermarktung ihrer Tiefseerohstoffe durch den Aufbau von Kapazitäten im Management, der Legislative und der Exekutive. Die EU beschleunigt so den Vorstoß in die Tiefe und die kommerzielle Ausbeutung der Tiefseemineralien, wobei sie sich zugleich gute Verbindungen zu den staatlichen Institutionen im Pazifik sichert, die zukünftig die Tiefseelizenzen ihrer AWZs verwalten und den Abbau der dortigen Ressourcen managen. Da es sich bei der Area und der AWZ in Bezug auf den Tiefseebergbau um zwei sehr unterschiedliche Rechtsräume handelt und die AWZs nicht den internationalen Reglementierungen der Meeresbodenbehörde unterliegen, wird allgemein davon ausgegangen, dass Förderprojekte auf absehbare Zeit wie im Fall von Nautilus Minerals in den AWZs realisiert werden.

Damit sind es die Zivilgesellschaften und Küstenkommunen der Lizenzen vergebenden Staaten, insbesondere im Pazifik, die sich zuerst den Auswirkungen stellen müssen und dies auch bereits tun. Anders als angekündigt, haben sich die NGOs des Pazifiks aber nicht in einen transparenten und inklusiven Prozess wiedergefunden. Statt positiver sozialökonomischer Effekte für die Bevölkerungen ihrer Länder sehen sie wie ihr flüssiger Kontinent zu einem Testlabor gemacht wird und lehnen dies konsequent ab: "Indeed, seabed mining has never been undertaken anywhere in the world; if pursued now in the Pacific, our nations will once again be the 'testing ground' in much the same way as they were for the nuclear industry." Sie fordern ein Nein zum experimentellen Tiefseebergbau im Pazifik und die deutsche Zivilgesellschaft sollte sie unterstützen ihre Forderung durchzusetzen.


Autor Kai Kaschinski ist Projektleiter von "Fair Oceans", Koordinator der AG Meere und einer der Vorsitzenden des Vereins für Internationalismus und Kommunikation e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 30-31
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2015

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