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RESSOURCEN/072: Feuer für Biodiesel (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 127/4.2015

Tropenwald
Feuer für Biodiesel

von Tina Lutz


Mit über 50 Prozent der weltweiten Produktion ist Indonesien der weltgrößte Produzent von Palmöl. Der Raubbau für Palmölplantagen ist ungebremst, denn gerade ist ein neuer Boom von Palmöl für Diesel entfacht. Um Flächen für Plantagen zu schaffen, wüten dort seit dem Sommer wieder tausende Waldbrände.

Es könnte diesmal sogar noch schlimmer werden als bei den verheerenden Waldbränden 1997. Riesige Waldflächen wurden bereits vernichtet. Giftiger Smog breitet sich über weite Teile Südostasiens aus und macht Millionen Menschen das Atmen schwer. Der Rauch ist hochgradig gesundheitsschädlich. Zehntausende Menschen mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Auch in den Nachbarländern Malaysia und Singapur mussten Schulen geschlossen werden. Für die Brände sind fast ausschließlich Plantagenbesitzer verantwortlich, die das Land mit Feuer auf industrielle Monokulturen vorbereiten. Dass dies illegal ist, schreckt die wenigsten von ihnen ab. Die Regierung Indonesiens scheint machtlos zu sein. Nach Angaben von Global Forest Watch befinden sich 54 Prozent der Brandflächen auf Konzessionsflächen von Palmölfirmen (und 41 Prozent auf jenen von Zellstoffproduzenten). Die Brände sind auch ein Desaster für den Klimaschutz, weil mehr als 60 Prozent dieser Feuer auf Torf-Sumpfflächen wüten. Brennen zusätzlich zu den Wäldern die mächtigen Torfschichten, entsteht bis zu 50mal mehr CO2 als bei gewöhnlichen Waldbränden. Daher zählt Indonesien mittlerweile zu den weltweit größten Klimasündern.

In der Hälfte aller deutschen Supermarktprodukte steckt Palmöl. Viele VerbraucherInnen wissen mittlerweile, dass es in Lebensmitteln, Kosmetika und Reinigungsmitteln enthalten ist. Inzwischen wird ein stetig wachsender Anteil auch in Automotoren verbrannt. Während 2006 in der EU nur neun Prozent des importierten Palmöls zu Treibstoff wurden, fließt mittlerweile rund ein Drittel in die Biodieselproduktion. Bei einer gleichbleibenden Menge im Lebensmittel- und Reinigungsmittelbereich in Europa geht die gesteigerte Nachfrage nach Palmöl fast ausschließlich auf das Konto des Biosprits.

Regenwald im Tank

Der Beimischungsanteil von Biokraftstoffen (Benzin und Diesel) liegt in Deutschland gegenwärtig bei rund 6,25 Prozent. Den meisten Menschen, die normalen Dieselkraftstoff tanken, würde nicht im Traum einfallen, dass sie mit jeder Tankfüllung ein Stück Regenwald vernichten. Jede Diesel-Tankfüllung in Deutschland basiert im Schnitt zu 1,8 Prozent auf Palmöl. Betrachtet man nur den Biodiesel-Anteil, so basierten im Jahr 2013 etwa 26 Prozent der Produktion auf frischen Palmöl.

Der starke Zuwachs an Palmöl-Diesel ist vor allem auf falsche politische Weichenstellungen zurückzuführen. Der Einsatz von Biokraftstoffen wird in der EU durch die Beimischungsquote geregelt. So sollten bis 2020 aus Gründen des Klimaschutzes im Verkehrssektor mindestens zehn Prozent des Gesamtkraftstoffverbrauchs aus Biokraftstoffen bestehen. Dabei beruhte die Beimischungsquote von Anfang an auf einem faulen Deal zwischen der EU und insbesondere den deutschen Autobauern, die sich jahrelang erfolgreich dagegen gewehrt haben, dass ihre Fahrzeuge niedrigere Verbrauchswerte erreichen müssen. Um Daimler, VW, BMW & Co. vom Druck zu befreien, ihre Autos effizienter zu machen, wurde 2005 von der deutschen Regierung die Idee mit der Beimischung entwickelt und in der EU durchgesetzt. Damit sollten Treibhausgas-Emissionen verringert werden, die durch die laschen Vorgaben von Verbrauchswerten nicht eingespart werden konnten.

Biokraftstoffe sind oft Klimakiller

Nur langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass bei Biokraftstoffen aus Feldfrüchten die negativen Folgen überwiegen. Biokraftstoffe stehen im Zusammenhang mit steigenden Lebensmittelpreisen und Hunger, Landraub und klimaschädlichen Landnutzungsänderungen. Ein Beispiel: Würde die EU jegliche Unterstützung für Biotreibstoffe einstellen, würde der Weltmarktpreis für Weizen voraussichtlich um vier Prozent sinken, der für Pflanzenöle sogar um 16 Prozent.

Studien belegen außerdem, dass Biokraftstoffe aus Palmöl in der Regel eine dramatisch schlechtere Klima- und Ökobilanz als fossile Kraftstoffe haben. Aber auch andere Biokraftstoffe schneiden nicht so gut ab, wie es auf den ersten Blick scheint. Das liegt vor allen Dingen daran, dass bis heute die indirekten Landnutzungsänderungen nicht in die Berechnung der Treibhausgasbilanz einfließen. Gemeint ist damit die Verdrängung der Nahrungs- und Futtermittelproduktion durch den Anbau von Energiepflanzen, wodurch jene auf andere Flächen wie zum Beispiel Wald- und Moorgebiete ausweichen muss. So werden Treibhausgase in erheblichen Mengen freigesetzt.

Besonders schlecht schneidet Palmöl ab, weil es sehr oft auf ehemaligen Regenwaldflächen, häufig sogar auf ehemaligen Torfwäldern, angebaut wird oder andere Anbauarten auf Regenwaldflächen verdrängt.

Seit Jahren wird daher auf EU-Ebene darüber diskutiert, den Anteil an Biokraftstoffen aus Feldfrüchten am Gesamtkraftstoffverbrauch zu begrenzen. Im April hat sich nun die EU auf eine Obergrenze von 7 Prozent für Agrokraftstoffe aus Feldfrüchten verständigt. Sie ist damit erstmalig von ihrer bisherigen Biokraftstoff-Förderungspolitik abgewichen.

Ohne die Deckelung wäre der Anteil der Biokraftstoffe bis 2020 vermutlich auf rund 8,6 Prozent im EU-Durchschnitt gestiegen. Die beschlossene Obergrenze ist ein lange überfälliger und wichtiger Schritt, der aber längst nicht weit genug geht. Denn auch die nun beschlossenen 7 Prozent bedeuten fast eine Verdoppelung des Biokraftstoffanteils gegenüber dem heutigen Niveau von etwa 4,8 Prozent in der EU.

Bis vor wenigen Jahren wurde Kraftstoff auf der Basis von Palmöl dem Dieselkraftstoff vor allem im Sommer beigemischt.

Palmöldiesel hat einen relativ niedrigen sogenannten Cloudpoint - der Punkt, an dem Teile des Diesels beginnen, fest zu werden. Herkömmlicher Biodiesel aus Palmöl kann daher im Winter nur sehr begrenzt eingesetzt werden. Er muss auch mit anderen Biodiesel-Komponenten gemischt werden, weil sonst die vorgeschriebenen Qualitätsstandards nicht erfüllt werden. Trotz allem ist der Palmölanteil auch am herkömmlichen Biodiesel bereits sehr hoch, wie eine Studie des UFOP (Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen) gezeigt hat: Stichproben an 60 deutschen Tankstellen im Sommer 2013 kamen zum Ergebnis, dass herkömmlicher Biodiesel, der Standarddieselkraftstoffen beigemischt worden war, im Schnitt zu 36 Prozent aus Palmöl und Palmkernfett bestand. Im Winter lag dieser Anteil bei nur zehn Prozent. Allerdings ist in dieser Rechnung auch Altöl aus Palmöl, also zum Beispiel altes Frittierfett, enthalten, weil die Analyse nicht zwischen Alt- und Frischöl unterscheiden kann.

Palmölsprit-Boom ungebremst

Seit einigen Jahren gibt es nun einen Biokraftstoff neuer Generation: die hydrierten Pflanzenöle (HVO). Da sie sich viel besser mit den herkömmlichen Motoren vertragen, könnte die Nachfrage nach Palmöl in die Höhe schnellen. HVO sind Pflanzenöle, die in einer Hydrierungsanlage durch die chemische Reaktion mit Wasserstoff in einen Kraftstoff umgewandelt werden, der so rein ist, dass er in fast beliebiger Höhe ohne Qualitätseinbußen Dieselkraftstoff beigemischt werden kann - und zwar das ganze Jahr über. Da Palmöl billig ist, das HVO-Verfahren am besten mit Pflanzenölen mit gesättigten Fettsäuren wie Palmöl funktioniert und beim Einsatz von Palmöl zudem deutlich weniger Wasserstoff benötigt wird, besteht dieser neue HVO-Dieselkraftstoff zu fast 100 Prozent aus Palmöl. Rapsöl, dem bisher wichtigsten Rohstoff für herkömmlichen Biodiesel, eignet sich dagegen kaum als Rohstoff für HVO und ist aufgrund seines höheren Preises auch wirtschaftlich langfristig weit weniger attraktiv.

International sieht die Lage noch düsterer aus: Zahlreiche Länder fördern den Einsatz von Biokraftstoffen bereits intensiv. So befeuert zum Beispiel Indonesien mit einer aggressiven Subventionierung den Einsatz von Palmöldiesel und damit den Ausbau des Ölpalmanbaus im eigenen Land.

Bisher werden HVO in Deutschland noch nicht produziert. Sie kommen in erster Linie aus Rotterdam, wo das finnische Kraftstoffunternehmen Neste Oil eine eigene Raffinerie besitzt. Neste Oil, das mit dem südostasiatischen Palmölgiganten Wilmar zusammenarbeitet, hat den Palmöldiesel als erstes auf den Markt gebracht. Mittlerweile haben auch andere Kraftstoffproduzenten wie Total und Eni das HVO-Geschäft für sich entdeckt.

Würde bekannter werden, wie viel Palmölsprit schon jetzt in unseren Tanks steckt, würde das ohnehin schon angeschlagene Image der Biokraftstoffe weiter dramatisch leiden. Der Bundesverband Biokraftstoffe behauptet deshalb, im Jahresdurchschnitt nur drei Prozent frisches Palmöl beizumengen, verschweigt dabei aber gerne, dass er sich auf Zahlen aus dem Jahr 2014 bezieht, als der Rapspreis historisch einmalig tief stand und somit das Palmöl im herkömmlichen Biodiesel verdrängen konnte. Außerdem lässt er die HVO, in die ja mittlerweile die größte Menge Palmöl fließt, komplett außen vor.

Wie viel Palmöl sich im Biodiesel versteckt, wird bald nur noch schwer zu ermitteln sein: Während man herkömmlichen Biodiesel noch relativ einfach untersuchen und die Rohstoffbasis aufgrund der unterschiedlichen Fettsäuremuster erkennen kann, ist dies bei HVO nicht mehr möglich. Hier werden die eingesetzten Rohstoffe bei der Produktion so stark verändert, dass die ursprünglichen Fettsäuremuster verloren gehen.

Man kann nur feststellen, ob HVO beigemischt wurden. Und hier zeigen die Zahlen, dass der Anteil der HVO an herkömmlichem Biodiesel, abgesehen von einigen Ausreißern, steil ansteigt! Das goldene Zeitalter für Palmölsprit beginnt womöglich gerade erst.


Tina Lutz, ROBIN WOOD Tropenwaldreferentin, Hamburg
tropenwald@robinwood.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Indonesischer Regenwald mit der weltweit größten Artenvielfalt wird in deutschen Autos verheizt

- Die verheerenden Waldbrände für noch mehr Palmöl machen Millionen Menschen krank und schädigen das Klima weltweit

- Mächtige Torfschichten trocknen durch die Zerstörung des Regenwaldes aus und geben, wenn sie in Brand geraten, bis zu 50mal mehr klimaschädliches CO2 ab als bei gewöhnlichen Waldbränden

- Neue technische Verfahren für Biosprit führen zu einer noch schnelleren Vernichtung der Lebensräume bedrohter Arten, wie den Orang Utans

- Die indonesischen AktivistInnen brauchen dringend unsere Unterstützung

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 127/4.2015, Seite 16 - 19
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2015

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