Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

SOZIALES/068: Erfolge bei der Umweltsanierung - Lob für Entwicklungsländer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2015

Umwelt: Erfolge bei der Umweltsanierung - Lob für Entwicklungsländer

von Kitty Stapp

Bild: © Blacksmith Institute for a Pure Earth

Ein Sanierungsteam bei der Reinigung eines bleiverseuchten Grundstücks im vietnamesischen Dong Mai
Bild: © Blacksmith Institute for a Pure Earth

New York, 27. Januar (IPS) - Das kleine vietnamesische Dorf Dong Mai hatte lange ein großes Problem. Um die mageren Einkünfte aufzubessern, verlegten sich die lokalen Kunsthandwerker auf die Rückgewinnung von Blei aus alten Auto- und Lkw-Batterien. Doch der ungeschützte Kontakt mit dem Schwermetall kam sie sehr teuer: Die Bleikonzentrationen in ihrem Blut erreichten exorbitante Höhen.

Und nicht nur das: Die Belastung der Gewässer und Böden von Dong Mai lag um das 32- bis 34-fache oberhalb des zugelassenen Höchstwertes. Erwachsene und Kinder erkrankten. Und auf einem Grundstück überschritt die Bleikonzentration sogar den Standardwert der US-Umweltschutzbehörde um das 50-fache.

Der Lokalregierung war das Problem bekannt, doch fehlten die Mittel, um das Dorf zu dekontaminieren. Erst die Zusammenarbeit mit dem 'Blacksmith Institute for a Pure Earth' sorgte für Entwarnung. Nach Abschluss der Wiederherstellungsarbeiten im Februar 2014 konnte der Bleigehalt im Blut der Bevölkerung innerhalb von sechs Monaten um fast ein Drittel gesenkt werden.

"Es dauert meist eine gewisse Zeit, bis sich der politische Wille, zu handeln, herausbildet", meint dazu der Blacksmith-Vorsitzende Rich Fuller. "Regierungen brauchen zunächst einmal verlässliche Zahlen und Informationen. Die meisten Staaten jedoch haben gerade erst damit begonnen, Entgiftungsteams zusammenzustellen."

Zusammen mit dem 'Grünen Kreuz Schweiz' und der 'Global Alliance on Health and Pollution' (GAHP) hat Blacksmith am 27. Januar in einem Bericht 'Top Ten Countries Turning the Corner on Toxic Pollution' Erfolgsgeschichten aus zehn Ländern vorgestellt.


Umweltverschmutzung tötet

Der Report hält fest, dass die Umweltverschmutzung weltweit jedes Jahr mehr als 8,9 Millionen Menschen, mehrheitlich Kindern, das Leben kostet. Sie tötet 35 Prozent mehr Menschen als der Tabakkonsum und drei beziehungsweise 15 Mal mehr Menschen als Malaria und HIV/Aids.

"Anders als allgemein angenommen gehen viele der schlimmsten Verseuchungsfälle nicht auf das Konto von multinationalen Konzernen. Vielmehr werden sie von den wenig regulierten Kleinunternehmen, kleinen Gewerbegebieten und verlassenen Fabriken verursacht", erklärt Stephan Robinson vom Grünen Kreuz Schweiz. "Die Länder mit hohen Einkommen tragen mit ihrer Nachfrage nach Rohstoffen und Konsumgütern indirekt zu dem Problem bei."

Bleivergiftungen sind besonders für Kinder fatal, da sie das Gehirn und das zentrale Nervensystem schädigen, Entwicklungsverzögerungen verursachen und in schlimmen Fällen zum Tode führen.

Die wirtschaftlichen Kosten, die den Ländern niedriger und mittlerer Einkommen durch die giftigen Substanzen entstehen, bewegen sich zwischen sechs und zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

In früheren Berichten hatte Blacksmith die zehn verseuchtesten Orte der Welt vorgestellt. Doch in diesem Jahr liegt der Fokus auf preiswerten, praktischen und replizierbaren Lösungen. "Es gibt noch sehr viel zu tun", bestätigt Fuller. "Denn bisher haben nur einige wenige Länder einen solchen Weg eingeschlagen. Ihnen wollten wir Anerkennung zollen. Sie sollen anderen Ländern zum Vorbild werden."

Im Fall von Dong Mai hatte sich die Mobilisierung der Dorfbewohner und der lokalen Behörden als Schlüssel des Erfolgs erwiesen. Anstatt die verseuchtem Böden abzutragen und sie anderswo zu entsorgen, wurden die kontaminierten Grundstücke mit Sand, Geotextilien, 20 Zentimeter gepresstem Erdreich, Backsteinen und einer Zementschicht versiegelt.


Preiswerte Lösungen möglich

Nachdem ihnen das Verfahren erklärt worden war, begannen die Dorfbewohner mit der Umsetzung. Die Sanierungskosten, die ursprünglich mit zehn Millionen Dollar veranschlagt worden waren, konnten auf diese Weise auf insgesamt 60.000 Dollar - 20 Dollar pro Person - gesenkt werden.

"GAHP-Mitglieder helfen ihren Nachbarn", erläutert Fuller. "Und oft lässt sich der Erfolg, der in einem Land erreicht wird, in anderen Ländern replizieren." Durch das GAHP-Modell kommt es zur Zusammenarbeit zwischen internationalen Agenturen und zwischen Staaten. Sie alle helfen einander, die furchtbaren Probleme, die aus der Umweltverseuchung resultieren, zu lösen."

Die übrigen Erfolgsgeschichten kommen aus Ghana, dem Senegal, aus Peru, Uruguay, Mexiko, Indonesien, von den Philippinen, aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Kirgisistan. In Thiaroye Sur Mer im Senegal wurde die Wiederaufbereitung von Batterien durch den lukrativen Betrieb hydroponischer Gärten ersetzt, in Mexiko-Stadt eine verseuchte Ölraffinerie in einen städtischen Park mit jährlich einer Million Besuchern umgewandelt.

Bild: © Blacksmith Institute for a Pure Earth

Frauen im Senegal hatten keine Ahnung, dass sie mit ihrer Arbeit sich und ihre Familien verseuchten
Bild: © Blacksmith Institute for a Pure Earth

In Agbogbloshie in Ghana wird der Elektroschrott inzwischen sicher von Maschinen recycelt. Zuvor war er von den Menschen verbrannt worden. "Wir haben hart daran gearbeitet, Lösungen zu finden, die für die lokalen Recycler annehmbar waren", betont Kira Traore, Leiterin des Afrika-Programms bei Blacksmith, in dem Bericht.

Mit einem Verbrennungsverbot allein wäre den Menschen, die auf Einnahmen dringend angewiesen sind, nicht geholfen gewesen. Es hätte zudem bewirkt, dass der E-Schrott anderswo verbrannt worden wäre. Auf diese Weise hätte die Verseuchung mehr Gebiete und mehr Menschen erreicht.

Experten weisen darauf hin, dass toxische Substanzen tausende Kilometer zurücklegen können. "Quecksilber, das beim Goldbergbau und in Kohlekraftwerken freigesetzt wird, reist um die Welt und findet sich im Fisch wieder, den wir dann in London als Sushi verzehren", erläutert Robinson. "DDT findet sich im Körperfett der Einwohner Grönlands, obwohl dort keine Landwirtschaft betrieben wird. Die reichen Länder sollten deshalb nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch im eigenen Interesse den ärmeren Ländern dabei helfen, das Problem der Verseuchung zu lösen."

"Westliche Staaten konnten in den letzten 40 Jahren Erfolge bei der Beseitigung von toxischen Substanzen vorweisen. Sie können ihre Technologien und ihr Know-how in die Länder niedriger und mittlerer Einkommen transferieren", heißt es in dem Report. Und weiter: "Wir wissen bereits, wie sich die Probleme lösen lassen, weil uns dies bereits gelungen ist." (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/developing-nations-write-hopeful-new-chapters-in-a-toxic-legacy/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang